Start Chemnitz Sigrid (78): „Ich wohne noch bei Mutti!“
Artikel von: Sven Günther
05.04.2018

Sigrid (78): „Ich wohne noch bei Mutti!“

Sigrid Müller sitzt lächelnd in ihrem Sessel, sagt verschmitzt: „Ich bin am Mittwoch 79 Jahre alt geworden – und lebe immer noch mit meiner Mutter zusammen in einer Wohnung in Chemnitz.“ Fotos Sven Günther

Die älteste WG der Stadt

Von Sven Günther
Chemnitz. Die alte Dame sitzt lächelnd in ihrem Sessel, sagt verschmitzt: „Ich bin am Mittwoch 78 Jahre alt geworden – und lebe immer noch mit meiner Mutter zusammen in einer Wohnung in Chemnitz.“

Es ist die älteste Wohngemeinschaft der Stadt. Sigrid Müller wurde am Mittwoch 79 Jahre. Zwei Tage vorher hatte ihre Mitbewohnerin, Mutter Elisabeth Rau, 100. Geburtstag.
Ein Fest in Familie. Kinder, Enkel, Urenkel, Ur-Urenkel feierten mit der Jubilarin. 100 weiße Luftballons stiegen in den Himmel, es gab Kaffee und Kuchen, ein Gläschen Sekt. Enkelin Heike Kleber (48): „Abends waren wir dann im Goldenen Hahn essen.“
An ihrem 100. Geburtstag erinnert sich Elisabeth Rau, blickt auf ihr Leben zurück. „Ich bin 1932 aus der Schule gekommen, habe als Strickerin gearbeitet.“
Später war sie im Krankenhaus beschäftigt, wo sie ihren Mann Rudi kennenlernte. „Eine Freundin hatte mich zu einem Spaziergang in den Garten mitgenommen. Dort trafen wir zwei Herren“, denkt die 100-Jährige zurück. „Sie sagte, der große sei ihrer. Ich könne den kleinen bekommen. So lernte ich Rudi kennen.“
Sie heirateten, bekamen vier Kinder, acht Enkel, acht Urenkel und sieben Ur-Ur-Enkel folgten.
Elisabeth Rau arbeitete weiter als Strickerin in einer Rabensteiner Firma, sah Hitler und Chemnitz im Bombenhagel. Ein Anblick, denn sie nicht vergisst. „Der Himmel war rot. Die Stadt brannte nieder.“ 43 Jahre hielt die Ehe von Elisabeth und Rudi, bis der 1982 einen Tag nach seinem 67. Geburtstag starb. Die 100-Jährige leise: „Er war Bergmann. Die Lunge. Sie wissen schon.“
Das Leben ging weiter, die Jahre ins Land. „Ich habe immer solide gelebt, kaum Alkohol getrunken. Mit dem Rauchen habe ich 1972 aufgehört, weil es meine Mutter nicht leiden konnte“, verrät Elisabeth Rau ihr Altersrezept. „Dazu habe ich immer Sport getrieben, war eine gute Turnerin.“ So konnte am 2. April in der ältesten WG der Stadt der 100. Geburtstag gefeiert werden.

100 weiße Luftballons zum 100. Geburtstag. Ur-Urenkelin Lea (9), Tochter Sigrid (79), Jubilarin Elisabeth, Urenkelin Juliane (25), Enkelin Heike (48), Ur-Urenkel Luca (6), Julianes Mann Rocco (31), Kerstins Gatte Thomas (50) und Urenkel Dominik.