Start Chemnitz Schüler nerven Frank Müller-Rosentritt (FDP)
Artikel von: Sven Günther
23.09.2021

Schüler nerven Frank Müller-Rosentritt (FDP)

Frank Müller-Rosentritt, Direktkandidat der FDP im Wahlkreis 162 (Chemnitz) sowie Landeslistenplatz 2. Er ist Vorsitzender der Landespartei. Foto: FDP

Klartext, Herr Müller-Rosentritt

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten, hier meine E-Mail:

Hier antwortet Frank Müller-Rosentritt, Direktkandidat der FDP im Wahlkreis 162 (Chemnitz) sowie Landeslistenplatz 2. Er ist Vorsitzender der Landespartei

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Ein zentrales Projekt ist, die Region an den Fernbahnverkehr anzubinden. Nach Berlin, nach Westen und Süden. So wie es ist, darf es nicht bleiben. Weil die SPD in Person von Herrn Dulig den Streckenausbau viele Jahre verzögert hat, ist es auf meine Einladung hin gelungen, parteiübergreifend dieses Projekt auf den Weg zu bringen. Als Außenpolitiker bin ich auch Botschafter für Chemnitz in der Welt, werbe stets für meine Heimat und stoße Kooperationen an. Der Sächsisch-Taiwanesische und der Sächsisch-Japanische Mittelstandsdialog in Chemnitz sind nur zwei Beispiele. Auf meine Initiative hin wird es 2022 in Chemnitz ein Innovation Hub der Deutsch-Israelischen Wirtschaftsvereinigung eröffnet.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Politik ist auch für junge Menschen interessant, wenn man nur das Interesse weckt und organisierte politische Diskussionen in den Schulen in Sachsen zulässt. Projekte wie in NRW, wo Schülerinnen und Schüler im ganzen Land Podiumsdiskussionen mit den Jugendvertretern aller Parteien selbst organisieren, wollte ich nach Sachsen bringen. Es scheiterte jedoch am Desinteresse und Widerstand von Lehrkörpern und des Kultusministeriums. Unglaublich! Es sind die jungen Leute, die die Welt aus einer anderen Perspektive sehen und frischen Wind hereinbringen. Es braucht auch mehr Einfluss der Jugend auf die Politik. Deshalb fordert die FDP auch das Wahlrecht ab 16 für Bundestags- und Europawahlen.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

In den letzten Jahren wurde von den Regierenden extrem viel verschlafen, was in der Pandemie noch offensichtlicher wurde. Schüler konnten Lehrer monatelang nicht sprechen, überlastete Lernportale, Lehrmittel aus der Kreidezeit. Millionen Euro aus dem Bundes-Digitalpakt kamen nicht an, weil die Antragstellung und Finanzierungsprozedere zu kompliziert waren. Wir brauchen eine Reform des Bildungsföderalismus, z.B. bundesweite Abschlussprüfungen für Mittlere Reife und Abitur. Für eine effektive Zusammenarbeit von Bund und Ländern muss das Grundgesetz geändert werden. Vor allem brauchen wir eine Exzellenzinitiative in der beruflichen Bildung. Museale Berufsschulen müssen Vergangenheit sein.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, dass die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind …

Ich fühle mich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages gut bezahlt und würde niemals auf die Idee kommen, darüber zu klagen, gehört man mit unserem Einkommen und den Zusatzleistungen doch zu den besser verdienenden Menschen in Deutschland. Aber in der Tat ist der Job für Führungsköpfe aus der Wirtschaft finanziell zu uninteressant und zu kombinieren geht es auch nicht. Aber auch für junge Frauen mit Kindern ist der Beruf nicht sehr einladend, da sich leider Berufspolitik und Familie viel zu schlecht verbinden lässt. Das muss man dringend ändern, um auch mehr junge Frauen für die Arbeit in Parlamenten zu begeistern. Da sind uns zahlreiche Länder Lichtjahre voraus.

Als Abgeordneter sind Sie nur Ihrem Gewissen verpflichtet. Folgen Sie Ihrer Partei auch dann, wenn Sie anderer Meinung sind?

Wenn ich regelmäßig anders abstimmen würde, als der Fraktion, der ich mich angeschlossen habe, müsste man überdenken, ob die Fraktion noch die Richtige für einen ist. Ich stimme überwiegend mit meinen Kollegen, weil wir inhaltlich die gleichen Werte und politischen Ziele teilen. Es gibt jedoch auch Situationen, wo ich zu einem anderen Entschluss komme und da stimme ich auch anders ab. Ich bin nur meinem Gewissen verpflichtet und niemanden anders. Das ist für mich ein hohes Gut. Das lebe ich auch genau so.

Sie fordern eine Rückkehr zur Marktwirtschaft, eine Entflechtung von Markt- und Staatswirtschaft. Wie wollen Sie das schaffen? Heute wird doch nur noch investiert, wenn Fördermittel fließen. Tesla baut in Deutschland, weil das US-Unternehmen einem Milliardenbetrag an Steuermitteln bekommt …

Als FDP setzen wir uns für Subventionsabbau ein, um einen fairen Markt zu ermöglichen. Dabei muss sich die beste Technologie durchsetzen und nicht die, welche der Staat gern möchte. Die Aufgabe des Staates ist dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen für Unternehmen nicht deutlich schlechter sind als im internationalen Vergleich. Die hat man im Fall von Tesla hergestellt. Gleiches gilt im Übrigen auch für Wasserstofffahrzeuge und die dafür notwendige Infrastruktur. Wenn wir eine CO2-neutrale Marktwirtschaft wollen, müssen wir für die klügsten Köpfe der Welt die besten Rahmenbedingungen schaffen.

Die FDP könnte das Zünglein an der Waage werden. Springen Sie mit jedem ins Bett, wenn es darum geht, in die Regierung zu kommen?

Natürlich nicht. Das haben wir 2017 bewiesen. Wir hätten schon längst Minister haben können. Doch uns sind Überzeugungen wichtiger als Dienstwagen. Mit uns wird es keine weitere Linksverschiebung dieses Landes geben. Entlastung statt weiterer Belastung, mehr Digitalisierung und deutlich weniger Bürokratie und mehr Freude am Erfinden als am Verbieten sind unsere Maxime. Die einseitige Fokussierung auf die batterie-elektrische Mobilität gehört abgeschafft und durch technologieoffene Förderung ersetzt.

Sie fordern zentrale Abschlussprüfungen und digitale Schulen? Möchten Sie den Bildungs-Föderalismus abschaffen?

Wir wollen die weltbeste Bildung für Deutschland. Dafür braucht es auch die Vergleichbarkeit der Bundesländer und gemeinsame Ziele. Zentrale Abschlussprüfungen sind dabei enorm wichtig. Wenn die Prüfungen gleich sind, kann man auch sehen, welche Methoden die besten sind. Die Wege zum Ziel dürfen sich gern unterscheiden. Aber wir stehen als Sachsen eben nicht im Wettbewerb mit Bremen oder Berlin, sondern Deutschland steht im Wettbewerb mit Israel, China und den Indien.

Wie alle anderen Parteien auch fordert die FDP den Abbau der Bürokratie. Eine Forderung, die es seit Jahren und Jahrzehnten gibt. Bislang ist noch jeder an den Mühlen der Bürokratie gescheitert, jeder Reformversuch verursachte noch mehr Bürokratie. Warum sollte es Ihnen dieses Unterfangen jetzt plötzlich gelingen?

Ein Wort, Digitalisierung. Wenn es etwa Estland schafft, seine Verwaltung ins Digitale zu übertragen, muss das auch bei uns möglich sein. Über 3000 Dienstleistungen von Behörden und Unternehmen können dort digital erledigt werden, Tendenz steigend, während bei uns die defekte Fax-Kopierer-Kombi ganze Verwaltungsbüros lahmlegen kann. Deutschland in Europa bei der Digitalisierung auf dem vorletzten Platz, knapp vor Albanien, ist ein Witz. Wir brauchen Bitrate statt Papierkrieg. Dafür brauchen wir digitale Infrastruktur, sichere und datenschutzkonforme Software in den Behörden und die Fortbildung der Mitarbeiter. Die Zeit ist überreif für ein Digitalisierungsministerium, um das zu koordinieren.

Noch so ein Punkt: Wie alle Parteien rufen Sie nach einem hochleistungsfähigem Digitalnetz. Wie alle anderen auch, verraten Sie aber nicht, WIE Sie das schaffen wollen. Oder haben wir etwas überlesen?

Natürlich muss dafür Geld in die Hand genommen werden. Doch die Digitalisierung ist eine Mammutaufgabe ohne Option, ein Muss. Ja, wir brauchen 5G an jeder Milchkanne, um als Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland international bestehen zu können. Wichtig ist, die Projektausschreibungen zielgerichtet zu formulieren und genau zu prüfen. Was müssen neue Systeme in Zukunft leisten? Wer kann das bereitstellen? Wir brauchen die Besten dafür. Es darf nicht, wie andere deutsche Großprojekte, mit enormen Mehrkosten und Jahren Verspätung enden. Was wir jetzt in Digitalisierung investieren, ist wegweisend für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Dabei müssen wir klotzen statt kleckern.