Start Erzgebirge Sabine Zimmermann (MdB, DIE LINKE): Dokument des "Weiter so!"
Artikel von: Sven Günther
12.03.2018

Sabine Zimmermann (MdB, DIE LINKE): Dokument des “Weiter so!”

Sabine Zimmermann (MdB, DIE LINKE) beantwortet Fragen zur GroKo. Foto: DIE LINKE

Sabine Zimmermann für 1050 Euro sanktionsfreie Mindessicherung

Region. Deutschland bekommt seine Regierung. Der 177 Seiten lange Koalitionsvertrag ist beschlossen. Nach dem sich die Jamaika-Pläne in Qualm auflösten, einigten sich CDU/CSU und SPD auf eine neue große Koalition. Weil CDU-Delegierte und sozialdemokratische Basis (zum Teil missmutig murrend) zustimmten, wird am Mittwoch (14. März) im Bundestag Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt, sie und das GroKo-Kabinett vereidigt.
Auf den blauen Politikerstühlen sitzen auch elf Menschen, die die Interessen Südwestsachsens in der Hauptstadt vertreten. WochenENDspiegel wollte u.a. wissen, wie sie die neue GroKo und den Koalitionsvertrag bewerten.

Heute: Sabine Zimmermann (MdB, DIE LINKE)

Der Koalitionsvertrag trägt die Überschrift: “Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land”. Sehen Sie neuen Aufbruch, neue Dynamik, neuen Zusammenhalt?
Nein. Der Koalitionsvertrag ist weder dynamisch noch trägt er zum sozialen Zusammenhalt bei. Er ist ein Dokument des „Weiter so“. Kleine Verbesserungen hier und da erkennen wir zwar an. Aber oft sind sie durch Verschlechterungen andernorts erkauft. Die großen Probleme unserer Gesellschaft – Armut, Rente und Pflege beispielsweise – werden nicht angegangen. Wo es ein bisschen Bewegung gibt, etwa beim Thema gute Arbeit, bleiben die Veränderungen zaghaft und halbherzig. Und auch ein Aufbruch für Europa sähe wirklich anders aus: Dazu bräuchte es eine komplette Neuauflage der Verträge. Für ein soziales, demokratisches und friedliches Europa.

Glauben Sie, dass eine Beitragssenkung von 0,3 Prozent bei der Arbeitslosenversicherung angesichts eines Überschusses von fast 6 Mrd. Euro bei der Arbeitsagentur, nicht zu gering ist?
Ganz im Gegenteil: Eine Beitragssenkung in der Arbeitslosenversicherung ist das falsche Signal und auch ein durchschaubares Manöver. Hier geht es um Geldgeschenke an große Unternehmen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben kaum etwas davon. Für sie wäre es viel wichtiger, dass die Arbeitslosenversicherung wieder zu einer wirksamen Absicherung gegen das Risiko der Erwerbslosigkeit wird. Das kostet natürlich Geld. Dafür könnte man die Beiträge sinnvoll einsetzen.

Welche Punkte stünden im Koalitionsvertrag, wenn Sie ihn mit hätten aushandeln können?
Für die LINKE ist eine soziale Wende unabdingbar. Wir wollen Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung von derzeit 1.050 Euro im Monat ersetzen. Ebenso wichtig ist uns eine Stärkung der Sozialversicherung. Das heißt einerseits die Leistungen zu stärken, die in den letzten zwei Jahrzehnten zusammengestrichen worden sind. Andererseits müssen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu einer Bürger- beziehungsweise Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden – also zu einer Absicherung für alle. Hier hat die SPD leider in den Koalitionsverhandlungen gekniffen. Das hat sie übrigens auch, was die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums angeht, ohne die soziale Verbesserungen nun einmal nicht zu haben sind. Zur sozialen Wende gehört für uns auch gute Arbeit, etwa ein Verbot von Leiharbeit und ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. Außerdem setzen wir – anders als die künftige Bundesregierung – auf eine friedliche Außenpolitik, auf Abrüstung und Demilitarisierung.

Nach zwei Jahren will die GroKo Bilanz ziehen. Wird dann Annegret Kramp-Karrenbauer das Ruder übernehmen oder regiert Angela Merkel bis zu nächsten Bundestagswahl?
Die schleppende Regierungsbildung und das Unbehagen in großen Teilen der SPD-Basis lassen eine eher instabile Bundesregierung erwarten. Es ist durchaus möglich, dass die Koalition keine ganze Legislaturperiode durchhält. Ob die Bundeskanzlerin 2020 noch Angela Merkel oder Annegret Kramp-Karrenbauer heißt, ist jedoch eher uninteressant. Denn beide stehen für dieselbe Politik. Wir hingegen wollen einen politischen Aufbruch, einen grundlegenden Kurswechsel.