Start Rocker, Bully Herbig und Karl Marx
Artikel von: Sven Günther
13.10.2017

Rocker, Bully Herbig und Karl Marx

Eva-Maria und Hartmut Halang bauen in Freiberg historische Zelte und Ausstattungen für Filmsets. Foto: Robert Schimke/HWK

Zelte für Bully Herbig und Karl Marx

Freiberg. Für eine Dienstreise nach Südspanien hat es am Ende doch nicht gereicht, dafür aber für einen kleinen Logistik-Krimi.

An einem Donnerstag bekamen Eva-Maria Halang und ihr Ehemann Hartmut den Anruf einer Produktionsfirma, die in der Nähe von Almería die „Bullyparade“ drehte: Am Montag werde am Filmset ein Tipi gebraucht. Die beiden taten, was sie bei solchen Anfragen immer
tun: Cool bleiben, produzieren und zusehen, wie das fertige Produkt zum Empfänger kommt. Einen kurzen Augenblick lang überlegte das Ehepaar, das Zelt direkt zum Set zu bringen. Doch die Filmproduktionsfirma wiegelte ab, Halangs, ein Zehn-Meter-Hänger und das Zelt fuhren nur bis nach München. Die restlichen rund 2000 Kilometer legte das Tipi im Flugzeug zurück.
Eva-Maria Halang und ihr Mann Hartmut führen in Freiberg ein Unternehmen, das auf Zeltbau, Westernbedarf, historische Ausstattungen und Lederverarbeitung spezialisiert ist. Die Vielfalt der Zelte nimmt sich aus wie in einem Geschichtsbuch – „von den Römern bis zum Barock“, sagt Eva-Maria Halang, reiche die Bandbreite der Zelte, die aus der Werkstatt der beiden in der Halsbrücker Straße kommen. Rund 80 Prozent des Firmenumsatzes stammen aus dem Geschäft mit Zelten. Gestartet ist das Unternehmen Halang direkt nach der politischen Wende. Am 1. September 1990 gründete das Ehepaar Halang einen Betrieb, der sich zunächst kunstgewerblichen Arbeiten aus Leder widmete. In der Folgezeit übernahm die Firma eine erfahrene Näherin aus dem ehemaligen VEB Nikator und baute sein Angebot in Richtung Anfertigung und Reparatur von Lederbekleidung aus.
1998 kam der Zeltbau hinzu – womit das Ehepaar Halang in gewisser Weise zu seinen Anfängen zurückkehrte. Die beiden stammen aus der DDRSzene, die sich für Leben und Kultur der Indianer interessierte.
Hartmut Halang, von Haus aus Tischler, und seine Frau Eva-Maria, studierte Informatikerin, erschlossen sich die Arbeitsfelder historische Zelte und Western-Zubehör und kamen schließlich bei Auftraggebern an, die komplette Ausstattungen historischer Events bestellen. Museen, Firmen, die für Betriebsfeiern Tipis ordern, ein Einkaufszentrum, das für eine Werbeaktion eine orientalische Teestube braucht, die Leipziger Messe, die zur „haus garten freizeit“ eine Goldwäsche-Station einrichtet, gehören ebenso dazu wie historische Vereine, die das Gedächtnis an die Völkerschlacht von 1813 wachhalten, oder die sogenannten Reenactors, Menschen, die in ihrer Freizeit in historische Rollen schlüpfen und geschichtliche Ereignisse nachstellen.
Bislang fuhren die Halangs auf verschiedene Reenactor-Messen nach Großbritannien. Fuhren, denn die Unsicherheiten rund um den Brexit haben in der Historienszene und in der Bilanz der Halangs bereits ihre Spuren hinterlassen. „Wir merken das deutlich am Umsatz“, sagt Eva-Maria Halang. Die Einbußen im Geschäft mit dem Vereinigten Königreich kompensiert sie durch stärkeres Engagement in Ost- und Südost-Europa.
Internationalität, das wird im Büro der Halangs eher unauffällig deutlich, gehört zum Alltagsgeschäft: Auf einer kleinen Europakarte stehen in die Umrisse der Staaten eingezeichnet die Ländervorwahlen. Daneben hängt das englische Telefonalphabet. Zwei Mitarbeiter in der Zeltproduktion und eine Mitarbeiterin, die Motorradbekleidung repariert, machen die Belegschaft der Halangs aus.
Zum Geschäft um die Lederbekleidung gehört auch die Applikation von Aufnähern auf Bikerkuttten. Sprich, auch schwere Jungs finden bisweilen den Weg in die Werkstatt des Unternehmens.
Und seitdem der Betrieb 2007 an der ZDF-Filmreihe „Zwei Ärzte sind einer zu viel“ mitwirkte, kommen regelmäßig Aufträge von Film- und Fernsehproduktionsfirmen. Neben historischen Dokumentationen war das in diesem Jahr unter anderem für den Film „Der junge Karl Marx“, für den ein sogenanntes Marquis-Zelt gefragt war. Direkt in die Filmdrehs eingebunden seien sie selten, sagt Eva-Maria Halang, in der Regel holen die Ausstatter die Requisiten in Freiberg ab oder sie gehen per Kurier auf die Reise.
Im Fall der „Bullyparade“ waren das insgesamt sieben Tipis mit Stangen. Um die Reise zum Filmset nach Südspanien haben sich die Halangs am Ende wahrscheinlich selbst gebracht. Der Vor-Ort-Aufbau durch die Freiberger Profis, befanden die Filmproduzenten, sei unnötig. Eva-Maria Halang: „Unsere Einweisung für den Aufbau war offenbar zu gut.“ www.halang.de