Start Chemnitz Mehr Lohn für Bäckerei-Mitarbeiter?
Artikel von: Redaktion
02.03.2017

Mehr Lohn für Bäckerei-Mitarbeiter?

Der Chemnitzer Bäckermeister Martin Lommatzsch gehört zur jungen Garde der Branche. Er teilt die Meinung der Innung. Foto: Nicole Neubert/Archiv

Chemnitz. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) will einen höheren Lohn für alle Bäckerei-Beschäftigten in Chemnitz durchsetzen. In einer Presseerklärung fordert sie den Landesinnungsverband Saxonia auf, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen und die Branche attraktiver zu machen. Ziel sei ein zweistelliger Stundenlohn – also „10 Euro plus x“. Diese pauschale Forderung sieht man bei der Innung kritisch.

„Die Steigerung zum Mindestlohn auf mehr als 10 Euro ist zum heutigen Stand einfach nicht machbar“, sagt Manuela Lohse, Geschäftsführerin beim Landesinnungsverband Saxonia des Bäckerhandwerks Sachsen, im Gespräch mit WochenENDspiegel. „Man muss differenzieren“, fordert sie. Es gebe in jeder Bäckerei Mitarbeiter, die einfache Arbeiten ausführten wie zum Beispiel Bleche reinigen oder Öfen putzen. Diese müssten natürlich anders bezahlt werden als ausgebildete Fachkräfte. Und das funktioniert ihrer Meinung nach auch: „Wer richtig gut ist, wird auch gut bezahlt.“

Den von der NGG geforderten neuen Flächentarifvertrag lehnt sie aber ab. „Man muss immer auch nach den regionalen Einkommensverhältnissen schauen“, findet sie. Die NGG hatte als Argument den drohenden Fachkräfte-Schwund in Sachsen angeführt. „Viele Bäckermeister im Freistaat klagen über fehlenden Nachwuchs. Gerade gelernte Kräfte suchen ihr Glück – und vor allem den höheren Lohn – lieber in anderen Bundesländern“, sagt NGG-Gewerkschaftssekretär Thomas Lissner.

Auch beim Landesinnungsverband weiß man um den Fachkräftemangel. Die Argumentation mit dem Wegzug in die alten Bundesländer hält man hier aber für falsch. „Das war vielleicht 1990 so“, vermutet Manuela Lohse. Aus ihrer Sicht ist eher das Negativimage mit Nachtarbeit entscheidend dafür, dass immer weniger junge Leute im Bäckereihandwerk arbeiten wollen. „Aber Menschen, die das aus einem Familienbetrieb kennen, wissen um die vielen schönen Seiten des Jobs.“ Dort will die Innung mit Imagekampagnen ansetzen.

Das wird auch von der Handwerkskammer Chemnitz unterstützt: „Wir bieten neben gründlicher Berufsberatung und -orientierung auch die passgenaue Besetzung von Lehrlingen und eine gründliche Karriereplanung an, denn das Handwerk benötigt auch Führungskräfte, Meister, Betriebswirte mit handwerklichem Hintergrund usw. Und wir machen klar, worin der Reiz einer Arbeit im Lebensmittelhandwerk liegt: im kreativen und vor allem handwerklichen Umgang mit Grundnahrungsmitteln“, so Pressesprecher Robert Schimke.

88 junge Menschen haben 2016 bei der HWK eine Ausbildung zum Bäcker oder Konditor angefangen. Ein Jahr zuvor waren es 81, 2014 sogar nur 74. Da es wieder mehr Schulabgänger gibt, sind die Ausbildungszahlen im Handwerk im Aufwind. Von einem generellen Trend könne man aber noch nicht sprechen. Vom Gerede über Lohndumping hält man bei der HWK nichts: „Für den Fachkräftemangel im Lebensmittelhandwerk gibt es mehr als einen Grund. Einer der Gründe sind sicher die Arbeitszeiten, die oft schwer mit den Zeiten von Familie und Freunden vereinbar sind“, so Pressesprecher Robert Schimke auf WochenENDspiegel-Nachfrage.

Bei der Gewerkschaft ist man sich sehr wohl bewusst, dass es nicht nur ums Geld geht. Auch die hohe Arbeitsbelastung trage ihren Teil dazu bei. „In Chemnitz ist die Personaldecke vieler Bäckereien extrem dünn. Wenn da mal eine Verkäuferin krank wird, muss eine andere schnell einspringen. Das führt in der Praxis oft zu einem regelrechten Filial-Hopping und teilweise zu Ganztagsschichten von bis zu 14 Stunden“, werden Klagen von Verkäuferinnen bei Filial-Besuchen zitiert.

Von 870 Bäckerei-Beschäftigten in Chemnitz spricht die NGG. „Davon sind 70 Prozent im Verkauf, 30 Prozent in den Backstuben tätig“, erläutert Gewerkschaftssekretär Thomas Ließner. Laut Auskunft des Landesinnungsverbandes sind 28 Betriebe in Chemnitz in der Innung vertreten mit im Schnitt zehn Mitarbeitern. Selbst wenn nur 65 Prozent der Betriebe Innungsmitglied sind, käme man nicht auf so eine hohe Zahl, kritisiert Manuela Lohse.