Aus der Backstube in die Boxengasse und wieder zurück

Aus der Backstube in die Boxengasse und wieder zurück

Geschwindigkeit ist genau sein Ding. Motorsport und Benzingeruch ebenso. Aber eben auch der Duft von frisch gebackenem Brot und die Leidenschaft fürs Backen. Und so kam es, dass Bäckermeister und Konditormeister Marcel Weidenmüller aus dem Vogtland in die weite Welt zog und an den Rennstrecken dieser Welt die Fahrerlager mit Backwerk aus der sächsischen Heimat verwöhnte. Doch der Reihe nach. Marcel Weidenmüller ist Chef der Bäckerei und Konditorei Weidenmüller in Falkenstein. Das legendäre „Bäck am Eck“, wie es zu DDR-Zeiten hieß, befindet sich seit 1907 in Familienhand und setzt bis heute auf alte Familienrezepte und Rohstoffe aus der Region. Wie er zum Motorsport kam? Marcel erinnert sich: „2008 lernte ich jemanden kennen, der Kontakt zur Formel 1 hatte und mich dorthin bringen wollte. Damals arbeitete ich bei meinem Vater in der Bäckerei. Nachdem er mir seine Zustimmung gegeben hatte, ging es los.

Abenteuer Motorsport

Eine Woche später saß „Weidi“, wie ihn seine Freunde nennen, im Flieger. Nächster Halt: der Inselstaat Bahrain, gelegen in einer Bucht im Persischen Golf, östlich von Saudi-Arabien. Ungefähr 5.400 Kilometer von Falkenstein entfernt. Der neue Arbeitgeber: „Käfer Feinkost München“. Was mit einzelnen Jobs anfing, mündete 2010 in Saisonverträgen für Automobilhersteller. Ob Formel 1 oder Tourenwagen-Rennen – Marcel war mittendrin und völlig begeistert: „Mit Mitte zwanzig ist das natürlich großartig. Gerade noch war ich mit den Kumpels baden und im nächsten Moment verabschiedete ich mich in Richtung Airport München. Ab nach Abu Dhabi oder sonst wohin in die Welt. Das war schon etwas Besonderes.“

Ankommen in der Heimat: Das ist Glück

Und doch: Wo auch immer ihn sein Job hinführte, nach getaner Arbeit wollte Marcel immer wieder zurück ins Vogtland. Die vielen hundert Kilometer Autobahnfahrt zwischen Flughafen und seinem Zuhause hat er stets gern auf sich genommen: „Immer wenn ich das Ortseingangsschild von Falkenstein und meinen Kirchturm sehe, dann bin ich glücklich.“

Schließlich – nach acht Jahren aufreibender Weltbereisung – war die Faszination für den Motorsport denn auch der Erkenntnis gewichen, dass es „eben auch nur ein Job“ ist, ein sehr stressiger obendrein. Ein Beispiel: „Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans war eine absolute Katastrophe. Wir waren in Baucontainern direkt an der Strecke untergebracht. Schlafen oder nur kurz zu entspannen war dort nicht möglich.“

Auch das Leben aus dem Koffer wollte Marcel nicht mehr. Denn neben seiner Frau Nina warteten mittlerweile zu Hause im Vogtland auch zwei Kinder auf ihn. Der bevorstehende Renteneintritt der Eltern nahm ihm schließlich die Entscheidung ab: Familie und Bäckerei – das ist für ihn die Zukunft. Und so brachte er das „Bäck am Eck“ auf Vordermann und ist seit 2017 – dem 110-jährigen Firmenjubiläum – Chef der Bäckerei und Konditorei Weidenmüller. Von Montag bis Samstag strömt heute, wie damals, der frische Brötchenduft durch die Falkensteiner Straßen. An den Rennwochenenden ist Marcel Weidenmüller aber auch weiter mit dabei, aber eben von der heimischen Couch aus.

„Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt nichts.“

In die Zukunft blickt Marcel Weidenmüller trotz steigender Energiepreise positiv. „Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt überhaupt nichts. Ich versuche das Beste daraus zu machen.“, sagt der Bäckerchef in typisch sächsischer Manier.

Trotz gut laufender Geschäfte bleibe unterm Strich weniger übrig. Die neue Situation erfordert für alle ein Umdenken. Das spiegele sich auch im Kaufverhalten der Kunden wieder, so Weidenmüller. Große Geburtstagsbestellungen seien in der Backstube schon lange nicht mehr eingegangen. Die Kunden fragen nur das nach, was sie auch wirklich brauchen. Der Rest wird im Discounter gekauft. Und dennoch ist sich der Bäckermeister sicher: Das Handwerk wird sich immer durchsetzen. Bäckermeister, Fleischer, Tischler – sie alle werden nicht aussterben, weil sie für Qualität stehen und gebraucht werden. Und so blickt Marcel Weidenmüller voller Zuversicht in die Zukunft. (Quelle: „So geht sächsisch”)

Titelbild©: Marcel Weidenmüller