Start Erzgebirge Lieber Meister statt Master?
Artikel von: Sven Günther
11.10.2018

Lieber Meister statt Master?

HWK-Präsident Frank Wagner gab dem WochenENDspiegel zum Tag des traditionellen Handwerks ein Interview. Foto: HWK

“Wer ins Handwerk geht, muss nicht nach München”

Von Sven Günther
Chemnitz. Der Tag des traditionellen Handwerks am 20./21. Oktober steht vor der Tür. Dem WochenENDspiegel gab Frank Wagner, der Präsident der Handwerkskammer ein Interview.

Warum sollte man den Handwerkern über die Schulter sehen?
FRANK WAGNER: Weil das Handwerk ein sehr vielseitiger Wirtschaftsbereich ist, weil Handwerker vielseitige Menschen sind und weil man handwerkliche Erzeugnisse im wahrsten Wortsinn begreifen kann, was mit den meisten Produkten, die uns im Alltag umgeben, kaum noch möglich ist.

Es bleibt der Fakt: Nachwuchs- und Fachkräftemangel quälen auch die Handwerker. Was kann die HWK, was können die einzelnen Meister tun?
WAGNER: Was die Handwerkskammer tut: Unsere Ausbildungsberater und passgenauen Besetzer sind rund ums Jahr unterwegs, um für die Ausbildung im Handwerk zu werben und geeignete Bewerber mit Betrieben zusammenzubringen. Immer häufiger gelingt uns das übrigens auch mit Gymnasiasten. Was die Meister tun können: Zunächst einmal selber ausbilden. Den Betrieb auf Messen, in den Gemeinden, im Internet sichtbar machen. Viele Betriebsinhaber kooperieren inzwischen aber auch mit Schulen und Sportvereinen, sie bieten Schnuppertage, Betriebspraktika, Ferienarbeit und vieles mehr an. Und oft entstehen daraus Ausbildungsverhältnisse.

Könnte man das Motto “Lieber Meister als Master” gelten lassen?
WAGNER: Auf jeden Fall. Nichts gegen Master. Sie werden gebraucht. Aber Meister werden eben genauso und nicht weniger als Akademiker gebraucht. Wenn man Jobchancen nach dem Studium und nach der Meisterschule miteinander vergleicht, schneidet der Meister besser ab, genauso bei der Arbeitslosenquote – sie liegt für Handwerksmeister unter zwei Prozent. Und von den Meinungsforschern wissen wir, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit im Handwerk höher ist als anderswo. Also ja, das Motto gilt.

Sind die Schulabgänger fit fürs Handwerk?
WAGNER: In aller Regel ja. Aber ein bestimmter Prozentsatz verfügt noch nicht über die nötige Ausbildungsreife, hat Probleme mit Kernfächern wie Mathematik oder mit Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. All das gibt es, und es erschwert die Ausbildung. Aber viele Betriebe und wir selbst als Kammer engagieren uns für die ausbildungsbegleitende Unterstützung dieser Lehrlinge. Beziehungsweise richten wir mit Auszeichnungsveranstaltungen wie „Beste Hauptschüler“ den Fokus auf die vielen, vielen tüchtigen Oberschülerinnen und Oberschüler. Die drohen nämlich beim Reden über die weniger Fitten aus dem Blick zu geraten.

Kurz: Warum sollte ein Junge oder ein Mädchen sich für einen Beruf im Handwerk interessieren?
WAGNER: Weil das Handwerk mit seinen mehr als 130 Ausbildungsberufen so gut wie alle Interessen und Begabungen abdeckt. Weil es in der Region, vor allem im Erzgebirge, sehr stark ist und das Handwerk eben auch ein Arbeitgeber der kurzen Wege ist.
Wer ins Handwerk geht, muss nicht nach München ziehen oder jeden Tag Dutzende Kilometer zur Arbeit pendeln. Was noch für einen Beruf im Handwerk spricht: Das Handwerk bietet Jugendlichen über den Gesellenbrief hinaus viele Aufstiegs- und Weiterbildungschancen, dank des Fachkräftemangels sind die Jobchancen hervorragend, und wie gesagt: Arbeiten im Handwerk macht zufrieden.