Start Chemnitz Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig im exklusiven Interview über den Haushaltsentwurf 2019/20
Artikel von: Redaktion
31.10.2018

Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig im exklusiven Interview über den Haushaltsentwurf 2019/20

Die Oberbürgermeisterin in ihrem Büro. Fotos: Cindy Haase

Chemnitz. Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig wirkt zufrieden. Vor ihr auf dem Tisch im Beratungsraum ihres Büros liegt der Haushaltsentwurf der Stadt Chemnitz für die Jahre 2019/20. Es sind im ersten Buch 1170 Seiten – prall gefüllt mit Zahlen und Investitionen. Der 2. Band mit den Wirtschaftsplänen umfasst auch noch mal 179 Seiten. Mit WochenENDspiegel-Redakteurin Cindy Haase spricht sie über den Entwurf. Einen Tag zuvor hatte sie das Mammutwerk dem Chemnitzer Stadtrat präsentiert.

Frau Oberbürgermeisterin, der neue Haushaltsentwurf hat das gigantische Volumen von 1,8 Milliarden Euro, davon 1,6 Milliarden im Ergebnishaushalt. Damit lässt sich wirtschaften, oder?
Barbara Ludwig: Wir haben den finanzstärksten Haushalt der letzten Jahrzehnte. Wir haben die Chance, die Stadt weiter nach vorn zu bringen. Allein 200 Millionen Euro sind in den kommenden beiden Jahren für Investitionen vorgesehen. Das ist zugleich eine große Verantwortung für Stadtrat und Verwaltung. Wir müssen uns gut überlegen, wofür das Geld ausgegeben wird. Wichtig ist es, Prioritäten zu setzen.

Trotz aller Begeisterung für den Umfang des neuen Haushaltes: Liest man ihn durch, fällt auf, dass unterm Strich im Jahr 2019 ein Defizit von 6 Millionen Euro und 2020 von 5,2 Millionen Euro steht. Wie lässt sich das erklären?
Das stimmt. Und das liegt daran, dass wir viel investieren wollen. Das ist aber ein zu verantwortendes Defizit. Wir haben Rücklagen von rund 200 Millionen Euro, die wir die letzten Jahre angespart haben. Wir haben investiert und gut gewirtschaftet. Deswegen ist die Entnahme aus der Rücklage, so heißt das angesparte Geld, für die nächsten zwei Jahre zu verantworten. Wir haben ja auch gute Gründe dafür.

Welche da wären?
Bildung, Familie, Sport, bessere Straßen und Brücken, d.h. konkret: Das meiste Geld investieren wir in Schulen, Kitas, Sportstätten und Straßen. Die Chemnitzer Eltern haben uns ja durch mehr Kinder zum Glück diese schöne Aufgabe gestellt. Zwischen 2017 und 2020 wurden und werden zwölf neue Kindertageseinrichtungen neu gebaut. Und bald brauchen wir neue Schulen. Wir werden neben dem bereits beschlossenen Neubau der Oberschule am Hartmannplatz noch weitere Grund- und Oberschulen bauen beziehungsweise ehemalige Schulen sanieren. In Straßen können wir endlich Schritt für Schritt den Investitionsstau abbauen. Natürlich ist jede Baustelle eine Behinderung und der Ärger der Bürger über Staus nachvollziehbar. Aber ohne Baustellen gibt es keinen Straßenbau. Auch die Themen Familien, Jugendhilfe und Soziales sind Schwerpunkte im Haushaltsentwurf. Hier stehen jedes Jahr mehr als 200 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei sind fast 35 Millionen Euro für die Hilfen zur Erziehung vorgesehen.

Das klingt positiv, aber ist es nicht eigentlich traurig, dass so viele Kinder und Jugendliche Hilfe brauchen?
Da haben Sie Recht. Alle Familien sind uns wichtig. Wir haben leider zunehmend Familien, oft sind mehrere Kinder betroffen, die überfordert sind und wo wir mit Familienhelfern versuchen zu unterstützen. Wenn all das nicht hilft, müssen wir teilweise Kinder auch aus Familien herausholen. Dafür haben wir sehr gute Einrichtungen, aber die Kosten dafür sind hoch.

Im Haushalt stehen für die nächsten zwei Jahre auch rund 1,6 Millionen Euro für die Durchführung von Bürgerplattformen. Nun könnte man ketzerisch die Frage stellen, ob Sie als Oberbürgermeisterin oder die Verwaltung nicht auch kostengünstiger mit den Bürgern ins Gespräch kommen könnten?
Die Bürger zu Wort kommen zu lassen, Bürgerbeteiligung und Engagement im Stadtteil sind wichtig für den Zusammenhalt in der Stadt. Dafür gibt es viele Angebote. Drei Bürgerplattformen existieren schon seit vielen Jahren in den Stadtteilen Mitte, Mitte-West und Süd. Der Stadtrat hatte im Mai beschlossen, dass Bürgerplattformen in allen anderen Stadtgebieten auch möglich werden, um sich zu Netzwerken zusammenschließen zu können. Dann haben Bürger oder Vereine, die dort die Initiative ergreifen, auch die Möglichkeit, auf Geld zurück zu greifen, um Veranstaltungen und Feste zu organisieren oder auch kleine Anschaffungen für den Stadtteil zu machen. Es gibt bei diesen Plattformen keine großen Veranstaltungen der Stadt, sondern es ist ein Format des Dialogs in den Stadtteilen der Bürger miteinander. Wer sich engagieren will, hat dann eine Adresse. Ich hoffe, es finden sich genug engagierte Bürger.

Am vergangenen Montag wurde der Masterplan für den Tierpark vorgestellt. Bürgermeister Runkel war sich selbst schon bewusst, dass es für den Haushalt 2019/20 ziemlich spät ist. Gibt es dennoch Hoffnung, dass die Umbauarbeiten zeitnah losgehen können?
Wir wollen sehr gern den Tierpark modernisieren. Deswegen haben wir jetzt schon 500.000 Euro pro Jahr eingestellt, um den Wirtschaftshof zu erneuern, was ohnehin für weitere Arbeiten Voraussetzung ist. Außerdem wollen wir uns auch um Fördermittel von Bund und Land bemühen. Wichtig ist uns aber zuerst, mit den Bürgern zu reden: Wollen das die Chemnitzer so? Wie finden sie den Masterplan? Was fehlt, was ist gut? Dieses halbe Jahr nehmen wir uns auf jeden Fall Zeit.

Ein Punkt, der ebenfalls nicht im Haushalt stand, der im Vorfeld aber heiß diskutiert wurde, war die Forderung des CFC-Insolvenzverwalters nach städtischer Hilfe. Wie ist Ihre Position dazu?
Die Verwaltungsspitze wird keine Vorlage in den Stadtrat einbringen, die auf die Forderungen des Insolvenzverwalters eingeht. Ansonsten werde ich dazu keinen Kommentar abgeben.

Am 19. Dezember liegt der Haushaltsentwurf zur Abstimmung dem Stadtrat vor. Erwarten Sie dort heftige Diskussionen?
Ich gehe schon davon aus, dass es von Seiten der Fraktionen grundsätzlich eine breite Zustimmung geben wird. Wir schauen uns ja schon die Interessen der Fraktionen auch vorher an. Trotzdem werden Diskussionen nicht ausbleiben und das ist auch richtig so. Am Ende ist es nur Entwurf und vielleicht gibt es von Seiten der Stadträte auch noch neue Ideen. Wir stellen jetzt auch noch mal rund 900.000 Euro mehr für das Thema Sicherheit, also für Personal und Ausstattung des Stadtordnungsdienstes zur Verfügung, als ursprünglich eingestellt. Damit werden zwei Millionen Euro für Sicherheit ausgegeben. Das sollte im Sinne aller Fraktionen sein.
Vielen Dank für das Gespräch!