Start Vogtland Neue Gesetze kosteten 61 Millionen Euro
Artikel von: Sven Günther
24.07.2020

Neue Gesetze kosteten 61 Millionen Euro

Seit der Gründung kontrollierte der Normenkontrollrat 80 neue Gesetze und Verordnungen, deren Umsetzung rund 61 Millionen Euro kosteten. Foto: pixabay.com

61 Millionen Euro für Umsetzung neuer Gesetze!

Von Sven Günther
Region. Sie intervenieren, heben mahnend den Finger, versuchen zu überzeugen, ihrer Kompetenz positiven Einfluss zu verleihen. Doch der Gegner ist schier übermächtig: Der Bürokratismus!

Seit 2015 gibt es in Sachsen eine Gruppe Experten, der es von der Regierung zur Aufgabe gemacht wurde, neue Gesetze und Regelungen auf finanziellen Folgen zu prüfen, die deren Verabschiedung verursacht.

Es geht um den Sächsischen Normenkontrollrat mit Michael Czupalla (Ex-Landrat Nordsachsen, bis 2015 Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes) an der Spitze. Sein, Czupallas, Motto: Erst der Inhalt, dann die Paragrafen! Er sagt: “Bürokratieabbau setzt voraus, dass die Folgen neuer Regelungen bekannt sind.”

Das sind sie aus seiner Sicht nicht!

“Wir müssen es schaffen, dass der Gesetzgeber deutlich mehr mit den betroffenen Bürgern, der Wirtschaft und der Wissenschaft spricht, IHK- und Handwerkskammern mit ins Boot holt, ehe Entscheidungen getroffen werden”, sagt Czupalla und fügt an: “Auch dem Normenkontrollrat muss mehr Gehör geschenkt werden. Wir arbeiten seit 2016, haben inzwischen gute Kontakte in die Ministerien, müssen aber noch mehr in die entscheidenden Arbeitskreise und an die maßgeblichen Leute kommen.”

An Czupallas Seite findet sich geballte Kompetenz!

André Jacob (Geschäftsführendes Präsidialmitglied beim Sächsischen Landkreistag),
Andreas Bösl (Chef BTOe-Bergbau und Tiefbau, Präsidiumsmitglied in der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e.V.),
Ralf Leimkühler (stellvertretender Geschäftsführer Sächsischer Städte- und Gemeindetag)
Hanjo Luccassen (Ex-Chef des DGB Sachsen)
Prof. Dr. Michael Schefczyk (Dekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dresden, Lehrstuhl für Entrepreneurship und Innovation)

Die Mitglieder des Sächsischen Normenkontrollrates von links nach rechts: Andreas Bösl, Hanjo Lucassen, Ralf Leimkühler, Vorsitzender Michael Czupalla, André Jacob, Prof. Dr. Michael Schefczyk: Fotograf: Sächsischer Normenkontrollrat

Mit einem Mini-Budget von 50.000 Euro jährlich prüfen sie neue Gesetze und Regelungen auf Be- und Entlastungen.

Im letzten Jahr waren es 19 Entwürfe. Die Themen u.a.: Neuordnung der Informationssicherheit, Datenschutz, Wolfsmanagement, Strahlenschutz, Schornsteinfegerhandwerk, Denkmalschutz, Glücksspiel, ÖPNV,

Seit der Gründung kontrollierte das Gremium 80 neue Gesetze und Verordnungen, deren Umsetzung rund 61 Millionen Euro kostete. Die Summe teilt sich unter Bürger (660.000 Euro), Wirtschaft (1,15 Millionen Euro), Freistaat Sachsen (53,8 Millionen Euro) und Kommunen (5,4 Millionen Euro) auf.

Czupalla: “Ich glaube, dass die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen dazu führen wird, viele Inhalte und Aufgaben genau anzusehen, neue Strukturen zu schaffen. Wir müssen die Digitalisierung nutzen, bessere Bedingungen zu schaffen, was auch in den Behörden zu einer höheren Zufriedenheit führen würde.”

Neue Strukturen. Mit der Einführung eines Normenkontrollrates auf Landesebene war Sachsen Vorreiter, inzwischen ist Baden-Württemberg nachgezogen. Bis Dezember wird nach dem geltenden Gesetz gearbeitet, dann tritt eine neue Regelung in Kraft, die jetzt Gegenstand von Gesprächen ist.

Dazu wurde von Prof. Dr. Kai Wegrich (Professor für Public Administration and Public Policy an der Hertie School Berlin) ein Gutachten erstellt, dass aus Sicht von Czupalla nicht maßgeblich sein sollte. Ein Grund: Der Normenkontrollrat bekäme deutlich weniger statt deutlich mehr Kompetenzen.

Die sind schon jetzt begrenzt, denn nicht jede Neuregelung wird den Experten zur Bewertung vorgelegt. In Paragraf 4 Absatz 1 Satz 2 des sächsischen Normenkontrollratsgesetzes steht: “Das Prüfungsrecht entfällt, soweit das Regelungsvorhaben

1. Bundesrecht umsetzt, dessen Erfüllungsaufwand bereits durch den Nationalen Normenkontrollrat geprüft wurde,
2. verbindliches Recht der Europäischen Union umsetzt,
3. sich auf die Festlegung von Zuständigkeiten,
4. die Aufhebung von Vorschriften oder
5. die Zustimmung zu einem Staatsvertrag beschränkt.”

Czupalla: “Sollte das Prüfungsrecht des Sächsischen Normenkontrollrates – wie vom Gutachter empfohlen – noch weiter eingeschränkt werden, würde sich das Problem der Unvollständigkeit der Zahlen noch verstärken. Es hätte mich gefreut, man hätte etwas mehr Geld und Expertise in das Gutachten einfließen lassen. Es ist an der Zeit zu erkennen, dass es weit mehr Kompetenz und Gespräche schon VOR dem Erarbeiten eines Gesetzentwurfes geben muss.”

Czupalla und die Seinen intervenieren weiter, heben mahnend die Finger, versuchen zu überzeugen…