Start Chemnitz OB`s kritische Worte Richtung Dresden
Artikel von: Redaktion
26.08.2015

OB`s kritische Worte Richtung Dresden

Ab 1. Januar ziehen hier erste Flüchtlinge ein. 150 Plätze wird es im neuen Standort an der Annaberger Straße geben. Foto: bit

Chemnitz. Es vergeht kaum ein Tag an dem der nicht enden wollende Flüchtlingsstrom Thema in der Stadt ist. Vergangene Woche bereits beim Besuch von Petra Köpping, der Sächsischen Staatsministerin für Integration und Gleichstellung, war die Asylthematik präsent.

Bereits diese kündigte an, dass die Annahmen der Flüchtlingszahlen für Sachsen deutlich revidiert werden müssen. Nur wenige Tage später dann die Gewissheit, als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Prognose der Flüchtlinge in Deutschland deutlich nach oben, von 450000 auf 800000, korrigierte.

Natürlich geht dies nicht spurlos an Chemnitz vorbei. Die Schätzungen von Jahresbeginn gingen noch von 1400 Asylbewerbern für das Stadtgebiet aus, nun wurde die Zahl auf 2450 angehoben- neuerlichen Korrekturen an der Prognose nicht ausgeschlossen.

„Für uns als Stadt ist es ein zentrales Thema, welches uns herausfordert sensibel und umsichtig damit umzugehen“, erklärt Oberbürgermeistin Barbara Ludwig diese Woche.

Ziel ist es für die zusätzlichen Asylbewerber eine Unterkunft zu schaffen.

„Seit 150 Jahren haben wir in Chemnitz eine aktive Wanderungsbewegung. Am Anfang haben die Bevölkerungszahlen sprunghaft zu- und in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Jetzt kommt uns die besondere Situation zu Gute, dass wir vor Kurzem noch vom Wohnungsleerstand in der Stadt berichteten und nun diese Wohnungen für die Unterbringung der Flüchtlinge nutzen können“, so die Oberbürgermeisterin.

Bis heute sind 730 Asylbewerber der Stadt zugewiesen wurden. Zentral oder dezentral wurden sie in unterschiedlichen Wohnmodellen untergebracht.

Damit sind bis zum heutigen Tag jedoch nur knapp die Hälfte jener in Chemnitz angekommen, die laut Prognose zum Jahresanfang aufgenommen werden sollten. Bis zum Jahresende bedeutet das, dass die Stadt relativ schnell große Mengen an Asylbewerbern unterbringen muss – immerhin rund 1700.

„Rein rechnerisch würde es bedeuten, dass 100 Menschen pro Woche aufgenommen werden. Doch die Realität sieht anders aus. Wir wissen nicht, wo die Asylbewerber aktuell sind, die Chemnitz zugewiesen wurden“, so Ludwig.

Mehr Asylbewerber bedeutet natürlich auch mehr Kosten.

„Das Ganze ist finanziell sehr anspruchsvoll. Die vom Land zur Verfügung gestellte Pauschale von 1900 Euro pro Person pro Quartal deckt aber nicht die Kosten“, gibt Oberbürgermeisterin Ludwig zu bedenken.

Mit dem Geld sollen Unterbringung, Leistungsgewährung, Krankenhilfe und soziale Betreuung finanziert werden. Wohl aber eher ein Tropfen auf dem heißen Stein. Erste Hochrechnungen ergeben, dass allerdings noch mit der Flüchtlingsprognose von Anfang des Jahres, rund 7,5 Millionen im Stadthaushalt fehlen.

„Wir werden definitiv nicht, nur um den Haushalt auszugleichen, an anderen Stellen einsparen. wir versuchen nun auf Grundlage neuer Förderprogramme die Defizite weiter auszugleichen. Das Land ist in der Pflicht die fehlenden Gelder zur Verfügung zustellen“, so Ludwig.

„Die Zuwanderer von Menschen vieler Nationalitäten ist nicht einfach zu organisieren. Aber ich bin mir sicher wir werden es schaffen damit umzugehen, auch wenn es hart wird. Ich bitte die Chemnitzer um Vertrauen, Akzeptanz und Unterstützung“, appelliert die Oberbürgermeisterin diese Woche an die Bürger.

 

Ab 1. Januar ziehen hier erste Flüchtlinge ein. 150 Plätze wird es im neuen Standort an der Annaberger Straße geben. Foto: bit
Ab 1. Januar ziehen hier erste Flüchtlinge ein. 150 Plätze wird es im neuen Standort an der Annaberger Straße geben. Foto: bit

Neue Asylunterkünfte und Aufgabe des Wohnhotel Kappel

Um das Mehr an zugewiesenen Asylbewerber unterzubringen hatte die Stadt bereits im Frühjahr entschieden weitere Standorte anzumieten.

Gleichzeitig läuft der städtische Mietvertrag im Wohnhotel Kappel zum Jahresende aus.Die Landesdirektion bleibt mit ihrem Erstaufnahmestandort weiterhin in dem Objekt an der Stollberger Straße.

Kompensiert werden soll der Wegfall in Kappel und die zusätzlichen Asylbewerber durch neue Standorten.

„Zum 1. Januar 2016 werden zwei neuen Standorte für zentrales Wohnen  bezugsbereit zur Verfügung gestellt. Die Kosten für die beiden Objekte, das eine an der Straßburger Straße 1-3 und das zweite an der Annaberger 23, belaufen sich auf 2,75 Millionen Euro pro Jahr. Damit schaffen wir in jeder Unterkunft Platz für 150 Personen,“ erklärt Heike Steege vom Sozialamt.

 

Auch hier an der Straßburger Straße ziehen zum 1. Januar weitere Asylbewerber ein. Dafür wird der in städtischer Obhut befindliche Standort in Kappel aufgegeben. Die Landesdirektion wird laut aktuellem Stand weiterhin am Wohnhotel Kappel festhalten. Anwohner werden durch Flyerverteilung zu den Bürgerversammlungen im September eingeladen und informiert. Foto: bit
Auch hier an der Straßburger Straße ziehen zum 1. Januar weitere Asylbewerber ein. Dafür wird der in städtischer Obhut befindliche Standort in Kappel aufgegeben. Die Landesdirektion wird laut aktuellem Stand weiterhin am Wohnhotel Kappel festhalten. Anwohner werden durch Flyerverteilung zu den Bürgerversammlungen im September eingeladen und informiert. Foto: bit

Beide Komplexe sind ehemalige Bürogebäude aus DDR-Zeiten, die in den letzten Jahren leer standen und nun vom Vermieter saniert und zu Wohneinheiten umgebaut werden. Hierzu werden die Anwohner im September auch in zwei Bürgerversammlungen noch einmal gezielt informiert.

Außerdem plant die Stadt für beide Standorte einen Tag der offenen Tür. Natürlich lässt sie diese Vielzahl an Asylbewerber nicht nur mit Gemeinschaftsunterkünften abdecken.

„Außerdem möchten wir weiterhin private Vermieter ansprechen, ihre leeren Wohnung für die Unterbringung von Asylbewerbern der Stadt anzubieten“, hofft Ludwig auf die Unterstützung der Chemnitzer.

Unterbringung von jungen Flüchtlingen
Ab 1. Januar ändert sich außerdem die Richtlinie zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, dass sind jene, die ohne Eltern in Deutschland ankommen.

Bisher blieben sie in den Ankunftsstädten. Mit der neue Richtlinie werden sie laut Königsteiner Schlüssel auch auf die übrigen Bundesländer verteilt.

„Wir rechnen zum einen mit rund 600 jungen Flüchtlingen ohne elterliche Begleitung in der Erstaufnahme. Auf der anderen Seite werden wir laut aktuellem Stand 90 Jugendliche über das Jugendamt Inobut nehmen.Deswegen ist es jetzt wichtig, so schnell wie möglich Bedingungen für die Jugendliche zu schaffen. Hierfür wollen wir ein Clearinghaus schaffen. Dafür läuft ein Interessenbekundungsverfahren unter den freien Trägern der Jugendhilfe,“ erklärt Gunda Georgi, Leiterin des Amtes für Jugend und Familie.

Gerade die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen bedeutet aber auch, dass die Kita- und Schulplanung neu überdacht werden muss.

OB findet kritische Worte

“Der Freistaat läuft den Tatsachen bei der Erstaufnahme aktionistisch hinterher, weil man nicht in der Lage war Kapazitäten zu schaffen und vorausschauend zu planen.

Jetzt hat man Probleme .Dazu gehört auch ein gutes Sicherheitskonzept. Und die Zeltstädte sind erst zum Thema geworden, seit sie in Dresden stehen. In Chemnitz stehen sie schon seit vergangenem Jahr“, gibt Ludwig zu bedenken.

Auch hinsichtlich der Vorfälle in Heidenau findet sie kritische Worte:

„Ich will nicht in die gleiche Kerbe schlagen gegen den Innenminister. Die gesamte Regierung ist an der Lage Schuld, der Ministerpräsident ist nun in der Pflicht. Manchmal muss sich auch der, der gewählt wurde, einen Kopf machen und den selben hinhalten.“