Start Mittelsachsen Steve Ittershagen (CDU): „Die AfD hat viele Themen und Positionen der CDU adaptiert."
Artikel von: Sven Günther
18.07.2019

Steve Ittershagen (CDU): „Die AfD hat viele Themen und Positionen der CDU adaptiert.”

Steve Ittershagen (CDU, li.) im Gespräch mit Wochenendspiegel-Chefredakteur Sven Günther. Fotos: Peter Kuckenburg

 

Trommeln für die Sachsenwahl mit Steve Ittershagen

Von Sven Günther
Region. Es wird eine Richtungswahl! Selten war der Gang zur Urne spannender, als er am 1. September sein wird. Bleibt die CDU stärkste Kraft in Sachsen? Wenn Ja, mit wem kann sie regieren? Wie stark wird die AfD, gewinnt sie vielleicht sogar? Was wird aus der schwächelnden SPD und den in Sachsen gegen den Trend eher schwachen Grünen? Gelingt in einem rot-rot-grünen Dreierbund ein Regierungswechsel? Welche Rolle wird die FDP einnehmen? Können die Freien Wähler wie in Bayern eine Rolle spielen?

Wer sich traut, darf für sich trommeln! Dieses Angebot macht der WocheENDspiegel sächsischen Landtagskandidaten. Sie beantworten kritische Fragen unserer Journalisten.

Heute: Steve Ittershagen, der CDU-Landtagsabgeordnete und -kandidat aus Freiberg, der im Wahlkreis Mittelsachen 2 (Freiberg) antritt. Ittershagen ist verheiratet, hat einen Sohn. Er studierte Politikwissenschaften und Geschichte, sitzt seit 2014 im Landtag.

Hier geht es zum Trommel-Wirbel von Steve Ittershagen

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Wie soll ich Sie nennen? Steve Ittershagen oder Steve Johannes Ittershagen? Wo kommt der zweite Vorname plötzlicher her?

Der zweite Name kommt von meiner Taufe im Jahr 2008. Dies war für mich ein Wendepunkt in meinem Leben. Den Namen Johannes habe ich mir bewusst gewählt – Paten hierfür waren zum einen Johannes der XXIII. – der große Reformpapst und Johannes Paul der II. – der Papst der Zeitenwende 1989/90.
Aber kurzum – Steve reicht!

Auf dem Titelfoto Ihres Wahlkreis-Magazins “Auf Achse” geben Sie sich auf der Titelseite als Drechsler, möchten damit Bodenständigkeit und ihr Herz für den Ländlichen Raum dokumentieren. Das Magazin lassen Sie aber in Leipzig gestalten, in Dresden drucken. Gab es niemand in Freiberg oder Mittelsachsen?

Also ich gebe mich nicht als Drechsler – ich drechsle seit meinem 12. Lebensjahr. Ich arbeite leidenschaftlich gern mit Holz – leider fehlt mir heute oft die Zeit.
Das ich mein Wahlkreismagazin beim Studio Lorenz in Leipzig drucken lasse, hat eher „historische“ Gründe. Noch vor Beginn meiner Landtagszeit hat mich Daniel Lorenz unterstützt, durch diese langjährige Bindung ist man eben eingespielt. Viele andere Produkte lassen wir übrigens in Freiberg und Umgebung herstellen.

 

Sie haben hauptberuflich nie etwas als Politik gemacht. Kritiker könnten das Foto für eine Fake-News halten, weil Sie sich als Drechsler darstellen, der Sie nicht sind…

Diese Feststellung ist nicht richtig! Bereits neben meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst absolviert und war seit 2000 nebenberuflich und seit 2005 hauptberuflich bei der Pressnitztalbahn GmbH in Jöhstadt beschäftigt – und bin es noch. Ich denke, 20 Jahre Erfahrung in einem Unternehmen sind ausreichend, um politisch agieren zu können. In Jöhstadt steht übrigens die Drechslerei meines Freundes Robert Weigel, wo das Bild entstanden ist. Hier darf ich drechseln, wenn es mich mal packt und ich die Zeit habe. Ich lade Sie herzlich ein, um sich das anzusehen oder mitzumachen.

Als gelernter Zerspanungsfacharbeiter mit Abitur, Rationalisierungsmittel-Bauer und seit über 25 Jahren bester Freund eines Drechslers sowie als Erzgebirger, nehme ich die Einladung gern an.
Aber weiter: Auf Seite 3 befassen Sie sich mit dem Haushalt. Motto: Den sächsischen Steuerzahlern etwas zurückgeben! Milliarden für Bildung. 525 neue Polizeibeamte. 3,66 Milliarden für die Infrastruktur (Straßen, ÖPNV, Internet), 2,21 Milliarden für Soziales. Alles Wohltaten der CDU, die trotzdem von 39,4 auf 26 Prozent abgestürzt ist. Haben Sie eine Erklärung?

Also zunächst sind dies keine „Wohltaten“ der CDU. Das ist von den Bürgern und Unternehmen erarbeitetes Steuergeld, welches durch die Koalition gezielt eingesetzt wird, um Sachsen nach vorne zu entwickeln. Zum Nutzen möglichst vieler Bürger.
Die sächsische Union trägt seit vielen Jahren Verantwortung für den Freistaat und seine Bürger. Da sind in der Vergangenheit auch Fehler gemacht worden, wo wir heute umsteuern müssen. Vieles hat sich gewandelt, ist unsicher geworden und unsere Bürger sind verunsichert. Wir brauchen eine Politik, die die Menschen mitnimmt, sie einstimmt auf Veränderungen und ehrlich sagt, was geht und was nicht geht. Dies gelingt der Sächsischen Union zunehmend seit dem Amtsantritt von Michael Kretschmer besser. Politik braucht Vertrauen und das muss sich die CDU wieder hart erarbeiten.

Vieles wird aber auch von den Entscheidungen der „Berliner Politik“ überlagert – auch dies trägt zu einem gewissen Unmut in der sächsischen Bevölkerung bei. Die Lage in Berlin ist gelinde gesagt unübersichtlich – ein klarer Kurs fehlt. Dies trifft besonders auf die Themen Asyl- und Klimapolitik zu. Solange da keine Klarheit herrscht, solange wird sich dies auch auf Sachsen und die Menschen übertragen.

Die Freiberger CDU hat massiv den Rücktritt von Angela Merkel gefordert. Wäre es für Sachsen besser gewesen, Ihre Forderungen wären erhört worden?

Das war 2017 nach der Bundestagswahl und – ja – ich bin der Überzeugung, wir hätten in Deutschland zu diesem Zeitpunkt einen politischen Neustart gebraucht. Das Wahlergebnis 2017 hatte ja Ursachen – diese hätten sofort umfassend analysiert werden müssen. Politische und personelle Entscheidungen hätten getroffen werden müssen. Im Bund war nichts davon zu spüren. Niemand hatte das Rückgrat, die Verantwortung zu übernehmen. Anders als in Sachsen übrigens. Als einziger Politiker in ganz Deutschland übernahm Stanislaw Tillich persönlich Verantwortung und trat als Ministerpräsident zurück. Das ist verantwortliches politisches Handeln.

Für Ihre Freiberger Thesen gab es heftige Kritik vom linken Flügel der CDU. Vorwurf: Sie würden in vielen Punkten AfD-Positionen vertreten? Stimmt das?

Nein, das ist nicht meine Meinung. Das Gegenteil ist der Fall. Die AfD hat viele Themen und Positionen der CDU adaptiert. Viele AfD-Positionen von heute waren einst unumstrittene politische Positionen der Gesamt-CDU. Selbst Angela Merkel hat sich lange entschieden gegen Asylmissbrauch und Masseneinwanderung ausgesprochen. Das gleiche gilt auch für die Themen Euro, Ehe für Alle, Kernkraft, Energie- und Klimapolitik etc… Alles Themen, die in einer Volkspartei kontrovers diskutiert werden. Ich verstehe Politik nicht so, dass Politiker den Bürgern vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Ich verstehe Politik als die Aufgabe, die Meinungen und Vorstellungen der Bürger zu verstehen, zu bündeln und politisch umzusetzen. Es geht um das gemeinsame miteinander Wirken! Und das macht die Freiberger CDU hier an der Basis.

Was antworten Sie Kritikern die sagen: Die CDU regiert seit Jahren als stärkste Partei von Berlin bis Sachsen durch. Dass Polizisten, Lehrer, Ärzte, Pflegekräfte und Glasfaser-Anschlüsse fehlen, liegt an den regierenden Christdemokraten!

Also vom „Durchregieren“ kann keine Rede sein. Wer dies behauptet, hat vom politischen System keine Ahnung. Politik braucht immer Mehrheiten. Die müssen erst einmal gefunden werden. Jedes Gesetz, jede Maßnahme ist innerhalb einer Koalition mühsam errungen. Dies macht ja den politischen Prozess oft sehr langsam und unverständlich. Und hat man eine gemeinsame Lösung errungen, kommt noch der Bundesrat hinzu, wo eine andere politische Konstellation vorherrscht. Hier muss wiederum in einem mühevollen Vermittlungsverfahren ein Kompromiss erarbeitet werden. Deutlich wird dies beispielsweise besonders bei der Asylpolitik. Also vom Durchregieren sind wir weit entfernt.

Aber: Es stimmt, es wurden auch Fehler in der Vergangenheit gemacht. Zum einen, weil man nicht in der Lage war, bestimmte Entwicklungen zu überblicken. Zum anderen ist man von anderen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ausgegangen. Die angesprochenen Punkte sind ja nicht nur in Sachsen ein Problem, sondern in ganz Deutschland.
So fehlen etwa 40.000 Lehrer in der Bundesrepublik, auch das Thema Ärztemangel und Pflegepersonal finden sie in ganz Deutschland als Problem vor. Besonders ist der Unterschied zwischen Stadt und Land zu benennen – fast überall fehlen Leute. Und da rede ich noch nicht von der Wirtschaft. Überall können Stellen nicht besetzt werden, weil schlicht die Menschen nicht da sind. Für den Sächsischen Mittelstand ist so eine Situation äußerst gefährlich.
Wir steuern in Sachsen gegen diese Entwicklung. Mit vielen Maßnahmen stärken wir den Ländlichen Raum aber auch die Städte. Wir verbessern die Rahmenbedingungen dahingehend, dass Familien in Sachsen gut leben können und ehemalige Sachsen den weg in ihre alte Heimat zurückfinden.

Eine Frage zum ÖPNV. Wieso schaffen Sie es nicht, ein KOSTENLOSES Azubi-Ticket anzubieten? Sie sind doch die Regierung! Wieso weisen Sie so etwas nicht einfach an? Das Rauchverbot in Gaststätten wurde ja auch eingeführt, ohne Wirte und Gäste zu befragen!

Ich vertrete eine andere Position. Ich bin der Meinung, bevor ich ein Ticket verteile, muss erst mal das Angebot stimmen. Ohne Busverbindung nützt mir das Ticket nichts. Der ÖPNV/SPNV wird durch den Bund und durch den Freistaat ca. 70 Prozent gefördert. Da ist der Ticketpreis relativ kleiner Anteil, der zur Kostendeckung dient. Am Ende muss ja auch der Busfahrer bezahlt und der Bus angeschafft werden. Ein kostenloses Azubi-Ticket würde bedeuten, dass wir entweder bei den Investitionen einsparen müssen oder die Steuern erhöhen.

Hier finden Sie die Interviews mit

Dr. Jana Pinka (DIE LINKE)

Philipp Hartewig (FDP)

Peter Wilhelm Patt (CDU)

Gerald Otto (CDU)

Jörg Vieweg (SPD)

Rico Gebhardt (DIE LINKE)

Tino Günther (FDP)