Start Chemnitz Natürlich, fellig, pelzig: Kürschner-Handwerk zwischen Kritik und Moderne
Artikel von: Redaktion
08.10.2019

Natürlich, fellig, pelzig: Kürschner-Handwerk zwischen Kritik und Moderne

Isabelle Ahlefeld bei der Bearbeitung eines Persianers an einer speziell für Felle vorgesehenen Nähmaschine. Im Hintergrund ein fertiges Produkt aus dem gleichen Schafsfell. Fotos: Cindy Haase

Chemnitz. “Wir sind ein sehr, sehr nachhaltiges Handwerk – und das nicht erst, seit Greta Thunberg die Schule schwänzt”, sagt Jürgen Förster. Der Obermeister der Mitteldeutschen Kürschner-Innung ist fest davon überzeugt, dass die Ver- und Bearbeitung von Fellen zu Pelzen etwas ganz Natürliches ist und vor allem mit guter Ökobilanz.

“Jedes Jahr werden in Deutschland zwischen 500.000 und 550.000 Rotfüchse geschossen, aber nur acht bis zehn Prozent werden verwertet”, erzählt er. Dabei sei der Rohstoff aus der Natur da und sollte seiner Meinung nach auch genutzt werden. Doch nicht nur Füchse aus weidgerechter Art betrifft das. “Auch Waschbären, Nutrias oder Bisons werden gejagt, damit die Natur nicht aus dem Gleichgewicht kommt.” Für die Arbeit der Kürschner spreche zudem, dass eine Verarbeitung in Deutschland stattfinde und lückenlos aufgezeigt werden könne, woher die Tiere stammen. Das trifft zumindest auf das besondere Label des deutschen Kürschner-Handwerkes “We prefur” zu.

Allerdings machen sich auch die hiesigen Kürschner nicht davon frei, auch Felle von Farm-Tieren zu verarbeiten. “Wenn aber stimmen würde, was Tierschützer immer verbreiten, dass nämlich die Tiere sich gegenseitig beißen und die Bedingungen schlecht sind, wäre die Qualität der Ware nicht, wie wir sie haben wollen”, ist er überzeugt, dass die Haltungsbedingungen gut sind. Der Anteil an Farmtieren sei aber in der Region deutlich geringer als beispielsweise in Bayern, wo auch mehr Kunden Geld für beispielsweise Zobel oder Nerz ausgeben.

Charles Ahlefeld (2.v.r.) hat sein Geschäft inzwischen an seine Tochter übergeben.

In der Mitteldeutschen Kürschner-Innung sind aktuell 12 Betriebe vertreten, die meisten von ihnen Familienbetriebe mit nur ein bis zwei Mitarbeitern, aber auch wenige größere Unternehmen mit bis zu 20 Angestellten. Aus Chemnitz ist die Firma Ahlefeld vertreten, deren Geschäfte seit 2015 Isabelle Ahlefeld als Nachfolgerin ihrer Eltern Anette und Chareles Ahlefeld führt. Ganz so logisch wie das auf den ersten Blick scheint, war die Firmennachfolge aber nicht. “Ich habe eigentlich mal zahnmedizinische Angestellte gelernt”, erzählt die heute 25-Jährige. Allerdings habe sie dann schnell gemerkt, dass der Beruf doch nicht ihre wahre Berufung ist und auf das Kürschner-Handwerk umgesattelt.

Das täuscht aber nicht über die Tatsache hinweg, dass auch die Kürschner wie viele Handwerksbetriebe Nachwuchssorgen plagen. “Das ist ohne Zweifel schwierig”, weiß Obermeister Jürgen Förster, der selbst in Werdau in elfter Generation ein Kürschner-Geschäft betreibt. Auch in der Aufhebung des Meisterzwanges sieht er ein Problem. “Die Qualität leidet darunter”, ist er sicher.

Was den Kürschnern allerdings immer besser gelingt ist das Erschließen jüngerer Zielgruppen. Denn längst werden nicht nur Omas alte Pelzmäntel aus dem Schrank geholt sondern aus diesen überarbeitete schicke Kleidungsstücke gemacht – gern auch im Materialmix – die auch eine Kundschaft deutlich vor dem Rentenalter anspricht. Für Schnäppchenjäger ist das Tragen der tierischen Felle allerdings nichts. Allein das Aufarbeiten bereits vorhandener Pelze schlägt mit rund 1.000 Euro plus Materialkosten zu Buche. Dafür bekommen die Kunden eben auch echte Handarbeit. “Rund 35 bis 50 Stunden Arbeiten stecken meist in einem Mantel drin”, verrät Charles Ahlefeld.