Start Chemnitz RATGEBER: BREITBANDAUSBAU IN SACHSEN
Artikel von: Redaktion
14.07.2017

RATGEBER: BREITBANDAUSBAU IN SACHSEN

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Mittlerweile ist es für viele Menschen ein leidiges Thema geworden: Der Breitbandausbau. Schon lange warten sie darauf, dass wirklich schnelles DSL auch bei ihnen verfügbar wird. Doch leider bleibt es oft beim Warten. Dieser Artikel klärt den gegenwärtigen Staus des Ausbaus, ob bald eine Änderung in Sicht ist oder ob es beim vergeblichen Ausharren bleibt.

DER STAND IN DEUTSCHLAND

Nach dem Willen des Infrastrukturministers Alexander Dobrindt (CSU) soll bis 2025 ein deutschlandweites, deckendes Gigabitnetz vorhanden sein. Für dieses Vorhaben sollen bis zu achtzig Milliarden Euro zur Verfügung stehen. In einem ersten Schritt sieht sein Ministerium Deutschland bis Ende 2018 flächendeckend mit 50 Mbit/s versorgt. Stande Ende 2016 verfügten in Sachsen allerdings lediglich rund die Hälfte der Haushalte über Datenraten von wenigstens diesen 50 Mbit/s – etwas mehr als die Hälfte soll also in anderthalb Jahren auf 100 Prozent angehoben werden.

Für diese Datenraten ist der Ausbau der Netze mit modernen Glasfaserkabeln unerlässlich. Selbst optimistische Stimmen dürften das Erreichen der ehrgeizigen Breitbandziele für unwahrscheinlich halten, betrachtet man die bisher sehr spärlichen Finanzmittel, die für den Breitbandausbau zur Verfügung gestellt wurden – davon 31,8 Millionen Euro für Sachsen.

Im Vergleich zu anderen Ländern wie Lettland, Schweden und Russland hinkt Deutschland in Sachen Versorgung mit Glasfaseranschlüssen allerdings ziemlich hinterher. Auf die Gesamtheit der Haushalte kommen in Deutschland nur 1,2 Prozent Glasfaserkabel.

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Zu dieser Sachlage hat die Bertelsmann-Stiftung Mitte Mai, zwei Monate nach der Vorlage der Pläne des Innenministeriums, eine Untersuchung veröffentlicht, die Gründe für diesen Rückstand formuliert. Die Stiftung attestiert dabei fehlenden Mut mit Blick auf Glasfaserkabel, mangelhaft koordinierte Förderprogramme und eine fehlende gesamtstaatliche Strategie.

Die Telekom scheint allen Vorteilen der Glasfaserkabel zum Trotz lieber auf die alt eingesessenen Kabel aus Kupfer zu setzen. Angesichts der Kosten überrascht dies auch nicht. Mit Hilfe der sogenannten Vectoring-Technologie sollen die Kupferkabel die vierfache Datenübertragungsgeschwindigkeit liefern, während hingegen bei der Glasfaser die Bandbreite praktisch unbegrenzt wäre. Diese Entscheidung könnte aus mehreren Gründen verheerend sein, wie der folgende Abschnitt erläutert.

WOZU SCHNELLERE DATENÜBERTRAGUNG?

Doch wozu sollen die Haushalte überhaupt Gigabit pro Sekunde übertragen können? Für den Otto-Normal-Verbraucher erscheinen die Zahlen im ersten Augenblick völlig utopisch. Nun, die Antwort ist schlicht und einfach: Weil die Anforderungen an das Netz ständig steigen. Gegenwärtig geht es ja schon um das schnelle Streamen von hochauflösenden Videos in 4K-Qualität – an das vor einigen wenigen Jahren noch niemand gedacht hätte.

Die Hausautomation benötigt oft schnelles Internet als grundsätzliche Voraussetzung, um störungsfrei zu funktionieren. Da viele verschiedene dieser Alltags-Anwendungen parallel laufen, ist eine hohe Datenübertragungsrate kein Kann, sondern ein Muss, um beeinträchtigungsfreie Abläufe zu ermöglichen. Dabei ist die Hausautomation ein Beispiel für das sogenannte Internet der Dinge.

Dieser auf den ersten Blick kryptisch wirkende Begriff bedeutet praktisch die Kommunikation zwischen den verschiedensten Geräten via Internet. Ziel dieses Prozesses ist die automatische, komfortablere, schnellere und insgesamt effizientere Abwicklung von Prozessen – wie es bei Smart Homes teilweise schon der Fall ist. Dort wird beispielsweise mittels Sensorik schon jetzt erfasst, wenn eine vorher festgelegte Wunschtemperatur unter- oder überschritten wird. Anschließend gibt es ein Signal an die Heizung oder die Klimaanlage, die Wärme im Raum entsprechend zu regulieren.

Allerdings geht es hier keinesfalls nur um die Interessen von Privatnutzern. Denn zum Beispiel für Logistiker ist die Weiterentwicklung dieser Konzepte ein echter Traum: Komplexe Abläufe, die in Zukunft automatisch funktionieren und nicht mehr die gleiche Zeit brauchen wie in der Gegenwart. Doch in der gesamten Industrie ist Informationstechnologie eine entscheidende Komponente in ihrer zukünftigen Gestaltung – das nennen viele Beobachter Industrie 4.0.

Der Haken: So gut die neuen Möglichkeiten für Privathaushalte und wirtschaftliche Interessen klingen mögen: Ohne eine enorme Bandbreite sind sie nicht denkbar.

Blickt man einmal weiter zurück auf die Entwicklung von 56K-Modems über ISDN bis hin zu immer schnelleren DSL-Leitungen, wird erst richtig klar, wie schnell die Entwicklung in diesem Bereich ist. Insofern ist es so, dass die Entwicklung der Technologie, die Breitband-Übertragungsraten tatsächlich braucht, augenscheinlich und offensichtlich schneller voranschreitet als der Ausbau des Netzes bisher – für Minister Dobrindts ehrgeizige Vorhaben also erst einmal kein gutes Omen.

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BEDEUTUNG FÜR DEN FREISTAAT

Für den Freistaat Sachsen ist es von enormer Bedeutung, in diesen Bereichen Schritt zu halten. Dies begründet sich schon dadurch, dass die regionale Wirtschaft seit 2000 mit 26,7 Prozent das zweistärkste Wachstum unter allen Bundesländern vorzuweisen hat. 2016 lag die Investitionsquote bei 16 Prozent und damit an der Bundesspitze. Soll dieser Trend auch in mittelfristiger Zukunft weitergehen, ist eine gute Strategie gefragt, um den Breitbandausbau voranzutreiben.

STATUS QUO IN SACHSEN

In Sachen Mobilfunk ist das Land in der Tat auch gut aufgestellt, verfügt es doch an der Technischen Universität Dresden über einen eigens dafür eingerichteten Lehrstuhl, der mittlerweile über 20 Jahre lang an den Entwicklungen in der Branche beteiligt ist. Mit kräftiger Unterstützung aus der Industrie wird dort an der fünften Generation der Mobilkommunikationssysteme geforscht. Die Fähigkeiten der beteiligten Ingenieure ist unter anderem leicht an der Entwicklung des sogenannten Tomahawk 2-Chips zu sehen, der bereits 2014 vorgestellt wurde und zielgenau auf die Bedürfnisse der Industrie 4.0 zugeschnitten ist.

Dass derartige Pionierleistungen in Sachen Breitbandausbau nicht vorhanden sind, zeigt bereits, dass wie bereits beschrieben gut die Hälfte der Haushalte über Datenraten jenseits der 50 Mbit/s verfügt. Allerdings ist man gut beraten, diese Zahl hinsichtlich der Verteilung von Anschlüssen zu hinterfragen.

Wahrhaft niederschmetternd fällt der Blick auf die Verteilungskarte aus. Von Städten wie Leipzig und Dresden und einigen kleinen Flecken, deren Abdeckung mit Datenübertragungsraten von über 50 Mbit/s immerhin zwischen 75 und 95 Prozent liegt, hat Chemnitz schon nur noch 50-75 Prozent. Angesichts der Größe der Stadt von knapp 250.000 Einwohnern ein Fiasko.

Doch der überwiegende Teil der Landfläche im Freistaat hat noch weniger Bandbreite, so sind es großflächig zwischen zehn und 50 Prozent – in vielen Gegenden sogar nur zwischen null und zehn. Diese Konzentration auf bestimmte Ballungsgebiete wie die Boom-Städte Leipzig und Dresden dürfte vielen Einwohnern sauer aufstoßen. Auch der Verband des für Deutschland so wichtigen Mittelstandes hat eine Stärkung des ländlichen Raumes inklusive der Breitbandversorgung gefordert.

Umso erstaunlicher wirkt das 2016 und identisch zum Bund formulierte Ziel der Landesregierung, bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit mindestens 50 Mbit/s zur Verfügung stellen zu wollen. Zu diesem Zweck gibt es auch das Breitbandkompetenzzentrum Sachsen (BKZ), das die zentrale Anlaufstelle für alle die Digitalisierung betreffenden Fragen darstellt. Zugleich wurde ein Förderprogramm mit dem Namen Digitale Offensive Sachsen (DiOS) gestartet.

Es gibt zudem eine Liste der Fördergemeinden inklusive dem aktuellen Status der Förderung. Wer diese allerdings besucht, wird die Zielsetzung bis 2018 schnell als utopisch abtun – in so gut wie keinem ist der Ausbau als abgeschlossen oder auch nur begonnen eingetragen. Selbst die Ausschreibung hat in vielen Kommunen noch nicht stattgefunden.

DIGITALE ZUKUNFT?

Wie wichtig allerdings eine erfolgreiche, breite und vor allem mit aller Entschiedenheit vorangetriebene Digitalisierung für den mittel- und langfristigen Erfolg der Wirtschaft Sachsens ist, zeigt der Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL 2016. Es kann verwundern, dass gegenwärtig viele Unternehmen Sachsens den Einfluss der Digitalisierung auf ihren Unternehmenserfolg als gering einschätzen – im Handel fast 60 Prozent, in der gewerblichen Wirtschaft und den Dienstleistungen immerhin rund 40. Doch besonders erstaunlich ist, dass trotz dieser Einschätzung die Einbindung der Digitalisierung in die strategischen Ausrichtungen der Unternehmen bis 2021 nach eigener Aussage recht stark zunimmt. Bereits jetzt ist die interne Nutzung digitaler Infrastrukturen in den Dienstleistungen, der gewerblichen Wirtschaft und auch im Handel weit verbreitet.

Insofern hängt der Erfolg der strategischen Planung stark an der Verfügbarkeit eines guten Breitbandanschlusses. Um das Jahr 2021 noch einmal aufzugreifen: In den nächsten Jahren wird Prognosen zu Folge der Anstieg des verbrauchten Datenvolumens exponentiell steigen und bis zu diesem Jahr auf das Zweieinhalbfache ansteigen.

Die aktuellen Zielsetzungen der Landesregierung muten dabei ähnlich ehrgeizig an wie die für 2018. Denn bis 2020 soll die Hälfte, bis 2025 die Gesamtheit aller sächsischen Haushalte mindestens 100 Mbit/s zur Verfügung haben. Im Bundesvergleich liegt Sachsen auf einem der hintersten Plätze, wenn es um das schnelle Netz geht. Allerdings standen 2016 Projekte mit einer Gesamtinvestitionssumme von 361 Millionen Euro in den Startlöchern. Während von politischer Seite auf die Höhe dieser Summen hingewiesen wird, fragt sich, weshalb vielerorts der Ausbau nach wie vor so schleppend vorangeht.

Schwierig zu erreichen blieben die hoch gesteckten Ziele indes selbst mit rasant gesteigerten Ausbauzahlen.

Es ist allerdings zu vermuten, dass insbesondere die Wirtschaft mit ihrer zunehmenden Berücksichtigung der Digitalisierung in ihrer strategischen Planung der Druck auf die Politik zunehmend erhöht wird. Insbesondere Unternehmen mit vielen Arbeitnehmern wie zum Beispiel die Volkswagen Sachsen GmbH oder andere, mittelständische Unternehmen, die weder in den Gebieten um Dresden oder Leipzig tätig sind, werden sicherlich auf einen Ausbau der Breitbandkapazitäten insistieren.