Start Schüler nerven Veronika Bellmann (CDU)
Artikel von: Sven Günther
24.09.2021

Schüler nerven Veronika Bellmann (CDU)

Veronika Bellmann, Direktkandidatin der CDU im Wahlkreis 161 (MIttelsachsen) und Listenplatz 10. Foto: CDU

Klartext, Frau Bellmann

Region. Der Bundestagswahlkampf tobt. Auf allen Kanälen vertreten die Kandidaten ihre Positionen. Auch der WochenENDspiegel will wissen, wie die Politiker aus Südwestsachsen ticken. Allerdings haben wir uns kompetente Hilfe geholt! Redakteur*Innen von Schülerzeitungen aus Südwestsachsen sind DIE NERVENSÄGEN – und gehen den Kandidaten auf den Geist!
Zehn Fragen wurden mit der Redaktion des WochenENDspiegel ausgearbeitet, an die Parteien geschickt. Fragen die teilweise unbequem, provozierend, frech – ja, vielleicht sogar dreist sind. Wir sind der Meinung: Jugendliche dürfen das, müssen sich nicht an „Political Correctness“ halten. Die Reaktion? Einige Politiker fanden die Fragen wenig sachlich, unterstellend, inkorrekt. Unsere Antwort: Gut so! Ziel erreicht!
Allerdings haben wir uns entschlossen, die Namen der Redakteur*Innen vorerst nicht zu veröffentlichen, um die Jugendlichen nicht einem Shitstorm auszusetzen, der möglicherweise von einigen Anhängern losgetreten wird. Für alle, die sich beklagen möchten, hier meine E-Mail:

Hier antwortet Veronika Bellmann, Direktkandidatin der CDU im Wahlkreis 161 (MIttelsachsen) und Listenplatz 10

Welche Projekte möchten Sie in Ihrem Wahlkreis unbedingt umsetzen, was tun Sie konkret für unsere Zukunft oder halten Sie nur wohlklingende Reden?

Große Reden sind nicht mein Ding. Ich spreche nur zu Projekten und Vorhaben, die ich initiiert oder begleitet habe. Viele Förderprojekte, für die ich in der letzten Legislatur 500 Mio.€ in den Wahlkreis geholt habe, müssen jetzt umgesetzt werden: Bürgergarten Döbeln, SKZ Leisnig, Hafen-Umbau & Seebühne Kriebstein, Krankenhaus Mittweida, Unternehmen & Forschungsinstitute in Freiberg, Bibliotheken, Schulen und Kitas, Verkehrsinfrastruktur, Breitbandversorgung. Da habe ich voll zu tun. Wichtig sind mir Investitionen im ländlichen Raum, die unter den Aspekten „Nachhaltigkeit“ & „Klimaschutzes“ laufen. Besonders der Ausbau des ÖPNV, SPNV innerhalb Mittelsachsens und als Verbindung nach Chemnitz, Leipzig und Dresden.

Weshalb ist die Politik für viele Schüler völlig uninteressant?

Da habe ich über die Jahre eher das Gegenteil erlebt, wenn ich an meine vielen Besuche im Gemeinschaftskundeunterricht in Oberschulen und Gymnasien denke oder an die regelmäßigen Klassenfahrten zu mir in den Bundestag nach Berlin. Kritische Diskussionen gab es immer zu den Abläufen politischer Prozesse in der Demokratie. Langwierige Konsensfindung widerspricht dem natürlichen jugendlichen Veränderungsdrang, die Kommunikation dazu im digitalen Zeitalter mitunter auch. Umso wichtiger ist das miteinander Reden und gemeinsames Handeln. Hierfür gebe ich gern eine Plattform, z.B. bei meiner Aktion „Auf:Bäumen für Klimaschutz“, wo ich u.a. mit Jugendlichen Bäume pflanze.

Unsere Rüstungsindustrie spielt in der Champions League, die Bildung in der Kreisklasse. Warum haben Sie das zugelassen?

In der Verteidigungspolitik sind wir längst nicht in der Champions Leaque. Hier geht es nicht um AUFrüstung, sondern um eine für unsere Soldaten einigermaßen angemessene AUSrüstung, die aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren ist.
Das Grundgesetz beinhaltet ein Kooperationsverbot, d.h. der Bund, darf sich in den Ländern insbesondere in die inhaltliche Schulpolitik nicht einmischen. Unterstützen darf er bei Investitionen wie Digitalisierung, Schulhausbau oder Ganztagsbetreuung, was finanziell auch in Milliardenhöhe läuft. Für Kritik an dem was in den Klassenräumen passiert, sind der Freistaat und die Schulträger die richtigen Adressaten.

Bekommen Politiker zu wenig Geld? In der Wirtschaft kann das ein Vielfaches verdient werden, was auch den Schluss zulässt, das die wirklich schlauen Köpfe des Landes dort zu finden sind…

Politiker erhalten gemäß Grundgesetz eine „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“. Diese ist an das allgemeine Einkommensniveau gekoppelt. Das war 2020 rückläufig, weshalb die Diäten für 2021 gekürzt wurden. Ansonsten entspricht die Höhe der Bezüge denen eines Richters eines obersten Gerichtshofs bzw. Besoldung gewählter Oberbürgermeister oder Landräte. Mit meinem Wahlkreis aus 23 Gemeinden und 16 Städte (ca.250.000 Einwohner) ist das gut vergleichbar, auch wenn sich meine Verantwortung als Wahlkreisabgeordnete mit kleinem Büro natürlich vom Aufgabenspektrum und dem entsprechenden Personal einer großen Behörde erheblich unterscheidet.

Als Abgeordneter sind Sie nur Ihrem Gewissen verpflichtet. Folgen Sie Ihrer Partei auch dann, wenn Sie anderer Meinung sind?

Ob Energiewende, Migrationspoltik, Corona-Pandemie oder meine aktuelle Verfassungsbeschwerde gegen den EU-Eigenmittelbeschluss, Fraktionszwang gibts für mich nicht. Ich habe die DDR-Diktatur ertragen und erlitten, stelle deshalb Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit auch in der eignen Fraktion über alles. So entscheide ich als „Bürgerbewegte“ immer in der Reihenfolge zuerst nach bestem Wissen und Gewissen sowie im Sinne meines Wahlkreises, erst dann folgen Fraktion und Partei.

Die CDU verspricht unter “#1 Wachstum für Jobs und Wohlstand” Unternehmen von Bürokratie und Fesseln zu befreien. Ist das Ihr Ernst? Unter der jahrzehntelangen Regierungsverantwortung der CDU ist die Bürokratie doch erst richtig ausgeufert.

Die Vorwürfe sind nicht fair. EU, Bund, Land und Kommunen zusammen, sorgen für Bürokratie. Die Union hat 2006 mit der Standardkostenmessung und dem Nationalen Normenkontrollrat erstmals ein wirksames System zur Bürokratiekostenkontrolle gesetzt. Durch den Koalitionspartner wurde zwar häufig der Bürokratieabbau verhindert, dennoch zeigt eine Studie aus 2020 dafür deutliche Fortschritte gegenüber 2000. Davon ausgenommen sind allerdings Auflagen nach der Rechtsprechung unabhängiger Gerichte und Richtlinien und Verordnungen der EU. Wachsende Belastungen stammen zusätzlich aus Regelungen im Bereich Klimaschutz oder Gender. Viele Unternehmen fühlen eine steigende Bürokratiebelastung, obwohl administrative Auflagen reduziert wurden.

Unsere Eltern und Großeltern kennen den Spruch: Tröpfchen machen Wasser. Warum finanzieren Sie – die Regierungsmacht hätten Sie ja – nicht für jedes Haus eine Fotovoltaik-Anlage? Das wäre ökologisch und eine tatsächliche Entlastung für jeden einzelnen Bürger. Sie aber träumen von einer Trasse, die Strom von der Nordsee in die Alpen bringen soll, was bau- und genehmigungstechnisch ein Jahrhundertprojekt wäre.

Der Bund fördert Anlagen für Erneuerbare Energien mit bis zu 45%. Auch wenn auf jedem Dach eine PV-Anlage wäre, reicht die Energieproduktion nicht aus, um die Bedarfe von Industrie und Privatkunden zu decken. Die Akzeptanz von Windkraftanlagen an Land ist nicht übermäßig groß, deshalb brauchen wir die Anlagen auf See, von denen der Strom ins Land geleitet werden muss. Hier greifen jetzt unsere Gesetze zur Planungsbeschleunigung, so dass der Netzausbau schneller voran kommt. Mit Hochdruck arbeiten wir an Wasserstoffstrategien und Speichertechnologien für Sonnen-und Windenergie. Bis wir beides hoffentlich spätestens zum geplanten Kohleausstieg 2038 in ausreichendem Maß haben, muss der jetzige Energiemix als Brücke die Energieversorgung sichern.

Beim Thema Bildung liest man, Sie möchten den Aufstieg durch Bildung für alle möglich machen. Das impliziert, dass das heute nicht so ist. Was haben Sie in den letzten Jahren falsch gemacht?

Es war auf keinen Fall falsch, Schritt für Schritt für mehr Chancengleichheit zu sorgen. So haben wir Pakete geschnürt für sozial Schwache, damit Kinder am Schulessen, Ganztags- und Förderangebote sowie Vereine teilhaben können. Das Schulgeld z.B. für Pflegeberufe schaffen wir ab und reformieren das Bafög. Als MdB kämpfe ich für gute Rahmenbedingungen für Bildung vor Ort. Durch enge Kontakte zu den Hochschulen Mittweida und der TU Freiberg kümmere ich mich regelmäßig um Förderbedarfe und setze mich für Forschungsmittel ein. Ich unterstütze das Deutschland-Stipendium, sowie u.a. Kinderuni und die Juniorforscher, um die Bildung in den MINT-Fächern zu verbessern. Wichtig ist mir die auch Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung.

Warum schaffen Sie es nicht, ein Einwanderungsgesetz nach dem Vorbild von Kanada zu erlassen und konsequent umzusetzen? Das Argument “aufgrund unserer Vergangenheit” ist für die Jugend von heute nicht stichhaltig.

Mit den Asylpaketen, dem Rückkehrerförderungsgesetz, der Einschränkung des Familiennachzugs, der Zuwanderungsobergrenze, haben wir Instrumente gesetzt, um Zuwanderung zu begrenzen, auf jeden Fall besser ordnen und steuern zu können. So werden wir einerseits unserer humanitären Verpflichtung gerecht, orientieren uns aber andererseits mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das durchaus Elemente kanadischer Einwanderungspolitik enthält, vor allem an den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarktes. Hier gilt es noch besser zu werden, z.B. bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Das gilt bei den Asylgesetzen bezüglich der Ausweisungen für nicht asylberechtigte oder straffällig gewordene Asylbewerber.

#ALLES: Prinzipiell könnte man bei jedem Versprechen in Ihrem Wahlprogramm fragen: “Warum erst jetzt und nicht schon vor Jahrzehnten”! Geben Sie zu, dass die CDU in sehr vielen Bereichen notwendige Modernisierung einfach verpennt hat?

Nein, haben wir nicht. Wir leben in einem Land, das es nach 16 Jahren in Regierungsverantwortung zu Wohlstand und Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten gebracht hat. Nach der Wirtschafts-und Finanzkrise stand Deutschland besser da, als je zuvor. Selbst aus Corona kommen wir zwar langsam, aber stärker als andere Länder heraus. Das liegt u.a. an richtig gesetzten politischen Rahmenbedingungen. Gerade weil die Pandemie weltweit gnadenlos Schwachstellen der Gesellschaften offen gelegt hat, forcieren wir notwendige Reformen. Deshalb setzen wir auf Stabilität, Erneuerung, Innovation und Investition, um aus der Krise heraus, durch den Wiederaufbau den weltweiten Epochenwechsel hin zur digitalen, klimaneutralen Industriegesellschaft entscheidend mitgestalten zu können.