Start Chemnitz Rückkehrer: „Ich bin wieder hier...“
Artikel von: Redaktion
06.08.2015

Rückkehrer: „Ich bin wieder hier…“

Rückkehrer
„Chemnitz zieht an“ – aber nicht jeden. Nicht jeder Rückkehrer wird gleichermaßen offen auf dem Arbeitsmarkt empfangen. Während Ingenieure händeringend gesucht werden, haben es Bewerber anderer Berufsgruppen deutlich schwerer. Foto: bit

Chemnitz „…in meinem Revier. War nie wirklich weg, hab mich nur versteckt. Ich rieche den Dreck. Ich atme tief ein. Und dann bin ich mir sicher, wieder zu Hause zu sein“ (Marius Müller-Westernhagen). Zwar riecht Chemnitz nicht nach Dreck, doch zeigt Marius Müller-Westernhagen deutlich: das Gefühl von Heimat die damit verbundene Geborgenheit sind extrem wichtig. Wichtig auch für viele gebürtige Chemnitzer, die vor Jahren Richtung Westen abwanderten – und jetzt zurück kehren zu ihren Wurzeln und ihrer Familie.

Auch Anja Haase ist nach 15 Jahren wieder zurück in der Heimat. Als frisch ausgelernte Ergotherapeutin gelang ihr hier damals nicht der Schritt ins Berufsleben. „Ich wollte auch etwas Neues sehen und selbstständig werden“, erklärt die junge Frau ihre Beweggründe, nach Bayern zu gehen. Zurück kommt sie nun zum einen aufgrund der großen Entfernung zur Familie und damit verbundener privater Situationen.

Um solche potentiellen Rückkehrer und auch anderen Fachkräfte nach Chemnitz zu locken, setzt die Chemnitzer Wirtschaftsförderung, kurz CWE, seit 2008 auf die Marketingkampagne und das Internetportal „Chemnitz zieht an“. „Als Zielgruppen haben wir mit diesen Projekt vor allem rückkehrwillige Ingenieure im Alter zwischen 25 und 39 Jahren, Pendler sowie Zuzuginterssierte“, erklärt Alexander Hildenberg von der CWE. Dafür setzt die Kampgane auf unterschiedliche Werbestrategien.

Neben Plakatwerbung, regionalen und überregionalen Radiospots setzen die Macher auch auf standortspezifische Werbung für Pendler am Hauptbahnhof, auf Reisepläne der regionalen Strecken, Tankstellen und Großflächenplakatierungen entlang der Einfallstraßen.

„Seit Start der Kampagne ‚Chemnitz zieht an‘ sind bisher rund 1500 Bewerbungen über das Stellenportal eingegangen. Auch 50 Initiativbewerbung können dadurch gezählt werden“, so Hildenberg. Nach aktuellen Statistiken haben sich die Zugriffszahlen in den letzten Jahren fast verdoppelt.

Berlin, Hamburg, Bayern
Dabei zeigt sich ein klarer Spitzenreiter bei den Besuchern der Seite. Mehr als 12000 im Zeitraum vom August 2013 bis Ende April können der Region Berlin zugeordnet werden. Dies und weitere Zugriffe aus beispielsweise Hamburg, München, Mainz und Dortmund sowie aus dem Ausland zeigen, dass die Kampagne nach Außen durchaus Wirkung zeigt.

Doch auch aus der näheren Umgebung, wie Thüringen und Teilen Sachsens kommen die Besucher  von „Chemnitz zieht an“. Aktuell bieten 42 Firmen auf der Homepage ihre Stellen und Ausbildungsangebote an. „Gestartet haben wir das Projekt 2008 mit 15 Firmen. Heute hat sich das Angebot verdoppelt. Dies zeigt auch die große Bandbreite an Stellen. Insgesamt bietet das Portal mittlerweile rund 200 Stellen für Fachkräfte und Azubis“, erklärt Hildenberg.

Auch die Stadt Chemnitz spürt einen deutlichen Aufschwung. So haben sich die Einwohnerzahlen wieder erhöht. Die Zahl der Zuzüge von 2005 zu 2014 gar verdoppelt auf mehr als 17.000. Auch andere Kampagnen sollen diesen positiven Trend untermauern.

Mit der seit 2014 aufgelegten Stadtmarketingkampagne „Die Stadt bin ich“ sowie den seit diesem Jahr laufenden Aktionen „Chemnitz will dich“ und „Entfalte dich“ erhofft die Stadt, Menschen anzusprechen, ihren Lebensmittelpunkt nach Chemnitz zu legen. In einem 100-150 Kilometerradius um Chemnitz herum wirbt die Stadt für das positive Lebensgefühl und neben den wirtschaftlichen auch mit kulturellen Stärken.

Attraktivität ist gestiegen
Zwei Rückkehrer, die über das Stellenportal „Chemnitz zieht an“ wieder den Weg zurück in die Heimat gefunden haben sind Ronny Steinbach und Silvio Wandel. Beide arbeiten mittlerweile bei Oerlikon an der Zwickauer Straße. „Ich finde die Mentalität im Osten einfach toller. Außerdem hatte ich hier meine Freunde und Familie. Für mich stand immer fest, ich würde wieder komplett zurückkehren nach Chemnitz“, erzählt Silvio Wandel.

Rückkehrer
Silvio Wandel und Ronny Steinbach sind wieder zurückgekehrt. Trotz finanzieller Unterschiede zwischen „West“ und „Ost“ haben sie sich bewusst für eine berufliche wie private Zukunft in der Heimat entschieden. Beide haben ihren aktuellen Job über das Portal „Chemnitz zieht an“ gefunden. Foto: ihst

In einem schwäbischen Unternehmen beschäftigt musste der junge Vater ständig zwischen Arbeit und Familie pendeln. Für viele kein Dauerzustand. Doch warum verlässt man dann erst die Region? „Frisch von der Uni war es für mich schwer hier einen passenden Job zu finden. Die Firmen wollten Fachkräfte mit Berufserfahrung. Ohne diese hat man keine Chance. Heute ist man umso attraktiver“, so Wandel.

Chemnitz will dich – oder  nicht?
Doch einige haben nicht so viel Glück, denn über das Portal werden fast ausschließlich Stellen in der Industrie angeboten. Freie Jobs in den Bereichen Gesundheitswesen, Dienstleistungs und Handel sind rar.

Das musste auch Anja Haase erfahren. Letzten Herbst wagte sie mit ihrem Mann, einem Handwerker, den Schritt zurück. Während er seit Oktober einen Job hat, gestaltet sich ihre Suche zum Ablauf der Elternzeit hin, etwas schwierig, trotz viel Eigeninitiative. Davon, dass Chemnitz sie unbedingt will, wie die Rückkehrer-Kampagne suggeriert, spürt sie nichts. „Meine Mutter hat bei der Stadt angerufen, ob es gezielte unterstützende Maßnahmen für Rückkehrer gibt und erhielt die Auskunft, ‚es gäbe nur etwas für Studenten.‘“ Bei der Agentur für Arbeit hatte sie ebenfalls Gespräche. „Aber es gibt keine Unterstützung,“ so die 36-Jährige. Sie bemüht sich somit weiterhin völlig auf sich gestellt.

Zudem kamen schnell Problem, die den Unterschied zwischen Ost und West aufzeigen: „Nach rund 15 Jahren gibt es zumindest einige Arbeitsplatzangebote. Mein Mann und ich sind ja inzwischen auch beruflich erfahren und sehr gut qualifiziert. Aber die Unterschiede in unseren Branchen sind größer als man glaubt, nicht nur finanziell, auch in allen Rahmenbedingungen. In Bayern haben wir von Arbeitgebern sehr viel Bemühen erfahren, uns für sich zu gewinnen. Hier sind wir seitens der Arbeitgeber eher auf Unverständnis gestoßen, warum wir überhaupt zurück kommen.“

Gesucht, gefunden
Unternehmen suchen zumindest laut vielen öffentlichen Bekundungen händeringend nach Fachkräften. Auch Franziska Neubert kehrte nach Chemnitz zurück und fahndete auf eigene Faust nach einem passenden Job. „Bei mir war einfach die Sehnsucht ausschlaggebend, dass ich wieder zurückgekommen bin. Außerdem geht es vielen so. Das Heimatgefühlt fehlt einem einfach. Da nimmt man finanzielle Abstriche gern in Kauf“, erklärt Franziska Neubert.  Die Friseurin ist nach der Schule nach Baden-Württemberg und erst in diesem Frühjahr zurück in die Heimat. Mittlerweile arbeitet sie wieder in einem Chemnitzer Friseursalon auf dem Sonnenberg.