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Artikel von: Sven Günther
31.08.2018

Kretschmer, der Retter

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer beim Sachsengespräch in Chemnitz. Foto: Sven Günther

Kretschmer: Chemnitz ist nicht rechts!

Von Sven Günther
Chemnitz. Er wird nicht an ihn gedacht haben, als Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates und Chef der sächsischen CDU, zum seit Monaten geplanten “Sachsengespräch” ins Stadion des Chemnitzer FC kam. Kein Gedanke des Politikers an den Fußball-Feuerwehrmann Hans Meyer, der hier in der Fischer-Wiese von 1988 bis 1993 agierte, später alles rettete, was zu ihm zu retten aufgetragen worden war. Borussia Mönchengladbach führte er, Meyer, in die erste Liga zurück, mit Nürnberg, Hertha und wieder Gladbach hielt er die Klasse. Michael Kretschmer hat den Auftrag, die Sachsen-CDU zu retten, wieder deutlich stärker zu machen, als dies die letzten Umfragen (30 Prozent) ergaben. Er soll die Probleme lösen, die sich im Freistaat über Jahre angestaut haben.
Rund 650 Menschen lauschten am Donnerstag in den Räumen des CFC-Stadions den Worten des Ministerpräsidenten, der seine erste Politiker-Garde dabei hatte und diese zu den Bürgern an die Tische setzte. Kretschmer motiviert die Regierungsmitglieder zum Gespräch mit dem Wähler, kommuniziert und lässt kommunizieren. Eine neue Qualität der Dresdner Staatsregierung.
19.05 Uhr trat Kretschmer vor die Menschen, bat zunächst darum, dem Opfer des Messerangriffs mit einer Schweigeminute zu gedenken. Dann bezog er Stellung: “Ich weiß, dass Chemnitz nicht rechtsradikal ist”, sagte der Ministerpräsident, warnte vor Halbwahrheiten, die im Internet verbreitet werden und für Hysterie sorgten. Kretschmer versprach vollständige Aufklärung der Bluttat: “Die Mühlen der Justiz mahlen zuweilen langsam. Aber sie mahlen sehr gründlich.” Zehn Minuten sprach Kretschmer, ging dann, wie seine Minister, in die Einzelgespräche mit den Bürgern.
Dort stellt er sich den kritischen Fragen und den vielen Bitten, das Ansehen der Stadt wiederherzustellen.
Nein, Chemnitz sei keine Hochburg der Nazis. Nein, die Demonstration am Sonntag und Montag waren keine Aufmärsche rechter Chaoten, sondern sachliche Proteste vieler Bürger. Ja, die Medien stellten den Sachverhalt falsch dar.
Kretschmer: “Wenn im Zusammenhang mit den Demonstrationen von Hetzjagd, Mob oder Pogrom gesprochen wird, ist das bösartig und falsch. Zur Wahrheit gehört aber auch, das der Hitlergruß gezeigt wurde. Das darf man sich nicht gefallen lassen. Da ist Zivilcourage gefragt!”
Immer wieder wurden die Medien von den Bürgern kritisiert, die nicht die Sorgen der Chemnitzer, sondern das Fehlverhalten einzelner Chaoten darstellen und verallgemeinern würden. Jetzt habe man auf der Welt ein falsches Bild von Chemnitz. Kretschmer: “Alle Bürger sind gefragt, diese Falschdarstellung zu korrigieren.”
Und er wurde konkret, versprach. “Wenn es in einer Stadt Orte gibt, an denen sich die Menschen nicht sicher fühlen, werden wir dafür sorgen, dass sich das ändert. Es darf keine rechtsfreien Räume geben. Es gibt Regeln, die einzuhalten sind und das werden wir durchsetzen.”
Auf die rund 900 Demonstranten, die einem Aufruf von “Pro Chemnitz” folgend vor dem Stadion ihre Meinung äußerten, ging der Politiker nicht ein, widmete sich den Sorgen der Gäste des Sachsengespräches, geriet zunehmend in Debattierlaune. 20.33 Uhr entledigte er sich seines Jacketts, stand immer öfter auf, ging auf die Fragesteller zu, sprach trotz kleinerer Unmutsbekundungen (Protest gegen das geplante Konzert am Montag am Karl-Marx-Monument) ruhig weiter und stellte sich verbal schützend vor die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD), deren Äußerungen meist mit Buh-Rufen quittiert wurden.
Vor dem Stadion gab es mehr Unmut gegen die Politiker, blieb die Lage aber ruhig. Die Polizei teilte mit, dass Personen identifiziert werden konnten, die bei der Demo am Montag den Hitlergruß gezeigt und Pyrotechnik verwendet hätten.
Drinnen versprach Kretschmer, Polizei und Justiz zu einer offenen und umfassenden Informationspolitik zu bewegen, stand zu seiner Meinung, dass straffällig gewordene Asylbewerber ihren Schutzstatus verlieren und abgeschoben werden müssen. Fest stehe, das man Asylrecht und Einwanderungspolitik nicht vermengen dürfe und dass “wir in Europa nicht in Frieden leben werden, wenn Afrika im Chaos versinkt.” Dort müsse die Wirtschaft nachhaltig aufgebaut werden.
Kretschmer appellierte: “Es ist wichtig, dass man bei noch so unterschiedlichen Meinungen immer darauf achtet, bei der Argumentation den Ton zu wahren.” Er werde in seiner Regierungserklärung in der kommenden Woche die Ereignisse von Chemnitz so darstellen, wie sie sich tatsächlich abgespielt haben.
Worte, die Zustimmung fanden. Der Fußball-Feuerwehrmann Hans Meyer hätte drei Punkte bekommen…