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Artikel von: Redaktion
13.04.2016

Öffentliche Diskussion zur Sicherheit für Journalisten

Sicherheit für Journalisten DJV Sachsen
Die sichere Berichterstattung für Journalisten war das Tehma der Podiumsdiskussion mit Moderator Tim Deisinger, Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz, Jane Whyatt vom Europäischen Zentrum für Medien- und Pressefreiheit Leipzig und Matthias Meisner, Journalist beim Tagesspiegel Berlin. Foto: rp

Mittweida. Die Mitglieder des Deutschen Journalisten-Verbands Sachsen waren am vergangenen Samstag, dem 9. April 2016, nach Mittweida an die Hochschule zur Mitgliederversammlung eingeladen. Am Vormittag gab es zusätzlich zur satzungsgemäßen Versammlung noch eine öffentliche Diskussionsrunde “Mit Sicherheit berichten” zum Thema Sicherheit für Journalisten.
Im Zusammenhang mit den zahlreichen GIDA-Demonstrationen und ähnlichen Kundgebungen war es in letzter Zeit vermehrt zu tätlichen Übergriffen auf Journalisten gekommen.

Auf dem Podium moderierte Tim Deisinger die Diskussionsrunde mit Matthias Meisner, Journalist beim Tagesspiegel Berlin, Jane Whyatt vom Europäischen Zentrum für Medien- und Pressefreiheit Leipzig sowie Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz zu Fragen der sicheren Berichterstattung für Journalisten.

Jane Whyatt fand gleich zu Beginn klare Worte: „Solche Worte wie “Lügenpresse” sind ein typisch deutsches Phänomen und Problem. Es wird nirgendwo sonst in Europa so aggressiv gegen die Presse vorgegangen.“ Aber sie ergänzte auch, dass die große Polizei-Präsenz bei Demonstrationen zusätzlich die negative Stimmung schüre.

Hier hakte Bernd Merbitz ein: „Die Aggression beginnt bei schon beim Ruf: “Lügenpresse!”. Das hat nichts mehr mit Pressefreiheit zu tun, insbesondere dann nicht, wenn es schon soweit ist, dass Journalisten Angst haben, sich auszuweisen.”
“Derzeit herrscht ja bereits Alarmstufe für die Polizei, wenn sich Journalisten nur den Versammlungsräumen nähern“, führte er weiter aus. „Versammlungsfreiheit ist ebenso wichtig wie die Pressefreiheit. Wir waren da schon mal weiter.”
Matthias Meisner vom Tagesspiegel sagte zum Thema Sicherheit für Journalisten, dass die verbale Gewalt bei Demonstrationen und Versammlungen nicht zwingend die Bedrohung sei. Bedrohlich seien eher die späteren Aktionen, wo Polizei, Journalisten, Helfer und Politiker direkt bedroht werden.

Zur derzeitigen Stimmung im Land erklärte Polizeipräsident Merbitz: „Ich habe so etwas wie die Angriffe auf Asylanten, auf die Heime, auf Politiker und die generelle Stimmung noch nicht erlebt. Es ist unfassbar: Das Wort „Kanake“ ist quasi gesellschaftsfähig geworden. 47 Prozent der Täter bei Gewaltdelikten gegen Ausländer kommen aus der “Mitte der Gesellschaft” – wo auch immer diese sein mag – und es ist inzwischen opportun, diese Anti-Haltung einzunehmen.“
Dann kam die Frage nach der Verantwortlichkeit für diese Stimmungslage auf den Tisch. Jane Whyatt sprach vom gegenseitigen Vertrauensverlust und davon, dass Dialog-Angebote nicht mehr angenommen würden. „Wir dürfen eine weitere Normalisierung dieser Radikalisierung aber nicht erlauben“, fügte sie entschlossen an.
„Man hat in der Regierung den Dialog versäumt“, räumte Polizeipräsident Merbitz ein. „Man hätte die Diskussionen schon viel früher führen müssen. Und die Politiker müssen sich die Frage stellen, ob Schlagworte wie „Rattenfänger” und so weiter sonderlich nützlich sind. Wir führen einfach keine sachliche Diskussion mehr miteinander.“ Er sagte, es habe eine „Entfremdung zwischen Volk und Politik“ stattgefunden.

„Social Media bekommt bei der Radikalisierung eine immer stärkere Rolle, vor allem bei der Verbreitung und Mobilisierung“, sagte Matthias Meisner.
Man dürfe aber bei alledem natürlich auch die linke Gewalt nicht unter den Tisch kehren, entgegnete er auf den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung auch hinsichtlich der Sicherheit von Journalisten.
„Wir sind hier alle gefordert, um unser Image des “braunen Sachsens” richtigzustellen“, sagte Bernd Merbitz. Hinsichtlich der Ausschreitungen zwischen linken und rechten Demonstranten am 12. Dezember in Leipzig fügte er hinzu: „Da war der Hauptfeind die Polizei.“
Ine Dippmann, die MDR-Reporterin, saß im Auditorium und sah die Gefahrensituation für Reporter und die Sicherheit für Journalisten gewiss etwas differenzierter. (Sie war in Leipzig nur einen Monat später, am 11. Januar, von Legida-Demonstranten tätlich angegriffen worden.) Auch einer unserer Journalisten, der am 12. Dezember in Leipzig vor Ort war, berichtete von für ihn bedrohlichen Situationen.
„Wir wollen jedoch keinen persönlicher Polizeischutz für Journalisten“, sagte Bernd Merbitz dazu, „schon allein, um eine objektive Berichterstattung zu gewährleisten.“

Der Wert einer freien Presse werde weltweit nicht erkannt und geschätzt, meinte Jane Whyatt auf die Frage nach der Rolle der Presse in der heutigen Nachrichtenwelt.
„Wenn eine Zeitung ihre Berichterstattung einstellt, ist das für die Pressefreiheit Warnzeichen Nummer 1“, fügte Merbitz hinzu. Er spielte mit dieser Äußerung zum Thema Sicherheit für Journalisten auf die Leipziger Internet Zeitung an, die im Februar nach wiederholten Angriffen und massiven Drohungen ihre Live-Berichte von den Legida-Demos eingestellt hatte.

Schlussendlich äußerten alle Beteiligten den Wunsch nach mehr Ehrlichkeit im Umgang miteinander und vor allem nach mehr Dialog sowie nach schnellerer und besserer Kommunikation.