Start Simone Lang (SPD): "Ich bin die Kümmerin für das Erzgebirge"
Artikel von: Judith Hauße
14.08.2019

Simone Lang (SPD): “Ich bin die Kümmerin für das Erzgebirge”

Simone Lang (SPD) im Gespräch mit WochenENDspiegel-Redakteurin Judith Hauße. Foto:

Es wird eine Richtungswahl! Selten war der Gang zur Urne spannender, als er am 1. September sein wird. Bleibt die CDU stärkste Kraft in Sachsen? Wenn Ja, mit wem kann sie regieren? Wie stark wird die AfD, gewinnt sie vielleicht sogar? Was wird aus der schwächelnden SPD und den in Sachsen gegen den Trend eher schwachen Grünen? Gelingt in einem rot-rot-grünen Dreierbund ein Regierungswechsel? Welche Rolle wird die FDP einnehmen? Können die Freien Wähler wie in Bayern eine Rolle spielen?

Wer sich traut, darf für sich trommeln! Dieses Angebot macht der WocheENDspiegel sächsischen Landtagskandidaten. Sie beantworten kritische Fragen unserer Journalisten.

Heute: Simone Lang, SPD-Direktkandidatin für den Sächsischen Landtag im Wahlkreis 15 Erzgebirge 3. Die 48-jährige Krankenschwester sitzt seit 2014 für die SPD im Sächsischen Landtag und ist dort Sprecherin für Senioren, Gesundheitspolitik und Verbraucherschutz. Sie ist zudem die Vorsitzende der Erzgebirgs-SPD. Im Landtag setzt sie sich vor allem ein für eine bessere medizinische Versorgung auf dem Land, gute Schulen und Kitas, vernünftige Bus- und Bahnverbindungen sowie faire Löhne für gute Arbeit.

Hier geht es zum Trommelwirbel von Simone Lang (SPD):

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Einleitend eine Frage, die alle Genossen im Erzgebirge gestellt bekommen: Fühlen Sie sich eigentlich einsam?

Nö, gar nicht. Warum sollte ich?

Die SPD schwächelt in Deutschland und kränkelt in Sachsen. Aber im Erzgebirge ist sie doch tot, oder?

Ich halte uns ehrlich gesagt für recht lebendig. Neben mir gibt es im Erzgebirge noch vier weitere SPD-Direktkandidaten zur Landtagswahl am 1. September. Diese sind alle jünger als ich. Die SPD hat in den vergangenen 30 Jahren in der Politik im Erzgebirge durchaus Akzente gesetzt. Denken Sie nur mal an den Stadionbau in Aue: An der Frage, ob und wie das Erzgebirgsstadion saniert werden soll, zerbrach vor zwei Jahren die Zusammenarbeit zwischen SPD und Grünen im Kreistag – danach wurde das Stadion komplett saniert. Über diesen Erfolg freuen wir uns noch heute.

Außerdem habe ich in meiner ersten Legislaturperiode im Landtag seit 2014 Akzente aus erzgebirgischer Sicht setzen können – und Erfolge für meinen Heimatlandkreis erzielt. So hat die SPD in der Regierung zum Beispiel den elendigen Wasserpfennig in ganz Sachsen abgeschafft. Dadurch bekommen erneuerbare Energien ganz andere Bedeutung und die Akteure hier im Erzgebirge haben weniger Belastungen, neben den ganzen Instandhaltungen.

Und noch ein Beispiel, das mir besonders am Herzen liegt: Für den Bau des Hospizes in Erlabrunn habe ich fast 200.000 Euro in die Region geholt. In der Politik wird man zwar nicht dafür aus Dankbarkeit gewählt, was man in der Regierung erreicht hat, sondern für eine Vision, eine Zusage in der Zukunft. Dennoch gibt es auch im Erzgebirge Regionen, in denen unsere gute Arbeit belohnt wird. In Johanngeorgenstadt etwa hat die SPD bei der Kommunalwahl Ende Mai 33 Prozent bekommen. Wir Genossen können auch in abgelegen Gebieten richtig gut sein, wenn wir konzentriert zusammen vernünftige (Lokal-)Politik machen.

Woran liegt es, dass auf dem Land die Sozialdemokratie so eine unbedeutende Rolle spielt?

Ich habe doch gerade gezeigt, dass ich das komplett anders sehe als Sie. Wir werben für unsere Inhalte – unter anderem die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, die Gemeinschaftsschule zum längeren gemeinsamen Lernen für alle Schüler, die das wünschen, kostenfreie Kitas und Horte, ein modernes Vergabegesetz für faire Löhne in ganz Sachsen, ein zukunftsweisendes Energie- und Klimaprogramm, ebenso für eine bedarfsgerechte medizinische und pflegerische Versorgung, sowie eine sächsische Landesverkehrsgesellschaft für einen öffentlichen Personennahverkehr aus einer Hand. Dann können die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ob sie uns dafür ihre Stimme geben.

Sie setzen sich auch für den Bau neuer Lifte auf deutscher Seite am Fichtelberg ein. Haben Sie kein Mitleid mit Tierchen und Pflänzchen?

Doch, na klar. Ich habe auch selbst schon bei Arbeitseinsätzen an den Bergwiesen mitgeackert. Ich habe alle Umweltverbände zu Gesprächen eingeladen, damit wir die Interessen der Umwelt nicht gegen die wirtschaftlichen Interessen der Tourismusregion ausspielen – sondern damit diese beiden wichtigen Aspekte Hand in Hand gehen. Aber, und das habe ich auch immer klar gesagt, ich halte den Lift für absolut wichtig.

Oberwiesenthal ist ein Luftkur-und Wintersportort. Die ganze Region profitiert davon, dass im Winter Touristen hier Ski fahren und unter guten Bedingungen Sport treiben können. Der Lift lässt sich sicherlich gut in die natürliche Umgebung und ins Kurortkonzept integrieren, wenn man es clever anstellt. Kein Erzgebirger hat Interesse daran, die Natur zu belasten – denn diese ist unser Kapital, damit die Urlauber überhaupt hierher kommen. Aber wir müssen jetzt schleunigst große Schritte nach vorne machen, damit wir im europaweiten Vergleich nicht zurückgefallen. Es gibt nämlich nicht nur starke innerdeutsche Konkurrenz der Urlaubsregionen. Als Erzgebirge konkurrieren wir nicht nur mit der Sächsischen Schweiz, der Mecklenburger Seenplatte oder dem Bayerischen Wald – sondern eben auch mit Tirol und Osteuropa. Ich will mich dafür einsetzen, dass meine Heimat konkurrenzfähig bleiben kann.

In Oberwiesenthal gibt es sehr viele engagierte Menschen, die die Projekte immer im Einklang mit der Natur voranbringen. Seit Jahren setze ich mich für diesen Lift am Fichtelberg ein. Und ich werde mich auch weiter dafür einsetzen, dass sich der Fichtelberg in Zukunft positiv entwickelt – im Sommer wie im Winter. Der sächsische SPD-Chef und stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig hat uns als Tourismus- und Infrastrukturminister schon sehr geholfen, zu vermitteln und das Projekt voranzubringen.

Da werden Sie bei möglichen Koalitionsverhandlungen Probleme mit den GRÜNEN bekommen…

Das sehe ich anders. Denn die Entscheidung, ob der Lift gebaut wird, wird nicht im Landtag oder durch die nächste Landesregierung getroffen. Und zu Ihrer Anspielung bezüglich möglicher Koalitionen nach der Wahl: Das ist Kaffeesatzleserei. Niemand kann das Wahlergebnis seriös voraussagen. Ich habe bisher mit den Grünen immer gut zusammengearbeitet, auch wenn es bei einigen Positionen grundsätzliche gegensätzliche Ansichten gibt.  In Dresden habe ich meine Dienstwohnung im gleichen Mehrfamilienhaus wie Katja Meier, die Spitzenkandidatin der Grünen bei dieser Landtagswahl. Manchmal fahren wir zusammen in den Landtag, um Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schonen. Und im aktuellen sächsischen Doppelhaushalt für die Jahre 2019 und 2020 haben vor allem wir als SPD bei der CDU dafür geworben, den Grünen auch mal entgegenzukommen, wenn sie aus der Opposition gute Vorschläge gemacht haben. Was leider nicht so oft vorkam.

Sie sind Krankenschwester und Trauertherapeutin. Wie viel Zuspruch von sich selbst benötigen Sie, wenn Sie daran denken, dass man im Erzgebirge monatelang auf einen Facharzt-Termin warten muss? Oder besser: Wie wollen Sie das Problem Ärztemangel lösen?

Durch meine Expertise wurde ich senioren- und gesundheitspolitische Sprecherin in der SPD-Landtagsfraktion. Seit Jahren steh ich in sehr engem Kontakt mit dem Sächsischen Hausärzteverband. In mein Bürgerbüro in Schwarzenberg kommen ganz viele Menschen mit Anfragen zu Terminen bei Augen- oder anderen Fachärzten. Allen konnte ich mit meinem Team entweder direkt helfen oder zumindest Kontakte geben, an die sie sich wenden konnten. Ich kenne die Probleme und habe alles gegeben, sie zu lösen. Leider haben wir in Sachsen mit Barbara Klepsch von der CDU eine sehr schwache Gesundheitsministerin, die in den vergangenen fünf Jahren nichts Substanzielles hinbekommen hat. Das ist bedauerlich, aber man muss das mal ganz klar so sagen.

Nur ein Beispiel: Kurz vor der Wahl wollte die CDU noch in diesem Frühjahr eine Quote für Studienanfänger durchsetzen, die sogenannte Landarztquote. Dabei sollen junge Menschen bevorzugt einen Studienplatz für Medizin bekommen, wenn sie sich mit 19, 20 Jahren dazu verpflichten, am Ende ihres Studiums für mindestens zehn Jahre als Landarzt zu arbeiten. Mit Verlaub: Das kann nicht klappen. Denn wer jetzt das Studium anfängt, ist erst in elf Jahren ein fertig ausgebildeter Arzt. Und ob sich diese Person dann ausgerechnet für das Erzgebirge entscheidet, ist wirklich mehr als offen. Ich habe außerdem ein Problem damit, dass wir so junge Menschen bis zu ihrem 40. Lebensjahr in Haftung nehmen wollen. Das ist auch vor dem Grundgesetz schwierig, in dem das Recht auf freie Berufswahl zum Glück sehr hoch gehängt ist. Neben vielen Ärzten haben auch jetzige Medizinstudenten aus Dresden und Leipzig diese Idee kritisiert, weil sie eine Verwässerung der Lehre fürchten. Also hat die SPD da nicht mitgemacht. Dafür haben wir Kritik, aber auch viel Lob bekommen.

Wir brauchen in Sachsen viel schnellere und günstigere Lösungen. Die gibt es auch, wenn man sie will. Deshalb habe ich mit meinen Fraktionskollegen ein Strategiepapier geschrieben, wie es klappen kann. Darin machen wir viele sehr gute Vorsachläge, von denen das Gesundheitsministerium mittlerweile einige umsetzt.

Ich bin sehr viel in Krankenhäusern und Pflegeheimen im Erzgebirge unterwegs – ich weiß um die teils schwierige Situation. Man muss aber ehrlich sagen, dass wir uns keine Fachkräfte backen können. Es sind laut Statistik auch nicht genügend Kinder geboren worden. So haben wir im Erzgebirgskreis laut „Fachkräfteallianz“ pro Jahr 1500 Schulabgänger. 2005 waren das noch 3500. Diese Lücke bleibt, auch wenn die Geburtenzahlen in den nächsten Jahren steigen. Arbeitsminister Martin Dulig hat mit seinen Fachkräftestrategien ja schon versucht, zu helfen. Uns fällt auch auf die Füße, dass wir immer noch kein vernünftiges Einwanderungsgesetz in Deutschland haben. Von engagierten Fachkräften aus Südamerika oder Asien würden vor allem die ländlichen Regionen – und somit auch das Erzgebirge – profitieren. Gute Beispiele wie bei der AWO Vogtland gibt es genug.

Pflegeberufe müssen dringend mehr gewertschätzt und auch besser vergütet werden. Aber auch die Arbeitsbedingungen und das Umfeld, wie die familiäre Situation, muss mehr Beachtung finden. Dafür wirbt die SPD auch intensiv in der Bundesregierung. Es sind wunderschöne Berufe, in der öffentlichen Wahrnehmung dominieren derzeit aber die schwierigen Aspekte. So begeistert man nur wenige junge Menschen für diese tolle und wichtige Arbeit. Ich setze mich sehr dafür ein, das zu ändern, weil ich viele tolle Pflegekräfte im Hospiz, im Pflegeheim oder in der häuslichen Krankenpflege persönlich kenne. In der Arbeitsgemeinschaft im Gesundheitswesen (SPD), deren Vorsitzende ich bin, verleihen wir seit drei Jahren die Auszeichnung „Sachsen, deine besten Pflegekräfte“. Auch das hilft Wertschätzung und Anerkennung für diese Menschen, die täglich Enormes leisten, öffentlich zu machen.

In Ihrer letzten kleinen Anfrage an die Staatsregierung wollten Sie wissen, welche Fördermittel von 2014 bis 2018 in den Erzgebirgskreis flossen. Aufgeschlüsselt nach der Zuwendung, dem Fördergegenstand sowie dem Verein und der Institution. Zwei Seiten Fragen ergaben 119 eng beschriebene Seiten voller Zahlen und Tabellen mit Antworten. Was bezweckte diese Anfrage? Haben Sie die einzelnen Posten addiert?

Ich verstehe mich als Kümmerin und Herzmensch des Erzgebirge und dass von Anfang an. Ich wollte zum Ende der Legislatur wissen, wie genau der Erzgebirgskreis von unserer Landespolitik direkt profitiert. Auch, um das den Bürgerinnen und Bürgern noch besser erklären zu können. Es ist nämlich sehr viel passiert. Im Erzgebirge bekommen wir beispielsweise viel mehr Geld zurück, als die Bürgerinnen und Bürger hier erwirtschaften und als Steuern abgeben.

Durch die Liste wurde auch deutlich, für welche Projekte die Städte und Dörfer Geld beantragt haben – so wissen wir schon jetzt für künftige Haushaltverhandlungen, wofür Geld demnächst gebraucht wird. Es fällt nämlich auf, dass die Städte Geld meist für andere Projekte benötigen als die Dörfer. Die SPD setzt sich für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land ein. Als Landespolitiker müssen wir deshalb genau schauen, was vor Ort gebraucht wird.

Beispiele:

Fördermittel zur Rekonstruktion der Außenanlagen des Bertold- Brecht- Gymnasium Schwarzenberg  in Höhe von 132.641,20€.

Für Inklusion („Gelingende Inklusion statt Ausgrenzung“) ging an den Deutschen Kinderschutzbund Aue-Schwarzenberg, 2016- 19.200€ und  2018 16.000€.

Es gab Sportförderung für den FSV Rittersgrün,ua. für Sanitäreinrichtungen, Aufenthalt- und Versammlungsraum, Dach und Wärmedämmung, in 2017 waren es 50. 671,13€.

Der WSC Oberwiesenthal erhielt 2017- 8000€ für die Durchführung des FIS Sommer GrandPrix

Wir sind überzeugt, dass die Bürgermeister und Räte in den Dörfern und Städten selbst am besten wissen, wofür sie Geld vor Ort ausgeben sollten. Deshalb setzt sich die SPD wie niemand sonst dafür ein, den Orten mehr Geld aus dem Landeshaushalt pauschal, also ohne Zweckbindung, zu überweisen. Dieses wichtige Anliegen, dem sich die CDU lange gesperrt hat, konnten wir in der Regierung umsetzen.