Start Vogtland Narren der Muldestadt auf Null-Diät
Artikel von: Sven Günther
28.02.2022

Narren der Muldestadt auf Null-Diät

Auch wenn es keinen Faschingsdienstagstanz im Amorsaal gibt – mit einem Lächeln schauen Kerstin Döhn und Steffen Friedrich auf die im Herbst bereits fest eingeplanten Abende mit Live-Musik. Foto: tsc

Ausgetanzt

Zwickau. Die Faschingszeit geht ihrem Ende entgegen. Fasching? Was ist das? wird sich so mancher fragen. Noch bis zum Aschermittwoch, dem 2. März, haben (hätten) die Narren das Sagen während ihrer sogenannten „fünften Jahreszeit”. Aber aus unterschiedlichsten Gründen kommt dieser Tage eher der US-amerikanischen Singer-Songwriter Pete Seeger ins Spiel. Er fragte 1955 in seinem Titel: „Sag mir, wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben?“ Aktuell – unabhängig von Corona – könnte es allerdings nicht nur derzeit heißen: „Wo sind die Narren geblieben? Was ist gescheh´n?“

Antworten darauf gibt´s hauptsächlich zwei. Eine liefert Kerstin Döhn, Chefin des berühmt wie allbekannten Amorsaals in Mülsen St. Niclas: „Traditionell gab es bei uns über Jahre stets Tanz am Faschingsdienstag. Aber als sich vor etwa zehn Jahren zu dem von uns organisierten Abend mit live-Band nur rund siebzig Gäste im Saal eingefunden, also Lust auf einen ausgelassenen Abend hatten, wurde die Suppe teurer als das Fleisch, wie man so schön sagt. Demzufolge mussten wir anerkennen, dass die Nachfrage nicht mehr gegeben war. Und seitdem organisieren wir keinen Faschingstanz mehr.“ Es gebe allerdings eine Ausnahme. „Wenn der Mülsener Carnevalsverein einen Abend gestaltet, meist am Samstag, ist der Mor natürlich gern Gastgeber für das bunte Treiben.“ Überhaupt habe es den Anschein, dass generell Faschingsveranstaltungen nur noch dann das närrische Volk erreichen, wenn ein entsprechender Verein dahinterstehe.

Damit ist das Stichwort für die zweite Antwort auf eingangs gestellter Frage gegeben. Noch bis zur Wende und teils in die Neunziger gab es in fast jedem Großbetrieb oder auch Stadtteil noch engagierte Leute, die sich „für ein Faschingsprogramm verantwortlich fühlten“. Zudem sind seither die Räumlichkeiten dafür stark ausgedünnt. Nichts ist´s mehr mit dem Spruch. „Wer was auf sich hält, geht Rosenmontag in die Neue Welt!“ Dort gibt es seit Jahren nur noch den gut angenommenen sonntäglichen Kinderfasching. Kaum zu glauben, dass in den achtziger Jahren an gleicher Stelle gut zehn Carnevalsvereine der Region ihre Programme einer Jury zur Zensur darbieten mussten. Ansonsten sind die heiß begehrten kostümierten Tanzabende in den Aulas der beiden damaligen Hochschulen, im HBK, im Klubhaus Steinkohle oder gar im Lindenhof nur noch Erinnerungen. Die einst unzähligen Lokalitäten – auch für Veranstaltungen anderer Art – sind in der Muldestadt (außer dem Kulturhaus Sachsenring) seit langem arg ausgedünnt. Nun müssen die Städter ins Umland ausweichen, in den Löwen nach Ebersbrunn, in die Linde Culitzsch, zum Erbkretscham Langenweißbach, in den Erlenwald nach Vielau oder in die Muldentalhalle. Wenn es die Umstände wieder zulassen, wird es hoffentlich in der kommenden Faschingssaison dort unter der Regie des Katholischen Faschingsvereins Zwickau, des Wilkauer Carnevalsclubs oder des Mülsener Carnevals-Vereins wieder hoch hergehen.

Nochmal zurück in den Amorsaal. Kerstin Dähn resümiert und blickt voraus: „Dann hoffen wir mal auf den Faschingsdienstag 2023, den 21. Februar kommenden Jahres. Fakt ist aber: Die Generationen, die samstags zu live-Musik und zum Schwof unterwegs waren, gibt´s nicht mehr. Die Jüngeren haben andere Vorlieben. Aber für die treuen Mor-Fans gibt´s zu den bis dato gewohnten Terminen weiterhin einige wenige Abende, an denen der Saal altgewohntes Flair in die Gegenwart holt.“