Raus aus der Nische!

Raus aus der Nische!

Sachsen Umweltminister Wolfram Günther will Bio und regional Lebensmittel systemrelevant machen

Region. Er ist ein Fan regionaler Produkte, kauft selbst am liebsten im Lebensmittelladen um die Ecke. Sachsen Landwirtschaftminister Wolfram Günther (BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN) gab dem WochenENDspiegel zum Thema „So schmeckt‘s Sachsen“ dieses Intervierw.

WOCHENENDSPIEGEL:
Es scheint, als ob das Thema Nachhaltigkeit und regionale Produkte immer größeren Raum einnimmt. Drückt sich das auch in Zahlen aus?


WOLFRAM GÜNTHER:
Definitiv ja. In der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach ökologischen und regionalen Lebensmitteln stark angestiegen. Das ist ja auch kein Wunder: Die Menschen waren mehr zu Hause, haben mehr selbst gekocht. In der Energiepreiskrise gab es einen leichten Dämpfer, der aber den Anstieg nur kurz gebremst hast. Unterm Strich haben wir es in dieser Legislatur geschafft, dass die Ökoflächen um mehr als 20 Prozent zugenommen haben. Und auch Nachfrage und Umsätze bei regionalen Produkten haben deutlich zugelegt.


WOCHENENDSPIEGEL:
Wir bieten Ihnen eine Plattform: Rühren Sie doch mal die Werbetrommel für die Dinge, die den Sachsen so gut schmecken.

WOLFRAM GÜNTHER:
Achtung, das braucht jetzt eine Weile wegen der großen Vielfalt, die wir haben. Traditionell liegen regionales Brot, Gemüse, Kartoffeln und Äpfel ganz weit vorn in der Gunst der Sächsinnen und Sachsen. In Nordsachsen gibt es eine Initiative aus Betrieben, die kümmert sich intensiv um Anbau und Vertrieb regionaler Erbsen und Zwiebeln. An vielen Orten in Sachsen wird sehr hochwertiges Rindfleisch aus Weidehaltung angeboten oder Schweine aus Strohhaltung. In der Initiative Ährenwort arbeiten regionale Landwirte, Mühlen und Bäckereien zusammen. Es gibt immer mehr regionale Hersteller von tollen Ölen, Aufstrichen, Konfitüren. Und da haben wir noch nicht über die traditionellen regionalen Spezialitäten gesprochen: Wein aus dem Elbtal, Fisch und Leinöl aus der Lausitz, Dresdner Stollen, Meißner Fummeln, Leipziger Lerchen, Quarkkeulchen, Buttermilchgetzen im Erzgebirge. Und diese Aufzählung ist mit Sicherheit nicht vollständig.

WOCHENENDSPIEGEL:
Konkret: Wie unterstützt Ihr Ministerium kleine Hersteller von Lebensmitteln in Sachsen?

WOLFRAM GÜNTHER:
Es gibt in Sachsen viele, hochengagierte Unternehmerinnen und Unternehmer in dem Bereich. Unser Fokus liegt darauf, Unternehmen für mehr regionale Erzeugung und Verarbeitung zu begeistern und zu unterstützen. Dafür brauchen wir die Kleinen wie die Großen. Und wir wollen es Küchen zum Beispiel in Krankenhäusern, Kantinen oder Schulen einfacher machen, mehr Bio und mehr Regionales auf den Tisch zu bringen. Das ist nicht mal unbedingt eine Frage der Preise, sondern hängt mit der Ausgestaltung von Ausschreibungen und der Beschaffungen zusammen. Da bieten wir konkrete Unterstützung an. Ansonsten: Wir fördern Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft zum Beispiel im Bereich der Absatzförderung und bei Investitionen in ihre Verarbeitung. Wir haben eine Förderung für Bio-Regio-Modellregionen an den Start gebracht, wir haben die Agentur AgiL gegründet, die Produzenten, Verarbeiter und Handel zusammenbringt, wir haben das sächsische Portal für regionale Lebensmittel deutlich erweitert, wir haben ein Kompetenzzentrum für Ökologische Landwirtschaft gegründet und wir haben das Thema in meinem Ministerium strategisch aufgestellt.

WOCHENENDSPIEGEL:
Was ist zu tun, um bei regionalen Lebensmitteln noch mehr voranzukommen?

WOLFRAM GÜNTHER:
Mein Ansatz ist es, Bio- und regionale Lebensmittel aus der Nische herauszuholen und systemrelevant zu machen. Denn dann bleibt mehr Geld bei den Produzenten und bei den Verarbeitern in der Region, das stärkt auch die ländlichen Räume.
Wie es geht, kann man sich sehr gut in Österreich oder Südtirol anschauen. Dafür braucht es vor allem mehr regionale Verarbeiter, also etwa Molkereien oder Schlachthöfe, auch damit nicht einzelne große Verarbeiter die Preise diktieren können.
Da sind in der Vergangenheit viele Weichen falsch gestellt worden. Wir sind dabei, das zu korrigieren. Wir haben zum Beispiel den Sächsischen Landesbauernverband beim Thema regionale Schlachtung unterstützt und fördern auch Investitionen in regionale Schlachthöfe.

WOCHENENDSPIEGEL:
Nachwuchsmangel gibt es auch in der Lebensmittelbranche und in der Landwirtschaft. Was tut die Staatsregierung?

WOLFRAM GÜNTHER:
Wir werben auf Messen und in den sozialen Medien für die Grünen Berufe, wir unterstützen die Nachwuchswerbung der Branche auch finanziell. Die beste Werbung ist es, wenn die jungen Menschen sehen: Das ist eine Zukunftsbranche. Und das ist sie ja auch. Immer mehr Menschen wollen wissen, wie ihre Lebensmittel produziert werden, sie wollen Ökologisches und Regionales. Indem wir das nach vorne bringen, bringen wir auch den Gedanken nach vorne: Eine Ausbildung hier lohnt sich.

WOCHENENDSPIEGEL:
Und Sie als Minister privat: Was tun Sie für die lokalen Produzenten?

WOLFRAM GÜNTHER:
Wir kaufen zu Hause so viel wie möglich regional und bioregional. Und bevor ich Minister wurde, habe ich mit ganz vielen Engagierten den Regionalmarkt in Rochlitz auf die Beine gestellt. Damals hieß es: In Rochlitz? Das kann doch nichts werden. Jetzt ist das ein Selbstläufer. An den Markttagen ist es voll auf dem Marktplatz.