Start Pflege: Wer soll das bezahlen?
Artikel von: Sven Günther
03.02.2023

Pflege: Wer soll das bezahlen?

Die Kosten für die Unterbringung in Pflegeheimen steigen immer weiter, liegen aktuell bei 2.468 Euro im Monat. Immer öfter müssen die Sozialämter dafür aufkommen. Foto: pexels.com

Wenn die Rente nicht mehr reicht…

Von Sven Günther
Region. 310.674 Menschen sind in Sachsen nach den letzten Zahlen des Statistischen Landesamtes pflegebedürftig. Ein enormer Anstieg! Denn vor zehn Jahren war nur 139.987 Männer und Frauen betroffen.

Die meisten Pflegebedürftigen (262.468) werden daheim betreut, 48.206 in Heimen. Und die privaten Ausgaben für die pflegerische Versorgung in Heimen steigen. Durchschnittlich betrug die Summe zum Jahresbeginn 2.468 Euro pro Monat (Vorjahr: 2.179 Euro).

Die größten Posten auf der monatlichen Rechnung der Kosten für eine Unterbringung in einem Pflegeheim sind Pflege, Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten. Gelegentlich finden sich auf der Rechnung auch Zuschläge zur Ausbildungsvergütung (für Auszubildende, die in der Einrichtung beschäftigt werden), sowie eventuelle Zusatzleistungen, wie etwa die Versorgung mit Inkontinenzartikeln.

Von diesen Kosten kann der neue Vergütungszuschlag abgezogen werden. Denn seit 2022 beteiligt sich die Pflegekasse mit einem zusätzlichen Leistungszuschlag an den Pflegekosten in der vollstationären Pflege. Die Höhe dieses Leistungszuschlags ist nach der Dauer des Heimaufenthalts gestaffelt und beträgt in den ersten zwölf Monaten fünf Prozent. Nach zwölf Monaten liegt die Zuschlagshöhe bei 25 Prozent, nach 24 Monaten bei 45 Prozent und nach 36 Monaten schließlich bei 70 Prozent des Eigenanteils an den Pflegekosten. Der effektive Eigenanteil ist also von der individuellen Bezugsdauer der vollstationären Pflege abhängig.

Trotzdem liegen die zu begleichenden Kosten für Pflegebedürftige zum Teil über 2.000 Euro im Monat. Eine Summe, die mit den oft kleinen Renten nicht aufgebracht werden kann.

Was dann? Werden die Kinder zur Kasse gebeten?

Das sächsische Sozialministerium verneint. Eine Sprecherin: “Angehörige werden erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro für die Kosten mit herangezogen.

Und was ist mit den Vermögen der Pflegebedürftigen? Expertin Martina Rosenberg von der Plattform www.pflege.de erläutert: “Wenn das Sozialamt einspringt, um Pflegekosten zu decken, nennt man das ‘Hilfe zur Pflege’. Zuvor müssen aber die Ersparnisse (bis auf ein Schonvermögen von 5.000 Euro) der Eltern zur Sicherung der Pflege genutzt werden, bevor die Sozialhilfe greift. Ist der Pflegebedürftige Besitzer einer Immobilie, kann diese nur dann verkauft werden, wenn sie nicht von einem Ehepartner weiterhin bewohnt wird. Denn dann zählt die Immobilie zum Schonvermögen. Verstirbt der Sozialhilfeempfänger später, ist aber damit zu rechnen, dass der Sozialhilfeträger sich das Geld von den Erben zurückholen wird.”

Nach den letzten Zahlen des Statistischen Landesamtes werden im Freistaat Sachsen 48.206 Menschen in Heimen, 262.468 Männer und Frauen zuhause gepflegt. Foto: pixabay.com

Heißt: Die Sozialämter der Kommunen müssen die Kosten auffangen.

Die geraten dadurch immer mehr unter Druck. Lagen die Kosten 2012 noch bei 60 Millionen Euro, waren es 2019 schon 92 Millionen. Im letzten Jahr mussten die Kommunen in Sachsen bereits 147 Millionen Euro zuschießen.

Ralf Leimkühler, der stellvertretenden Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSGT), erklärt: “Der Eigenanteil steigt in den Heimen derzeit um bis zu 60 Prozent auf weit über 2.000 Euro monatlich. Das kann kaum jemand über seine eigene Rente leisten. Dafür muss die Sozialhilfe einspringen. Im Ergebnis finanzieren dann die Landkreise und Kreisfeien Städte als Träger der Sozialhilfe die Weiterentwicklung der Pflege. Das können die Landkreise und Kreisfreien Städte nicht leisten.”

Gibt es einen Vorschlag des SSGT, wie diese Regelung verbessert werden könnte?

Ja. Den Kostensteigerungen kann nur durch grundlegende Finanzierungsreformen der Pflegeversicherung entgegengewirkt werden. Eine Möglichkeit ist der sogenannte Sockel-Spitze-Tausch. Dadurch würden die Eigenanteile begrenzt und künftige Steigerungen werden von den Pflegekassen übernommen. Der Bund ist aufgefordert, die Einnahmen der Pflegeversicherung entsprechend zu erhöhen.