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Artikel von: Sven Günther
14.09.2021

Schüler nerven Philipp Hartewig (FDP)

Philipp Hartewig, FDP-Kandidat im Wahlkreis 161 (Mittelsachsen). Foto: Privat

Klartext, Herr Hartewig

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten meine E-Mail:

Heute antwortet Philipp Hartewig, Direktkandidat der FDP im Wahlkreis 161 (Mitlesachsen) und auf der Landesliste auf Platz 3

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Ich möchte, dass durch Änderungen der Bundesgesetzgebung, Bürokratie und Aufwand für unsere mittelsächsischen Unternehmen sinkt, sodass diese mehr Zeit für andere Aufgaben haben; dass die Verwaltung endlich komplett digitalisiert wird, sodass Wege zum Landratsamt nach Freiberg, Döbeln oder Mittweida nicht mehr notwendig sind und gerade Schüler und Studenten aufgrund der Rahmenbedingungen den Mut zur Verwirklichung der eigenen Ideen, der Gründung eigener Unternehmen oder zur Übernahme bestehender Betriebe im Kreis haben. Konkret sollte meine Arbeit zudem in Berlin insbesondere an der eigenen Ausschussarbeit gemessen werden. Diese möchte ich so transparent wie möglich gestalten.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Politik ist im Kleinen wie im Großen die Gestaltung unseres täglichen Zusammenlebens, das Ringen um verschiedene Ideen und das Aushandeln von Kompromissen. Dass Politik für viele Schüler uninteressant sei, kann ich so nicht stehen lassen. Schließlich hat man auch als Schüler eine eigene Meinung, ärgert sich über Entscheidungen und würde Manches gern anders machen. Gerade weil Politik also alle betrifft, ist es wichtig, sich einzubringen oder jedenfalls informiert zu sein. Das muss man nicht nur theoretisch in der Schulstunde besprechen, sondern kann das bei eigenen Planspielen an der Schule, Exkursionen in die Parlamente oder über die Schülerräte und politischen Jugendorganisationen selbst erleben.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

Bildung ist unsere wichtigste Ressource. Es braucht nicht nur viele gute Lehrer, sondern auch eine saubere, moderne Schule; zeitgemäße Unterrichtsinhalte und interaktives Material. Für all das sind unterschiedliche Stellen zuständig und so richtig geklärt, was Schüler in einer Welt, in der viele Antworten mit dem Smartphone zur Verfügung stehen, lernen sollen, ist auch noch nichts. Es braucht jetzt eine Bildungsoffensive: Mit bundesweit hohen, einheitlichen Standards und einer gemeinsamen Weiterentwicklung des Bildungswesens durch Bund und Bundesländer. 1% der Mehrwertsteuereinnahmen will die FDP dafür zusätzlich aufwenden werden – das muss uns die Zukunft unseres Landes wert sein.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, das die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind…

Abgeordnete bekommen ausreichend Geld. Ihr hohes Arbeitspensum und die Volksvertretung allein können keine Erhöhung rechtfertigen. Das Geld soll auch sicherstellen, dass die besten Entscheidungen für das Volk und nicht für den eigenen Geldbeutel getroffen werden. Politiker haben ja bestenfalls vielfältige Biographien und nehmen das ihnen vom Volk übertragene Mandat an, um ihre Mitbürger würdig zu vertreten. Insoweit stehen die Gehälter der Wirtschaft nicht mit Politik in Konkurrenz. Wenn wir aber ehrlich sind, bleiben viele Köpfe, deren Kompetenzen wirklich eine Bereicherung für Gestaltung der drängenden Themen unserer Zeit in den Parlamenten wären, in der Wirtschaft.

Als Abgeordneter sind Sie nur Ihrem Gewissen verpflichtet. Folgen Sie Ihrer Partei auch dann, wenn Sie anderer Meinung sind?

Eine Partei lebt vom sachlichen Streit in Detailfragen, aber Einigkeit im großen Ganzen. Ich bilde mir meine Meinung, nachdem ich alles, was auf dem Tisch liegt, in die Waagschale geworfen habe. Bis dahin kann man mich mit guten Argumenten überzeugen – oder ich eben meine Mitstreiter.

Sie fordern eine Rückkehr zur Marktwirtschaft, eine Entflechtung von Markt- und Staatswirtschaft. Wie wollen Sie das schaffen? Heute wird doch nur noch investiert, wenn Fördermittel fließen. Tesla baut in Deutschland, weil das US-Unternehmen einem Milliardenbetrag an Steuermitteln bekommt…

Wir Freie Demokraten fordern die Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien. Der Weg hin zu immer mehr Staatsbeteiligungen und Töpfen ist ineffizient, verzerrt den Wettbewerb und reduziert die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Statt unnötiger Verflechtungen von Markt- und Staatswirtschaft braucht es daher einen stärkeren nationalen und internationalen Wettbewerb.

Die FDP könnte das Zünglein an der Waage werden. Springen Sie mit jedem ins Bett, wenn es darum geht, in die Regierung zu kommen?

Das Ziel der Freien Demokraten ist klar: Wir wollen als Teil der kommenden Bundesregierung aktiv am nächsten Kapitel unseres Landes mitschreiben – allerdings nicht um jeden Preis. Wir wollen natürlich möglichst viele Ideen aus dem Wahlprogramm umsetzen. Das muss nach fairen und konstruktiven Verhandlungen mit möglichen Koalitionspartnern sichergestellt sein. Auch ist ein solider Haushalt, der keine neuen Schulden zu Lasten der kommenden Generation beinhaltet, Grundvoraussetzung. Nur dann würden wir in eine Bundesregierung eintreten.

Sie fordern zentrale Abschlussprüfungen und digitale Schulen? Möchten Sie den Bildungs-Föderalismus abschaffen?

Nicht abschaffen, sondern weiterentwickeln. Es braucht gesetzliche Grundlagen, damit Bund und Länder zusammen für die Sicherstellung der Qualität, die Leistungsfähigkeit und die Weiterentwicklung des Bildungswesens wirken können. Dazu gehört auch eine weitere Angleichung der Lehrplaninhalte sowie vergleichbare Abschlussprüfungen. Der Weg kann über Bildungsstaatsverträge erfolgen.

Wie alle anderen Parteien auch fordert die FDP den Abbau der Bürokratie. Eine Forderung, die es seit Jahren und Jahrzehnten gibt. Bislang ist noch jeder an den Mühlen der Bürokratie gescheitert, jeder Reformversuch verursachte noch mehr Bürokratie. Warum sollte es Ihnen dieses Unterfangen jetzt plötzlich gelingen?

Deutschland muss von Bürokratie entfesselt werden. Allein 100 von uns identifizierte Bürokratiehürden könnten sofort abgeschafft werden. Darüber hinaus wissen wir um die Potenziale der Digitalisierung auch beim Bürokratieabbau. Damit ist heute weit mehr möglich als noch vor zehn oder dreißig Jahren.

Noch so ein Punkt: Wie alle Parteien rufen Sie nach einem hochleistungsfähigem Digitalnetz. Wie alle anderen auch, verraten Sie aber nicht, WIE Sie das schaffen wollen. Oder haben wir etwas überlesen?

Im weltweiten Vergleich ist Deutschland Glasfaser-Entwicklungsland. Das müssen wir mit einer flächendeckenden Gigabit-Versorgung dringend ändern – im Wahlprogramm der Freien Demokraten erklären wir auch das „Wie“. Mit Gigabit-Gutscheinen bauen regionale Unternehmen dort aus, wo bislang keine solche Infrastruktur besteht. Das dafür nötige Geld soll der Verkauf der Unternehmensanteile des Staates an Post und Telekom einbringen. So hätten wir bald ein landesweites Hochgeschwindigkeitsnetz.