Start Chemnitz Ostdeutsche Textilbranche verzeichnet Umsatz-Minus
Artikel von: Judith Hauße
10.01.2020

Ostdeutsche Textilbranche verzeichnet Umsatz-Minus

Franziska Walther-Schwengfelder ist Product Manager der Marke “Olaf Benz” und arbeitet bereits seit 16 Jahren für die Premium Bodywear AG. Fotos (3): Judith Hauße

Es ist ein industriehistorisches Gebäude an der Chemnitzer Straße 36-38 in Wittgensdorf, in dem seit 2002 die Premium Bodywear AG Designer-Markenwäsche für Männer produziert. Rund 70 Menschen, davon überwiegend Frauen, arbeiten gegenwärtig in dem mittelständischen Unternehmen, das die große sächsische Textiltradition an diesem für das Branchensegment von Trikotagen und Miederwaren markanten Haus fortführt. Inzwischen zählt das Unternehmen zu den bedeutendsten Modeherstellern seiner Art in der Region, weswegen der Verband der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (vti) am vergangenen Freitag zum Jahresauftakt in die historischen Räumlichkeiten des Chemnitzer Textilunternehmens eingeladen hat.

Doch anders als im vergangenen Jahr, verzeichnet der vti für das Jahr 2019 erstmals seit 2015 wieder einen Rückgang des Gesamtumsatzes. Belief sich dieser 2018 noch auf 1,87 Milliarden Euro, so kann die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie in 2019 mit 1,8 Milliarden Euro den Umsatz des vorherigen Geschäftsjahres – einem Minus von gut 70 Millionen Euro – nicht erreichen. vti-Hauptgeschäftsführer Dr. – Ing. Jenz Otto blickt dennoch optimistisch in die Zukunft der Branche. „Das Gesamtergebnis von Textil und Bekleidung kann sich 2019 trotz der Probleme sehen lassen”, so Otto, der gleichzeitig aber auch die derzeitigen Risikofaktoren weiterhin im Blick behält

In der Chemnitzer Premium Bodywear AG arbeiten aktuell rund 70 Menschen, davon überwiegend Frauen.

Zwar gibt es 2019 vor allem im Bereich Bekleidung ein Plus von rund fünf Prozent, doch laut vti-Chefs Jenz Otto habe insbesondere die immer geringere Nachfrage nach technischen Textilien in der Autoproduktion sowie der mit dem Handelsembargo einhergehende Rückgang des Exports von Textilien nach Russland um gut ein Drittel zu den großen Umsatzeinbußen geführt. „Vor den Handelseinschränkungen mit Russland wurden jährlich Waren im Wert von nahezu einer Milliarde Euro nach Russland verkauft. 2018 sprechen wir im Bereich der Russland-Exporte dann schon lediglich nur von 684 Millionen Euro Einnahmen“, erklärte der vti-Vorstandsvorsitzende Thomas Lindner.

Außerdem gehe insbesondere die von der großen Koalition in Berlin beschlossene CO2-Gesetzgebung besonders zu Lasten des Mittelstandes. Andreas Ludwig, Chef der Thorey Gera Textilveredelung GmbH kennt das Problem der momentanen Klimadiskussion nur zu gut. “Mit unserem Verbrauch von jährlich rund 900.000 Kilowattstunden liegen wir unter der vom Gesetzgeber festgelegten Grenze von einer Million Kilowattstunden, ab der industrielle Großverbraucher von der EEG-Umlage befreit sind”, erklärt Ludwig.

Zudem benötigt das Unternehmen pro Jahr reichlich sechs Millionen Kilowattstunden Erdgas und betreibt mit eigenen LKW einen Werksfernverkehr. “Das bedeutet, dass wir im ersten Jahr des Inkrafttretens der CO2-Steuer, also 2021, bei einem Preis von 25 Euro pro Tonne mit Mehrkosten in Höhe von 41.000 Euro zu rechnen haben”, so Ludwig.

Und dennoch: Trotz Klimapaket und Export-Miese nach Russland starteten die Unternehmen in der Textil- und Bekleidungsbranche recht zuversichtlich in das neue Jahr. „Es konnte 2019 keine Rezession verzeichnet werden. Das schlägt sich natürlich auch auf die allgemeine Stimmung in der Industrie nieder“, betont Jenz Otto, der allerdings auch davor warnt, dass immernoch ein Restrisiko bleibe. Denn schließlich beträgt der Exportanteil der Textilunternehmen im Durchschnitt 45 Prozent, die meisten Rohstoffe müssen somit im Ausland eingekauft werden. „Unsere Firmen sind daher direkt den aktuellen Turbulenzen auf den internationalen Märkten ausgesetzt, so dass jegliche politsche Maßnahmen oder bürokratische Regulierungen, die ihnen zusätzlich das Leben schwer machen, die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen und sind daher fehl am Platze“, gibt Otto zu Bedenken.