Start Chemnitz Peter Wilhelm Patt (CDU): Nur eine Volkspartei kann verschiedene Interessen zusammenführen
Artikel von: Sven Günther
12.07.2019

Peter Wilhelm Patt (CDU): Nur eine Volkspartei kann verschiedene Interessen zusammenführen

 

Trommeln für die Sachsenwahl mit Peter Wilhelm Patt (CDU)

Von Sven Günther
Region. Es wird eine Richtungswahl! Selten war der Gang zur Urne spannender, als er am 1. September sein wird. Bleibt die CDU stärkste Kraft in Sachsen? Wenn Ja, mit wem kann sie regieren? Wie stark wird die AfD, gewinnt sie vielleicht sogar? Was wird aus der schwächelnden SPD und den in Sachsen gegen den Trend eher schwachen Grünen? Gelingt in einem rot-rot-grünen Dreierbund ein Regierungswechsel? Welche Rolle wird die FDP einnehmen? Können die Freien Wähler  wie in Bayern eine Rolle spielen?

Wer sich traut, darf für sich trommeln! Dieses Angebot macht der WocheENDspiegel sächsischen Landtagskandidaten. Sie beantworten kritische Fragen unserer Journalisten.

Heute:Peter Wilhelm Patt, seit 2004 CDU-Landtagsabgeordneter, der im Wahlkreis Chemnitz 1 (West) antritt. Der Politiker liebt bildende Kunst, wandert gern im Mittelgebirge, schätzt Brauchtum und Pflege. Er ist verheiratet, hat vier Kinder.

Hier geht es zum Trommel-Wirbel von Peter Wilhelm Patt

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Nach langen Debatten um die Nicht-Zusammenarbeit mit der AfD gab es von der sächsischen CDU ein inhaltliches Ausrufungszeichen: MP Kretschmers Vorschlag zum Volkseinwand. Wie finden Sie den Vorschlag?

Die genauen Bedingungen müssen noch formuliert werden, aber es ist aus meiner Sicht richtig, dass der MP die Bevölkerungswünsche nach mehr Mitbestimmung aufgreift. Ich stelle immer wieder fest, dass es für manchen schon eine Hürde ist, zu seinem Abgeordneten vor Ort zu gehen. Da ist es aus meiner Sicht hilfreich, ein Instrument zu finden, die Bevölkerung stärker einzubinden.

Die meisten Gesetze sind aber Bundes- oder EU-Recht. Man kann doch nicht so tun, als könnte man daran etwas ändern.

In unserem föderalen System gibt es viele Gesetze, die auf Ländereben entstehen. Das Recht wird nach unserem CDU-Verständnis von unten nach oben entwickelt. Bildung, Sicherheit oder manche soziale Aufgaben zum Beispiel sind gesetzlich im Freistaat verankert. Da gibt es sogar sehr viel Gestaltungspotential.
Gesetze und Regelungen zu ändern, sind immer eine langfristige Angelegenheit mit vielen Gesprächen und Abstimmungen im Vorfeld. Eigene Vorstellungen muss man also rechtzeitig einbringen. Gerade darum ist es wichtig, die Bürger zur Mitarbeit anzuregen.

In den letzten Tagen stand die Frage im Mittelpunkt, wie die CDU mit der AfD umgeht. Sachthemen blieben auf der Strecke. Ärgert Sie das?

Die Frage nach einer möglichen Regierungsbildung ist angesichts der Umfrage-Ergebnisse berechtigt. Und es ist auch wichtig, sich zur AfD zu positionieren. Die Beschlusslage und das Wort unseres Ministerpräsidenten, der auch der CDU-Parteivorsitzende ist, ist eindeutig: Es wird keine Zusammenarbeit geben. In meiner täglichen Arbeit gibt es keine anderen Gedankenspiele. Übrigens: Was für rechts gilt, gilt auch für links. Aber wir müssen die Meinungen und Kritiken der AfD-Wähler berücksichtigen und dürfen sie nicht einfach als populistisch zur Seite schieben.
Wir wissen, dass es in einer Demokratie immer Kompromisse braucht, um die verschiedenen Interessen der Bürger auszugleichen. So weh es einem auch tut.

 

Es läuft in jedem Fall auf eine Mehr-Parteien-Koalition hinaus. Wie sehr schleift sich das Profil der CDU durch Kompromisse ab, die man dann zwangsläufig eingehen muss.

Der Wähler ist der Souverän, er bestimmt die Mehrheiten.

Sind es nicht aber gerade die Kompromisse gewesen, die auch dafür gesorgt hat, dass man jetzt bei 26 Prozent steht? 2014 waren es 39,4 Prozent.

So einfach ist es nicht. Wir haben eine plurale Gesellschaft mit immer individuelleren Interessen. Und jeder möchte seine Interessen ganz speziell wiederfinden. Das geht aber nicht. Wir Abgeordneten können die Wünsche immer nur so gut wie möglich zusammenführen. Selbst als die CDU allein regiert hat, musste sie zwischen den vielen Vorstellungen aus der Breite der Bürger vermitteln.
In der Opposition ist es da einfacher, weil man sich auf die Vertretung bestimmter Interessen konzentrieren kann. Die einen auf das linke Spektrum, die anderen auf das rechte, die Dritten mit dem Schwerpunkt Ökologie. Sie greifen spezielle Interessen heraus und finden so eine große Resonanz in der entsprechenden Teilmenge der Bevölkerung. Alle diese Interessen sind berechtigt. Aber nur eine Volkspartei kann sie zusammenführen, was bei einer stärkeren Individualisierung immer schwerer wird. Der Einzelne meint dann häufig, seine eigenen Wünsche würden nicht ausreichend berücksichtigt.

Der Kuchen wird also nicht größer, sondern er wird nur mehr geteilt, was es nicht einfacher macht.

So ist es. Wenn man das CDU-Programm liest, sieht man, dass wir zum Beispiel auch viele grüne Positionen vertreten. Das Thema ist allein aus dem Nachhaltigkeitsgedanken, der christliche Wurzeln hat, ein Kernanliegen der Union. Wir müssen als Volkspartei aber die Breite der Bürgerschaft abbilden, sodass andere Parteien einzelne Themen noch differenzierter bedienen können.
Ich denke aber, dass es in Sachsen und auch in Deutschland im Grunde gut läuft, auch wenn es einen Hang gibt, Dinge zu schnell zu kritisieren. Dabei ertappe ich mich manchmal auch selbst, wenn ich mich aufrege, weil ein Vorgang nicht schnell genug bearbeitet wird.
Es bleibt dabei: Wenn die Bevölkerung mit ihren Wünschen immer individueller und das Vertrauen in eine Volkspartei geringer wird, muss die Volkspartei mit spezielleren Parteien zusammenarbeiten. Die Regierungsbildung wird dabei sicher nicht einfach. Der Wähler hat jedoch so gewählt und dabei gut überlegt. Vielleicht haben wir nicht ausreichend erkennbar gemacht, wie breit unser Handlungsgebiet ist und dass wir auch seine besonderen Interessengebiete vertreten.

 

Gilt das auch für Wähler der AfD?

Ich komme mit Populisten und der Oberflächlichkeit der Funktionsträger nicht zurecht. Da ist für mich kein Lösungsansatz erkennbar, wenn man alles nur schlecht redet, das Klima vergiftet und simple Überschriften liefert.
Wenn es sachlich wird, ziehen sich die AfD-Funktionãre häufig zurück, das kann man hier in den Chemnitzer Diskussionen zu Sicherheitsfragen merken. Die nehmen gar nicht richtig daran teil. Aber mit Oberflächlichkeiten lösen wir die Themen nicht. Die Welt ist komplex. Platte Sprüche helfen nicht, mit denen wird nur eine gewisse Stimmungslage und letztlich Hass produziert.
Das ändert aber nichts daran, dass Themen der Wähler, die von der AfD aufgegriffen werden, berechtigt sind. Sonst gäbe es diesen Zuspruch nicht. Die müssen wir bearbeiten.

Themen wie Bürokratie, Lehrermangel, Polizistenmangel oder Fachkräftemangel sind komplex. Trotzdem verlangen die Wähler nach einfachen Antworten. Welche haben Sie?

Ich versuche eine zugespitzte Antwort: Die demografische Entwicklung. Wenn es immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter gibt, ist der Mangel eine logische Konsequenz.
Die Regierung hätte auch manches anders organisieren müssen, was jetzt verbessert wurde – hinterher ist man immer schlauer.
Dazu kommen unvorhersehbare Entwicklungen. Nehmen wir die Lehrer. Die Regierung hatte auf mehr Vollzeit-Rückkehrer gehofft. Auch die Zunahme der Schüler durch Migration war nicht planbar. Außerdem kann man einen Studenten nicht zwingen, bestimmte Fächer oder für einen Schultyp zu studieren, ebenso wenig einen Lehrer, an einem bestimmten Ort zu unterrichten.

Es sei denn, er ist Beamter?

Das Beamtenrecht setzt Grenzen. Und wenn es keine Physiklehrer gibt, kann man sie auch nirgendwo hinschicken.
Das gilt analog für Ärzte. Wir müssen mehr und vor Ort ausbilden. Deshalb ist es richtig, dass nicht nur in Dresden und Leipzig, sondern demnächst auch in Chemnitz 50 Ärzte pro Semester studieren, wofür ich mich sehr eingesetzt habe. Das sind in sechs Studienjahren immerhin 300 Medizinstudenten, die die Chancen unserer Region kennenlernen. Wir müssen in Zukunft die Auswahl mehr auf persönliche Kompetenz und regionale Verbundenheit orientieren.
Auch die finanziellen Anreize für Ärzte, die aufs Land gehen, sind eine gute Entscheidung.
Überhaupt: Um heute einen ausscheidenden Arzt zu ersetzen, müssen mehr als zwei ausgebildet werden, weil die veränderten Arbeitszeiteinstellungen auch vor den Medizinern nicht Halt machen.
Insgesamt werden wir um eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften nicht herumkommen.

 

Das kostet alles Geld…

Warum macht Sachsen seit 2006 keine Schulden mehr? Doch nicht, um das Land kaputt zu sparen. Im Gegenteil, wir können deswegen mehr Geld als andere einsetzen, weil wir kaum Zinsen zahlen müssen. Das kann man alles nachprüfen. Aber diese nachhaltige Generationengerechtigkeit wird zu wenig wahrgenommen. Das ist ein Kommunikationsproblem.

Wäre eine wahlkämpfende Angela Merkel in Sachsen hilfreich?

Angela Merkel ist Bundeskanzlerin, nicht Parteivorsitzende. Sie hat genug Aufgaben in der Bundesregierung und um die EU mitzusteuern. Unseren Wahlkampf machen wir alleine, wir haben als Sachsen unsere eigene Meinung und nicht die des Bundes.

Hier finden Sie die Interviews mit

Gerald Otto (CDU)

Jörg Vieweg (SPD)

Rico Gebhardt (DIE LINKE)

Tino Günther (FDP)