Start Mittelsachsen Neujahresansprache des Freiberger Oberbürgermeisters
Artikel von: Constanze Lenk
31.12.2021

Neujahresansprache des Freiberger Oberbürgermeisters

Liebe Freibergerinnen und Freiberger,
hinter uns liegt ein anstrengendes Jahr. Mit viel Kraft haben wir ein kleines Stück Normalität zurückgewinnen können – Einiges mehr, als im Jahr zuvor möglich war: Wir sind in den Urlaub gefahren, haben Schuleinführungen gefeiert, Geburtstage nachgeholt. In der Stadt begingen wir sogar ein kleines Bergstadtfest, unser Theater verzauberte uns die Sommernächte auf der Alten Elisabeth und wir erhielten den Titel „familienfreundlicher Ort“. Es war nicht alles möglich, aber wir haben vieles möglich gemacht.
Geprägt war das Jahr wieder durch einen Virus, den wir dachten zu kennen und von dem wir annahmen ihn langsam wieder aus unserem Leben drängen zu können. Im Kampf dagegen wendeten wir Methoden an, die wir für erprobt hielten. Mit der Erfahrung von 2020 im Rücken, was sollte da schief gehen? Doch – und das ist eine Lehre, die ich aus diesem Jahr ins Neue mitnehme – merke ich: Wir sind nur dann erfolgreich, wenn wir anpassungsfähig sind.
Das Virus ändert sich und mit ihm sind wir aufgerufen uns auch immer wieder zu hinterfragen- unsere Methoden und unsere Wege. Zu sehr vernetzt ist unsere Welt, zu sehr sind wir auf das Miteinander angewiesen und darauf, dass jeder Verantwortung trägt. Gerade deshalb haben wir für die Freibergerinnen und Freiberger Angebote geschaffen. Um im Kampf gegen das Corona-Virus erfolgreich zu sein, bauten wir ein flächendeckendes System von Impf- und Testmöglichkeiten auf. Das haben wir gemacht, weil wir die Verantwortung hier vor Ort wahrnehmen möchten und nicht nur auf andere schieben wollen. Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen, die uns dabei unterstützt haben. Denn, wir können nur gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Um nach allen Seiten gesprächsbereit und ansprechbar zu sein, hielt ich es für wichtig meine eigene Meinung zurückzuhalten. Vielleicht auch im Glauben daran, dass meine eigene Meinung einem Gesprächsangebot im Weg stehen könnte. Im Nachhinein hadere ich, ob ich meine eigene Position nicht früher, nicht deutlicher, hätte äußern müssen. Auch das nehme ich mit als Vorsatz ins neue Jahr: Wir sollten dem Gegenüber zutrauen, dass er unsere Meinung aushält! Dennoch: Mein Angebot zum Dialog gilt weiterhin – für Menschen, die sich an die Regeln halten und Verantwortung für unsere Stadt beweisen wollen.
Als Oberbürgermeister unserer wunderschönen Stadt will ich für alle Bürger da sein, mit offenen Ohren und ausgestreckter Hand. Das Gleiche erwarte ich auch von meinem Gegenüber. So ist ein offenes Gespräch möglich, so werden Kompromisse geschlossen und im besten Fall per Handschlag besiegelt. Es hat mich ganz persönlich in den letzten Wochen enttäuscht, dass diese offene Geste von mir teilweise als Schwäche gewertet wurde. Anstelle mir ebenfalls offen gegenüber zu treten, begann man an meinen ausgestreckten Arm zu ziehen – unsere Stadt in Schieflage zu versetzen. Der Protest ist gekippt. Er war nicht mehr auf Inhalte bezogen, ging zu Lasten unserer Stadt, unserer Bürger – zu Lasten dessen, was unsere Gesellschaft ausmacht. Es ging nicht mehr um die Suche nach Lösungen. Aus Protest wurde teilweise Provokation. Aber genau das sollte niemals der Sinn von Protest sein. Ein Protest ist erlaubt, muss auf Fehler hinweisen, aber legal. Denn für uns alle gilt: Kritik muss uns Lösungen eröffnen.
Diese Lehre aus diesem Jahr, wurde uns eröffnet durch einen Brief. Ein Brief aus der Stadtgesellschaft, der das Problem nicht wegschob, sondern sich ihm annahm: Er zeigte eine Möglichkeit auf, Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung haben die wahrgenommen, die den Brief unterzeichnet haben. Dennoch bleibt Freiberg vielen als Hochburg des unerlaubten Protests im Gedächtnis. Dadurch wurde das Image unserer Stadt bundesweit beschädigt. Auch, wenn wir nicht alle diesen Scherbenhaufen verursacht haben, sind wir nun alle gefragt, die Scherben aufzusammeln. Das kostet uns Mühe. Das kostet uns Zeit. Das kostet uns Geld. Aber, die Rückmeldungen aus der Freiberger Wissenschafts-, Wirtschafts- und Kulturlandschaft zeigen mir. Unsere Bürger und Institutionen stehen zusammen, sind bereit Verantwortung zu übernehmen, Mühe, Zeit und Geld zu investieren. Und das sollte auch eine unserer Lehren sein, die wir 2022 beherzigen müssen: Wir kommen nur weiter, wenn wir die Situation annehmen und darauf reagieren, nicht, wenn wir sie andauernd infrage stellen.
Und so starte ich – trotz allem – positiv ins neue Jahr: Wir haben vier Wellen überstanden und dabei die Normalität größtmöglich aufrecht erhalten können. Unser Ziel 2022 muss es sein, wieder vor die Welle zu kommen – wieder zurück in die Normalität. Jetzt ist noch die Zeit zum Innehalten. Bald kommt wieder die Zeit, wo wir Dinge anpacken und nach vorne bringen können. Wir wollen auch 2022 in Freiberg nachhaltig investieren: Zwei Kindertageseinrichtungen und das Herderhaus werden fertigstellt, der Bahnhof als große Sanierungsmaßnahme begonnen und wir wollen vermehrt in den Straßenbau investieren. Mit der Nacht der Wissenschaft und Wirtschaft sowie einem großen Waldbadfest zum 100-jährigen Jubiläum am 4. Juni sind weitere Höhepunkte geplant. Natürlich soll es auch wieder ein Bergstadtfest und einen Christmarkt geben. Wir – und damit meine ich alle Mitarbeiter in der Stadtverwaltung – werden alles dafür tun, um diesen Zielen näherzukommen.
Heute stehe ich hier in der leeren Nikolaikirche, wo wir sonst im Januar den Neujahrsempfang mit mehreren hundert Gäste begehen. Er wird auch 2022 nicht stattfinden können. Denn ich möchte, dass wir hier gemeinsam zusammenkommen können, miteinander sprechen und damit auch einen Empfang würdig begehen. An die Stelle des Neujahrsempfangs tritt ein Empfang für die Engagierten unserer Stadt am Abend des 6. Mai, hier in der Nikolaikirche. Dabei sollen Unternehmen auf Engagierte und Vereinsmitglieder treffen. Es soll ein Abend des Miteinanders und des Kennenlernens werden – bunt, fröhlich und unterhaltsam mit der Auszeichnung des Jugendpreises und des Bürgerpreises. Darauf freue ich mich. Dazu lade ich Sie herzlich ein.
Lassen Sie uns zuversichtlich ins neue Jahr gehen – mit Novalis. Der Geburtstag des bekannten Freiberger Studenten jährt sich 2022 zum 250. Mal.
„Begrüße das neue Jahr vertrauensvoll und ohne Vorurteile, dann hast du es schon halb zum Freunde gewonnen.“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes, neues Jahr. Bleiben Sie gesund und unserer Stadt gewogen. Glück auf!
Abgerufen werden kann die Neujahrsansprache unter Freiberg – YouTube.