Start Erzgebirge SN-CZ: Die neue Zauberformel für EU-Fördermittel
Artikel von: Sven Günther
07.01.2016

SN-CZ: Die neue Zauberformel für EU-Fördermittel

Sinnvolle Investition. In den Ausbau des Radnetzes im Erzgebirge flossen mehrere Millionen Euro Fördermittel Foto: Tourismusverband Erzgebirge

 

Von Sven Günther
Erzgebirge. Nachdem seit 2007 das Zauberwort „Ziel 3“ rund 207 Millionen Euro EU-Fördermittel aus Brüssel in die Kassen von Kommunen und Institutionen spülte, rund 200 Vorhaben finanziert wurden, beginnt jetzt eine neue Magie zu wirken: Unter dem Motto „SN-CZ“ stehen bis zum Jahr 2020 rund 186 Millionen Euro EU-Fördermittel bereit, ausgegeben zu werden.
Die ersten Projekte wurden im Dezember bestätigt. „Ich freue mich, dass die ersten Akteure dies- und jenseits der Grenze jetzt loslegen und das Kooperationsprogramm mit Leben füllen können“, sagte Staatsminister Thomas Schmidt. „Die genehmigten acht Projekte zeigen beispielhaft die guten Ideen der Menschen im Grenzraum für die gemeinsame Arbeit. Ich bin mir sicher, dass die neuen Vorhaben die Menschen aus Sachsen und Tschechien weiter zusammenführen und die Grenze noch mehr verschwinden lassen.“

So beschreibt das Ministerium die genehmigten Projekte

Bei dem Projekt der Gemeinden Breitenbrunn und Boží Dar soll ein gemeinsam zu nutzendes Feuerwehrdepot in Breitenbrunn gebaut werden. Die Feuerwehren der beiden Orte wollen außerdem unter anderem ein neues Tanklöschfahrzeug, einen neuen Mannschaftstransportwagen und ein Rettungsboot anschaffen. Das Projekt wird mit zwei Millionen Euro EU-Fördermittel gefördert.

Die Stadt Reichenbach (Oberlausitz) und der Ort Nový Oldrichov planen den Umbau eines Feuerwehrgerätehauses sowie die Anschaffung von zwei Mannschaftswagen, drei Tanklöschfahrzeugen und eines multifunktionalen Feuerwehrfahrzeuges. Erarbeitet werden soll ein Handbuch zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit in Notsituationen. Zu dem Projekt, das mit 1,8 Millionen Euro EU-Fördermittel unterstützt wird, gehören auch Sommercamps und Wettkämpfe für die Jugendfeuerwehren.

Die Gemeinde Hrensko und der Feuerwehrverein Ottendorf e. V. wollen für Notfälle in den Nationalparks der Sächsisch-Böhmischen Schweiz gerüstet sein und deshalb ein Transportfahrzeug, eine Motorspritze, spezielle Tragen und Bergrettungstechnik sowie ein Zelt für Evakuierungen anschaffen. Angedacht sind außerdem gemeinsame Übungen, Schulungen und öffentliche Veranstaltungen für Jugendliche. Die Vorhaben der Gemeinde und des Feuerwehrvereins werden mit 138.000 Euro EU-Fördermittel gefördert.

Um die Einführung fachübergreifender Verfahren für die Nutzung von Boden und Fels als Baugrund und Baumaterial geht es bei einem Bildungsprojekt, an dem sich die HTW Dresden, die Hochschule Zittau, die TU Liberec und die Karlsuniversität Prag beteiligen. Sächsische und tschechische Studenten werden gemeinsam Untersuchungen an Standorten in Sachsen und Tschechien durchführen und Lösungen erarbeiten, die auf einer neuen Internetplattform veröffentlicht werden. Das Projekt wird mit 1,5 Millionen Euro EU-Fördermittel gefördert.

Mit dem Vorhaben „Adelsschätze – Die Lust des Sammelns in Sachsen und Böhmen“ beabsichtigen die Schlösser Weesenstein und Decín, die Leidenschaft des Sammelns von Kunstgegenständen durch sächsische und böhmische Adelsfamilien der Allgemeinheit näher zu bringen. Mitarbeiter beider Schlösser wollen gemeinsam an der Rekonstruktion der ursprünglichen Schlosssammlungen und an der Restauration wertvoller Sammlungsstücke arbeiten. Mehrere Ausstellungen sollen die Attraktivität der beiden Kultureinrichtungen steigern und damit den sächsisch-böhmischen Grenzraumes als Tourismusregion weiter aufwerten. Dafür erhalten die Projektpartner eine Unterstützung in Höhe von 1,3 Millionen Euro. Mit einem ähnlichen Projekt hatten beide Schlösser in der letzten Förderperiode großen Erfolg.

Es drängen sich Fragen auf:  Geht im Freistaat ohne EU-Fördermittel gar nichts mehr? Sind Projekte tatsächlich förderungswürdig? Verlässt man sich zu sehr auf Brüssel? Hier die Antworten der Landespolitiker aus dem Erzgebirgskreis:

Thomas Colditz, Landtagsabgeordneter der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag aus Aue: “Es geht um die Unterstützung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, das Zusammenwachsen der europäischen Regionen, der Menschen und ich finde es gut, wenn dabei sinnvolle Projekte von der EU unterstützt werden.
Allerdings sehe ich mit Sorge, dass sich eine Fördermittelmentalität breit macht, und in vielen Fällen nur dann gebaut wird, wenn staatliche Mittel fließen. Vor dem Hintergrund, dass die Gelder der öffentlichen Hand in Zukunft nicht mehr so üppig vorhanden sein werden, ist das eine schlechte Entwicklung. Ich sehe auch, dass es durchaus Projekte gibt, die von der EU gefördert werden, obwohl sie fragwürdig sind. Es hat sich zu einem Wettbewerb entwickelt, so viel wie möglich Fördertöpfe anzugreifen und zu hoffen, dass die Anträge nicht bis zur letzten Konsequenz geprüft werden. Man sollte wirklich genauer hinschauen und sich auf die originären Aufgaben konzentrieren.”

Simone Lang, SPD-Landtagabgeordnete aus Schwarzenberg: ” “Ich sehe durchaus, dass es für viele Investitionen Fördermittel gibt. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass kaum noch Projekte rein privat finanziert werden. Zu den einzelnen Projekten kann ich nichts sagen, maße mir grundsätzlich nicht an, ohne genaue Informationen ein Urteil über bestimmt Projekte abzugeben.
Es gibt unzählige Initiativen und Vereine, die gar kein Geld aus Brüssel erhalten. Besonders kulturelle Förderung geschieht mit Unterstützung durch Kommunen und das Land. Dabei müssen die Vereine aber fast immer einen Eigenbeitrag leisten. Oft sind die Wirtschaftkraft einer Region und die Bereitschaft der Menschen, bei geringem Einkommen auch noch Mitgliedsbeiträge zu zahlen oder zu spenden, zu gering, um notwendige Initiativen zu finanzieren. Deshalb geht so etwas gar nicht ohne öffentliche Unterstützung. Viele dieser Aufgaben wurden früher von den Kommunen selbst mit bezahltem Personal wahrgenommen. Das war in Zeiten knapper Kassen immer weniger möglich. Das Ehrenamt und einige Hauptamtliche werden nun durch Förderung finanziert. Das ist sinnvoll, will man nicht riskieren, dass sich ganze Regionen endgültig entleeren.”

Carsten Hütter, Vize-Chef der sächsischen AfD und AfD-Landtagsabgeordneter aus Marienberg: “Natürlich ist es schön, wenn Projekte mit Fördermitteln unterstützt werden. Allerdings zeigen gerade die von der Staatsregierung genannten Beispiele, dass die EU längst zu einem bürokratischen Monster verkommen ist. Wenn Brüssel 1,5 Millionen Euro zahlt, dass Studenten Verfahren zur Nutzung von Boden und Fels als Baugrund und Baumaterial nahegebracht werden, ist das hanebüchen. Ich zweifele auch an der Sinnhaftigkeit von grenzüberschreitenden Projekten der gemeinsamen Feuerwehrarbeit, wenn zwischen den Gemeinden eine Stunde Fahrzeit liegt!
Die EU stellt bis 2020 rund 186 Millionen Euro für grenzübergreifen Projekte bereit. Geld, das zu einem großen Teil von deutschen Steuerzahlern stammt. Am Ende sind es also wir, die unsinnige Vorhaben, die von der EU abgesegnet werden, bezahlen müssen.”

Klaus Tischendorf, Landtagsabgeordneter und Kreisvorsitzender der Partei DIE LINKE: “Der Anteil von öffentlichen Investitionen ist viel geringer, als Investitionen, die von der Privatwirtschaft in den zurückliegenden Jahren erbracht wurden. Da genügt schon ein Blick auf die Gesamtinvestitionen an Werkhallen, Ausrüstungen, Maschinen usw. auf den Gewerbegebieten im Erzgebirgskreis. Ich kann nicht erkennen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen sich irgendwie nachteilig auf die Entwicklung in der Grenzregion auswirken. Ganz im Gegenteil. Ich finde solche Formen der Förderung mit Steuergeldern wesentlich sinnvoller, als beispielsweise die immer noch weitergehenden Millionenzahlung für die von der damaligen Sächsischen Staatsregierung zu verantwortenden Untergang der ehemaligen Sächsischen Landesbank.  Die vorgeschlagenen Anschaffungen dienen allen Bürgerinnen und Bürgern der Grenzregion. Immerhin müssen ja die zukünftigen Betriebskosten der geförderten Maßnahmen von den zukünftigen Träger aufgebracht werden.”

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