Start Erzgebirge Pendler-Not im Erzgebirge!
Artikel von: Sven Günther
18.02.2021

Pendler-Not im Erzgebirge!

Die Grenzen sind für viele Pendler aus Tschechien dicht. Foto: Harry Härtel

“Die Schäden werden nicht reparabel sein!”

Region. Nachdem die Staatsregierung beschlossen hat, nur noch in Ausnahmefällen Pendler aus Tschechien nach Sachsen einreisen zu lassen, schlägt die Wirtschaftsförderung Erzgebirge Alarm.

In einem offenen Brief wird auf die dramatische Situation für viele Zuliefer-Firmen hingewiesen. Unterschrieben haben Geschäftsführer Matthias Lißke und Jan Kammerl, der Geschäftsbereichsleiter Wirtschaftsservice im Namen vieler regionaler Unternehmen.

Auszüge:

+ Nachdem eine letzte Hoffnung für notwendige Abmilderung der Grenzschließung durch die Sächsische Staatsregierung zerstäubt wurde, ist eine Situation entstanden, die sich ganz entscheidend auf die Wirtschaftskraft und zukünftige Entwicklung unseres Erzgebirgskreises auswirkt.

+ Das Thema Grenzschließung und damit der Ausschluss von ca. 2.000 Berufspendlern im Erzgebirgskreis ist leider in Dresden oder Berlin kein Thema. Es betrifft ja nur die Grenzregion unmittelbar.

+ Die Tourismuswirtschaft als wichtiger Wirtschaftsfaktor ist schon total gelähmt, Handel und Dienstleistung werden bewusst auf Großkonzerne beschränkt. Irgendwann können wir die Scherben zusammenkehren und von vorn anfangen.

+ Durch die Grenzschließung geht es an den wertvollsten Bereich – die Zulieferindustrie, die Stärke unseres Erzgebirgskreises….Die Schäden werden erheblich sein und nicht reparabel. Inzwischen fallen in vielen Unternehmen Schichten weg, es können Aufträge nicht mehr abgearbeitet werden, Aufträge brechen weg und neue Aufträge lassen sich nicht besorgen, Vertragsstrafen sind zu erwarten und werden damit existenzbedrohend für die Unternehmen, langfristige Kooperationen fallen auseinander.

Die Unterzeichner fordern eine schnellstmöglich eine Rücknahme der Grenzschließung für Pendler, weil sie unangemessen und vor allen Dingen unverständlich ist. Die Argumentation: “Pflegekräfte dürfen aus diesem Hochrisikogebiet in unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen uneingeschränkt einreisen und Industriebeschäftigte nicht. Wer kann diese Logik verstehen?”

Schließlich schildern einige Geschäftsführer betroffener Firmen ihre Lage. Jörg Zimmermann, Chef von Gazima Grünhain-Beierfeld: “Ich bin fassungslos wie unsere Politiker den Europäischen Gedanke mit Füßen treten, wie Gesetzte der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit einem Handstreich außer Kraft gesetzt werden. Ihren Lohn und Diäten können Sie gern den Familien zur Verfügung stellen, welche jetzt ohne Einkommen dastehen!“

Dr. Jan Wabst, SEIWO Technik Drebach: “Uns fallen fast 20 % der Produktivkräfte in der Fertigung aus und uns drohen nunmehr Vertragsstrafen, übrigens der öffentlichen Hand!, und Schadenersatzforderungen von Nachfolgegewerken aufgrund verspäteter Lieferungen. Die zusätzliche Androhung, Herr Ministerpräsident, die Grenzen sehr lange auch für Grenzpendler geschlossen zu halten, stellt mittlerweile einen Großteil der Betriebe vor existenzielle Probleme.”

Alexander Gränitz, MOGATEC Drebach: “Seit dem 14.02.2021 fehlen in unserem Unternehmen mit einem Mal rund 80 der ca. 300 Mitarbeiter, welche zudem fast die Hälfte unserer Produktionskräfte ausmachen. Infolge dessen ist es nicht nur zu erheblichen Produktionsschwierigkeiten gekommen, sondern zu einem massiven Produktionsausfall, welcher, sollte die derzeitige Situation fortdauern, auch durch sämtliche Kraftanstrengungen und der anerkennenswerten Flexibilität der übrigen Belegschaft nicht kompensiert werden kann.”

Prokuristin Kerstin Dittrich, all in metal Pockau-Lengefeld: “Die Bekanntmachungen am Freitagnachmittag haben uns über das Wochenende keinen Handlungsspielraum gelassen. Wir mussten Montag früh die Produktion reduzieren, haben vom 3 Schicht- in das Zweischicht-System umgestellt, da wir die fehlenden Arbeitskräfte nicht kompensieren können. Für uns bedeutet die Grenzschließung die absolute Katastrophe. Die nicht termin- bzw. -mengengerechte Belieferung unserer Kunden kann zu einem Bandstillstand führen, da wir just-in-time liefern. Das kann kein Unternehmen überleben. Der Kunde hat keinerlei Verständnis für unser Problem und besteht auf Lieferung, wie ist unsere Sache.”

Alles Stimmen und den offenen Brief finden Sie hier:

Offener Brief der Wirtschaftsförderung des Erzgebirgskreises im Interesse der regionalen Unternehmerschaft_18. Februar 2021