Start Erzgebirge "Locke" Langer öffnet sein Fotoalbum
Artikel von: Sven Günther
31.03.2020

“Locke” Langer öffnet sein Fotoalbum

Die Wismut-Legende und Sachsenring-Urgestein Andreas Langer feierte am Montag (30. März) seinen 60. Geburtstag. Gehen Sie mit Veilchenecho-Redakteur Olaf Seifert auf eine Zeitreise… Foto: Olaf Seifert

„Locke” Langer: „Möchte die Station Aue nicht missen”

Region. Wo Andreas Langer heute wohnt, in Mülsen St. Niclas, hat er schon als Sechsjähriger mit dem Fußballspielen begonnen. Bekannt wurde er dann als DDR-Oberligaspieler unterm Spitznamen „Locke”; erst bei Sachsenring Zwickau, dann von 1986 bis Anfang 1990 bei den Auer Veilchen. Nach 1992 zurück beim Bezirksligisten SV St. Niclas, trainierte er dort die Männer und den Nachwuchs. Zuletzt organisierte er dort Trainingscamps für Kinder. Geblieben ist der Draht zu ehemaligen Wismut-Spielerkumpels. Am 30. März 2020 beging „Locke” seinen 60. Geburtstag.

Er ist ein Familienmensch, die Zeit mit Ehefrau Petra sowie den Enkeln Arjen und Aron ist die schönste. Doch wenn der FC Erzgebirge oder Bayern München auf Sky laufen wissen alle, jetzt braucht Opa seine Ruhe. Drei-, viermal pro Saison fuhr „Locke” in den letzten Jahren selber hoch nach Aue, auch die Weihnachtsfeiern mit guten alten Oberligakollegen sind ein Muss. Schade, denkt er, dass es die Oldieturniere in Lößnitz nicht mehr gibt: „Nach dem frühen Tod von ,Uli’ Ebert ist es etwas ruhiger bei uns geworden. Ich freue mich aber, was für ein Schmuckkästel mit dem neuen Erzgebirgsstadion entstanden ist. Schön, was der Verein auf die Beine stellt. Und das Auer Publikum ist wie zu meiner Zeit, es verzeiht auch Niederlagen und steht immer zur Mannschaft.”

Bei Wismut riefen sie „Locke”, manchmal sagten sie „der Zwickauer”. Das war nicht böse gemeint, trotz der schon damals gepflegten Rivalität. Fußball lag in der Familie Langer; sein Vater und die drei älteren Brüder machten es ihm vor. Nachdem Andreas als Torwart bei Traktor St. Niclas begonnen und das Fußball-ABC auf allen Positionen gelernt hatte, nutzte der Vierzehnjährige die Chance, bei der BSG Sachsenring im nahen Zwickau zu trainieren.

Trotzdem Andreas Langer aus Zwickau nach Aue kam, ist der torgefährliche Kämpfertyp sofort beliebt. Hier gibt er jungen Wismut-
Fans Autogramme.
Foto: Archiv Langer

„Damals hatte ich noch volle blonde Locken, Hans-Uwe Pilz hat mich wohl als Erster ,Locke’ gerufen. Schon mit 18 war von der Pracht kaum noch was da, der Name ist geblieben”, erzählt er. „Halb zwei war die Schule aus, um zwei fuhr der Bus, nach dem Training ging’s abends um sechs wieder heim. Jeden Tag. Sonntags fuhr mich mein Bruder mit dem Motorrad in die Stadt, von dort ging es zu den Spielen der Junioren. Freizeit hatte ich kaum, aber ich wollte unbedingt Oberligafußballer werden”, fügt Andreas hinzu. Das große Vorbild studierte er im Westfernsehen: „Von Kindesbeinen an bin ich Bayern-Fan, mein Idol hieß Gerd Müller.”

Mit 18 stand er 1978 im Oberligakollektiv, bestritt sein erstes Spiel gegen Lok Leipzig: „Ich glaube, wir verloren, aber mein Gegenspieler Wolfram Löwe hatte wenigstens nicht getroffen.” Im ersten Jahr musste „Locke” sich durchsetzen, im zweiten schon war er Stammspieler. 206 Einsätze bestritt der offensive Mittelfeldmann für Sachsenring, darunter 138 in der Ober- und 52 in der DDR-Liga. Er feierte den Aufstieg 1985 mit, nach seinem zweiten Abstieg ein Jahr später ging er nach Aue. „Manche haben mir das damals übel genommen. Ich war beliebt, hatte sogar einen Locke-Fanclub; eines morgens hing dessen Fahne vor meiner Garage: ,Verräter!’ Außer Hans Schykowski und mir war nie einer von Zwickau nach Aue gewechselt. Und sicher waren auch Wismut-Fans anfangs skeptisch”, weiß Andreas noch gut.

„Flocke” Weißflog das Leder in höchster Not weg, außerdem zu sehen sind die Auer
André Köhler (3), „Locke” (10), Ralf Vogel (6) und als Zweiter von rechts Mirko Reichel. Zur Pause steht es am 23. April 1989 an der Havel 2:2, am Ende müssen die Gäste eine 2:4-Niederlage einstecken. Foto Archiv Bruno Wernitz

Doch er wollte weiter in der ersten Liga spielen, sagt heute: „Sportlich war es richtig. Ich möchte die Station Aue nicht missen. Volker Schmidt, Bernhard Konik, Klaus Bittner oder Bäcker Falk Schellenberger sind bis heute gute Freunde.” Die Derbys beider BSGs seien immer was Besonderes gewesen; heiß, umkämpft, aber fair: „Auch auf den Rängen, Ausschreitungen wie nach der Wende und leider bis heute gab es nicht. Fast alle Spieler bei Sachsenring und Wismut kamen aus der Region, zumindest aus Sachsen.”

Angeschoben hatten den Wechsel nach Aue Mannschaftsbetreuer Bernd Zimmermann und, am Rande eines Folkrockkonzerts im legendären Mülsener „Amorsaal”, der Sänger und Fan „Stef” Gerlach. Ein Motiv von „Locke” freilich erfüllte sich nicht: „Ich war 26, verheiratet, hatte ein Kind und hoffte, nicht ,zur Asche’ eingezogen zu werden. Doch kaum war ich 1986 bei Wismut, bekam ich die Einberufung zur NVA.”

Statt Oberliga ein anderthalbes Jahr Wehrdienst, aber immerhin auch Fußball: beim Bezirksligisten Motor Bautzen. Erst ab Frühjahr 1988 konnte „Locke” angreifen. Für die Lila-Weißen bestritt er 61 Einsätze (43 in der Oberliga, 5 im UI-Cup, 13 im FDGB-Pokal, 1 im Sachsenpokal), erzielte 7 Tore (6/1/1). Im Mittelfeld fühlte er sich wohl, spielte aber auch mal Libero oder Mittelstürmer. „Locke” war nicht der Schnellste, doch machte er das durch Übersicht, Biss und Torgefährlichkeit wett. Zu den Highlights zählt das Derby gegen Zwickau 1988, als Langer beim 2:1-Sieg das erste Tor für Auer machte. Seine beste Saison war die von 1988/89, als sich die Mannschaft für den UI-Cup qualifizierte. Zum 3:2-Sieg gegen Rapid Bukarest trugen Harald Mothes zwei und Andreas Langer einen Treffer (vom Elfmeterpunkt) bei.

Ungergessliches Erlebnis: 1986 flog die Wismut-Mannschaft in den Iran, wo man Freundschaftsspiele gegen die National- und die Olympiamannschaft sowie eine Auswahl der Hauptstadt Teheran bestritt. Foto: Archiv Langer

Mehr als die 0:2-Niederlage bei Örgryte Göteborg aber schmerzte der Verlust dreier Stammspieler; André Köhler, Jens König und Thomas Weiß nutzten die Schwedentrip, um im Westen zu bleiben. Das und die Wendewirren, die für alle DDR-Fußballer Unsicherheiten brachten, konnte Wismut Aue nicht kompensieren. 1990 stiegen die Veilchen erstmals in ihrer Geschichte aus der ersten Liga ab. Da freilich hatte „Locke” die Töppen schon an den Nagel gehängt.

Beim Hafenbummel in Schweden. Im IF-Cup treffen die Erzgebirger 1989 auf Örgryte Göteborg. Sie verlieren
das Spiel und, schlimmer noch, drei Stammspieler.
Foto: Archiv Langer

Anfang ’90 musste er die Laufbahn verletzungsbedingt beenden, unterstützte zunächst Zeugwart „Zimbo” und arbeitete dann als Co-Trainer erst unter Heinz Eisengrein, dann Lutz Lindemann. 1992 sattelte Langer um, arbeitete in einem Kieswerk und war seit 2004 bei Volkswagen Sachsen in Mosel tätig. Fußball ist seither Hobby. Was Leidenschaft – speziell für die Entwicklung beim FCE – nicht ausschließt. „Als wir 2016 prompt wieder aufstiegen, hatte ich das so nicht erwartet”, meint der nun sechzigjährige Ex-Wismut-Spieler. Olaf Seifert

„Locke” trainierte die zweite Auer Mannschaft von Januar 1990 bis Juni 1991. Foto: Archiv Langer