Start Schüler nerven Silvio Heider (SPD)
Artikel von: Sven Günther
24.09.2021

Schüler nerven Silvio Heider (SPD)

Silvio Heider, Direktkandidat der SPD im Wahlkreis 164 (Erzgebirge) und Landesliste Platz 13. Foto: SPD

Klartext, Herr Heider

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten, hier meine E-Mail:

Hier antwortet Silvio Heider, Direktkandidat der SPD im Wahlkreis 164 (Erzgebirge) und Landesliste Platz 13.

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Ich möchte unbedingt die Tarifbindung im Erzgebirge – sowie im gesamten Sachsen und Ostdeutschland – stärken, sodass eine Lohnangleichung an den Westen erreicht werden kann. Außerdem will ich mich für mehr Fach- und Allgemeinärzte im Erzgebirge und somit kürzere Wege und schnellere Termine für die Gesundheitsvorsorge einsetzen.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Meiner Meinung nach ist ein Problem, dass das föderale System und die verteilten Verantwortlichkeiten – von Kommune, Kreis, Land und Bund – sehr unübersichtlich und kompliziert sind und es eine Überwindung darstellt, sich damit auseinanderzusetzen. Außerdem glaube ich, dass oft vor allem alte Menschen in der Politik wahrgenommen werden und der Eindruck – durchaus nachvollziehbar – entsteht, dass die Anliegen junger Menschen von wenig bis gar keinem Interesse wären.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

Ich bin erst vor 2 Jahren in die SPD eingetreten und engagiere mich erst seitdem politisch im Kreisverband. Ich habe es persönlich nur zugelassen, mich nicht eher politisch zu engagieren. Für mich ist ein Grundproblem, dass die Bildung in Landeshoheit liegt, während die Träger für die Ausstattung der Schulen zuständig sind. Zusätzlich schießt der Bund Geld für bestimmte Projekte zu. Dies erzeugt ein Wirrwarr und verlangsamt die Prozesse. Daher setze ich mich dafür ein, dass Bildungspolitik zu einer Bundesangelegenheit wird und zentral und direkt vom Bund künftig Bauten und Ausstattung finanziert wird, sodass bundesweit einheitliche Standards zügig umgesetzt werden können.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, das die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind…

Ich glaube nicht, dass Politiker zu wenig verdienen. Neben dem Verdienst geht es insbesondere um die Möglichkeit, die Zukunft der Gesellschaft gestalten zu können, was anderswo so nicht möglich ist. Es zeigt sich aber, dass in anderen Parteien es offenbar aber gang und gäbe ist, nebenher noch erheblich hinzuzuverdienen. Daher ist eine höhere Transparenz bzgl. Zuverdiensten und Kontakten zu Lobbyisten unbedingt anzustreben.

Ihre Partei hat es fertiggebracht, die Zahl Ihrer Wähler seit der Wende zu halbieren. Es ist der Niedergang der Sozialdemokratie. Wie wollen Sie den Trend umkehren?

Im Moment sieht es eher danach aus, dass die SPD zu alter Stärke zurückfinden kann oder aber zumindest als stärkste Partei aus der Bundestagswahl hervor gehen kann. Daher erübrigt sich diese Frage wohl.

Wenn Sie 100 Menschen fragen, welchen SPD-Bundespolitiker sie kennen, was glauben Sie, wie viele Namen Sie zu hören bekommen? Selbst das SPD-Programm wird ausschließliche von Kanzlerkandidat Olaf Scholz verkörpert und präsentiert. Warum kennt keiner mehr die Genossen?

Ich glaube durchaus, dass neben Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Scholz auch Bundesaußenminister Heiko Maas, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach durchaus bekannt sind. Auch die Namen Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken (die beiden Parteivorsitzenden) und Kevin Kühnert begegnen mir im Gespräch mit Bürgern oft. Die Sozialdemokratie scheint also durchaus breiter bekannt als nur durch ihren Kanzlerkandidaten.

Im Wahlprogramm von Olaf Scholz steht, dass noch in diesem Jahrzehnt in Führungspositionen genauso viele Frauen wie Männer arbeiten. Wollen Sie das staatlich anordnen und wie wird sich eine “Quoten-Chefin” fühlen, die dann fachlich kompetentere Untergebene führen soll?

Ebenso wie es eine Quotenregelung für Aufsichtsräte gibt, kann man eine äquivalente Lösung auch für Vorstände und generell Führungspositionen einführen. D.h. es kann eine Verpflichtung für Unternehmen und Behörden geben, Führungspositionen künftig so zu besetzen, dass sie Parität erreichen bis zu einem Zieldatum. Wenn sie das Ziel nicht erreichen, werden Strafzahlungen fällig. Ich selbst habe gute Erfahrungen mit Frauen als Chefinnen gemacht und ich denke, so wird es vielen anderen auch gehen. Und dass Quotenfrauen als solche identifizierbar wären oder sie fachlich weniger geeignet wären als Männer, ist schlicht eine Mär.

Beim Kindergeld soll der Maßstab gelten: Je größer der Unterstützungsbedarf der Familie, desto höher das Kindergeld. Setzen Sie da nicht ein völlig falsches Signal?

Der Sozialstaat soll vornehmlich Arme fördern, sodass Ihnen eine Teilnahme am sozialen Leben
möglich ist. Außerdem müssen wir dringend die Kinderarmut bekämpfen, etwa jedes fünfte Kind in Deutschland wächst aktuell in Armut auf, d.h. es erlebt Einschnitte u.a. bei Schulausflügen. Es ist sozial gerecht, insbesondere Familien mit wenig Geld zu unterstützen. Allerdings ist nicht ersichtlich, warum auch Familien mit sehr hohen Gehältern oder Vermögen ebenso Kindergeld – und das auch noch gleich wie Familien mit wenig Geld – beziehen sollten. Der gegenwärtige Status bereichert sowieso Gutverdienende also ohne Grund und unterstützt arme Familien nicht genug.

Sie wollen pro Jahr 400.000 Wohnungen bauen, von denen 100.000 öffentlich gefördert werden. Woher sollen die Bauarbeiter dafür kommen, wenn doch jetzt schon der Mörtel nicht mehr angerührt wird?

In der EU herrscht Arbeitnehmerfreizügigkeit und in mehreren südeuropäischen Ländern herrscht derzeit hohe Arbeitslosigkeit. Daher bin ich zuversichtlich, dass ein deutscher Bauboom ein attraktives Angebot für italienische, griechische oder spanische Jugendliche sein kann, hier Arbeit zu finden.