Start Chemnitz Kommentar: Die gescheiterte Friedensbotschaft
Artikel von: Judith Hauße
04.03.2022

Kommentar: Die gescheiterte Friedensbotschaft

Judith Hauße, stellv. Chefredakteurin, WochenENDspiegel kommt zu Wort.Foto: Privat
Von Judith Hauße

Er war nach der „Kubakrise“ 1965 als friedenssichernde Maßnahme im „Kalten Krieg“ eingerichtet worden: Der „Heiße Draht“ zwischen Moskau und Washington hatte seinerzeit die Aufgabe zur Einhaltung des Weltfriedens. Die damaligen Fernschreiber, die für die Standverbindungen zwischen dem Pentagon und dem Kreml geschalten wurden, kamen übrigens aus dem ehemaligen VEB Gerätewerk in der damaligen Karl-Marx-Stadt. So ist die Welt auch mit der indirekten Hilfe aus der ostdeutschen Stadt mit dem für die damalige Zeit schnellsten Kommunikationskanal haarscharf am Atomkrieg vorbeigeschrammt.
Heute, fast 80 Jahre später blicken wir erneut nach Moskau, wo der russische Präsident Wladimir Putin sitzt und wir uns fragen, was plant er noch hinter den Kremlmauern? Derweil kommt das Vokabular längst vergessener Zeiten mit dem Ukraine-Krieg wieder hoch, lässt uns erschaudern. Da bekommt der Chemnitzer Friedenstag an diesem Wochenende eine ganz neue Bedeutung. „Stell dir vor, es ist Frieden und alle machen mit“ – steht auf einen der Friedensbanner am Rathaus. Im Moment spielt aber nur einer nicht mit, und das ist der Kreml-Chef Putin.

Sein militärischer Einmarsch in die Ukraine ist eine brutale Völkerrechtsverletzung. Viele Jahre spielte er mit der Gutgläubigkeit des Westens. Alle diplomatischen Schritte, die seitens von Deutschland in Form von Geld in die Verteidigungspolitik geflossen sind, nützen schon lange nichts mehr, wenn sie es überhaupt schon jemals getan haben. Putin lacht über die Diplomatie.

Und in Hinblick auf den derzeitigen Krieg bekommt seine damalige Rede im Bundestag, wo er noch die Stärkung der Marktwirtschaft und Demokratie betonte, einen widerlichen Beigeschmack. Doch um den CDU-Chef Friedrich Merz zu zitieren: „Putin ist heute ein anderer als er es damals war“.
Seine geopolitischen Ziele sind heute andere. Die vermeintliche Russland-Romantik zwischen Deutschland und Moskau wird zum Ghosting, das auf Dating-Plattformen für den Kommunikationsabbruch zwischen zwei Partnern ohne Ankündigung steht. Liebesbekundungen an die Ukraine sind wichtig, aber können gegenüber eines Wahnsinnigen wie Putin nicht viel erreichen.

Wenn jahrelang die rosarote Brille aufgesetzt wird, Deutschland in Behörden statt in ein funktionstüchtiges Militär investiert, dann ist es nicht verwunderlich, dass diplomatische Friedensbotschaften zum Scheitern verureilt sind. Keiner von ihnen war jemals zuvor so nah an einem Krieg, aber Machthaber, wie Putin oder Chinas Präsident Xi können nicht mit schwachen Sanktionen oder lächerlichen 5.000 Helmen abgeschreckt werden. Es mag verstörend klingen und auch wir als Land müssen künftig in den sauren Schuldenapfel beißen, aber derartigen Diktatoren müssen knallharte Sanktionen, wie etwa der SWIFT-Ausschluss, die völlige Isolierung sowie eine starke Armee entgegengesetzt werden – unabhängig davon, ob sie zum Einsatz kommt.

Vor allem Deutschland war viel zu lange in einem Dornröschenschlaf, vertrödelte sogar beinahe den Entschluss, Russland aus dem internationalen Zahlungssytem auszuschließen. Erst mit dem Druck der Staatengemeinschaft, der selbst noch eher von Ungarn oder Polen kam, gab der deutsche Kanzler Olaf Scholz grünes Licht. In seiner Rede im Bundestag am vergangenen Samstag fand er dann letztlich doch noch deutliche Worte. 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, mehr Geld für die Nato und Russlands wirtschaftliche Isolation vom Westen. Der neue „Klartext-Scholz“, wie BILD-Chefredakteur Johannes Boie ihn nennt, steht nun aber noch mehr unter Zugzwang. Denn auf Worte müssen Taten folgen. Klar verdient seine Rede größten Respekt. Aber bitte Herr Scholz, unser Land muss endlich aufwachen und wieder Stärke zeigen!