Start lsbtiq*-Studie: Zwei Drittel sind zufrieden
Artikel von: Sven Günther
23.06.2022

lsbtiq*-Studie: Zwei Drittel sind zufrieden

Das Justizministerium ließ 1.490 lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere (lsbtiq*) Personen zu ihren Lebenslagen befragen. Für 125.000 Euro fand man heraus, wie sie sind in Sachsen fühlen: überwiegen gut! Symbolybild: pixabay.com

lsbtiq*-Personen fühlen sich wohl

Von Sven Günther
Region. Katja Meyer (Bündnis 90/Die Grünen), Sachsens Ministerin für Jusitz, Demokratie, Europa und Gleichstellung, ließ in einer gestern (22. Juni 2022) vorgestellten Studie 1.490 lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere (lsbtiq*) Personen im Freistaat zu ihren Lebenslagen befragen. Für 125.000 Euro fand man heraus, wie sie sich fühlen. So sind zwei Drittel aller Befragten zufrieden mit ihrem Leben. 62 Prozent sagen, dass sie in Sachsen so leben können, wie sie es möchten.

78 Prozent sind der Meinung, dass sie sich chancengleich am politischen oder gesellschaftlichen Diskurs beteiligen können. Dreizehn Prozent sehen sich in der sächsischen Politik
repräsentiert.

In vielen öffentlichen Bereichen haben lsbtiq* Personen in Sachsen in den vergangenen fünf Jahren mehrheitlich positive Erfahrungen gemacht: Für 84 Prozent überwiegen die positiven Erlebnisse im Bereich der (Fach-)Hochschule, Universität oder Berufsschule. 83 Prozent geben dies für den Freizeit-, Sport- und Ehrenamtsbereich an. In der Arbeitswelt machen immerhin drei Viertel der Befragten in der Regel positive Erfahrungen, in ihrer Familie 80 Prozent.

Defizite monieren 72 Prozent bei der Gründung einer Familie mit Kindern, 65 Prozent sehen sich von Ämtern und Behörden benachteiligt. Zwei Prozent erkennen Jugend- oder Schulämter als Anlaufstellen bei Fragen und Problem. 26 Prozent fühlen sich im öffentlichen Raum sicher. Jede zweite befragte Person gibt an, einen Übergriff erfahren zu haben.

Studienleiterin Dr. Christina Rauh: “Mit der Lebenslagenstudie liegt nun erstmals ein umfassendes Bild über die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Sachsen vor. Und das zeigt: Es gibt eine vergleichsweise hohe Lebenszufriedenheit unter lesbischen, schwulen und bisexuellen Befragten. Doch deutlich unzufriedener sind trans- und intergeschlechtliche Sächs*innen, und solche, die sich nicht-binär, also weder als eindeutig männlich, noch als eindeutig weiblich identifizieren. Diese Personen erfahren seltener Respekt und werden oft mit dem falschen Namen angesprochen. Hier wird sich in den kommenden Jahren gesellschaftlich viel tun, auch in Sachsen.”

 

Der WOCHENENDSPIEGEL stellte dem Ministerium ergänzende Fragen.

WOCHENENDSPIEGEL:
Wie viele lsbtiq* Personen leben schätzungsweise in Sachsen?

Es liegen keine gesicherten Zahlen für Sachsen vor. Hier kann lediglich auf Daten aus nationalen Erhebungen verwiesen werden. Es wird davon ausgegangen, dass der Zahlenwert in Sachsen sich auf einem vergleichbaren Niveau bewegt.
Laut dem Ipsos LGBT+ Pride 2021 Global Survey von 2021 gaben elf Prozent der Befragten aus Deutschland an, nicht heterosexuell zu sein. Drei Prozent der Befragten aus Deutschland gaben an, transgender/nicht-binär/o.ä. zu sein.
Die Dalia Studie von 2016 kam zu dem Ergebnis, dass sich in Deutschland rund 7,4 Prozent der Bevölkerung als lgbtq identifizieren. Legt man diese Studie zu Grunde, wären in Sachsen rechnerisch ca. 300.000 Personen lesbisch, schwul, bisexuell, trans-, intergeschlechtlich und / oder queer.

WOCHENENDSPIEGEL:
Welche konkreten Schlussfolgerungen/Maßnahmen folgen aus den Ergebnissen der Studie?

Die Ergebnisse dienen als eine fachliche Grundlage für die im Koalitionsvertrag 2019-2024 verankerte Fortschreibung des Landesaktionsplans zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen, (kurz: LAP Vielfalt). Der erste sächsische LAP Vielfalt wurde 2017 veröffentlicht und enthielt Maßnahmen für die gleichberechtigte Berücksichtigung der Belange von lsbtiq* Personen im Freistaat Sachsen beispielsweise in Schule, Pflege oder Arbeitswelt. Im September 2022 startet der Fortschreibungsprozess mit Fachworkshops zu sieben größeren Themengebieten. Die Ergebnisse der Studie werden hierbei einen Rahmen für die Ausgestaltung bieten.

WOCHENENDSPIEGEL:
Welche Kosten hat die Studie verursacht?

Die Kosten der Studie betragen gerundet 125.000 Euro. Die hierfür aufgewendeten Mittel kamen aus dem Sofortprogramm “Start 2020” im Rahmen der Maßnahme zur Fortschreibung des LAP Vielfalt.

WOCHENENDSPIEGEL:
Weshalb wurden die Studie von einem Unternehmen aus Leverkusen (Rauh Research Management) durchgeführt?

Rauh Research Management war einer von bundesweit zwei Bietern, die sich auf die Ausschreibung der Studie mit einem Angebot bewarben. Weitere Bieter, die zuvor Interesse geäußert hatten, darunter auch aus Sachsen, sagten ab. Nach einem gewichteten Bewertungsprozess fiel die Entscheidung für Rauh Research Management aus.

WOCHENENDSPIEGEL:
Konnte die Online-Befragung nicht von Mitarbeitern des Ministeriums selbst durchgeführt werden?

Die Vorbereitung, Erstellung, Bewerbung, Durchführung und Auswertung der Studie konnten in dem vorliegenden Umfang nur durch ein hierauf spezialisiertes wissenschaftliches Institut o.ä. durchgeführt werden. Die personellen und zeitlichen Ressourcen der Mitarbeitenden des Ministeriums hätten hierfür bei weitem nicht ausgereicht, zudem hätte dies die Erledigung anderer Aufgaben im Fachbereich blockiert.

Die komplette Studie finden Sie hier