Start Susanne Schaper: "Die AfD verarscht die Menschen hinten und vorne"
Artikel von: Sven Günther
21.02.2024

Susanne Schaper: “Die AfD verarscht die Menschen hinten und vorne”

Auf einem Landesparteitag der sächsischen Linken im November 2023 wurde Susann Schaper mit Stefan Hartmann zum Spitzenduo für die Landtagswahlen in Sachsen 2024 gewählt. Foto: Steve Conrad
Auf einem Landesparteitag der sächsischen Linken im November 2023 wurde Susanne Schaper mit Stefan Hartmann zum Spitzenduo für die Landtagswahlen in Sachsen 2024 gewählt. Foto: Steve Conrad

Welches Problem hat DIE LINKE, Frau Schaper?

Region. Sie ist Chemnitzerin, sitzt seit 2009 im Stadt- und seit 2014 im Landtag. Die politische Karriere von Susanne Schaper ist lang. 1994 trat die 46-Jährige in die PDS ein. Inzwischen ist die dreifache Mutter und gelernte Krankenschwester Chefin der Partei DIE LINKE in Sachsen, kämpft um ein gutes Wahlergebnis.

Interview mit Susanne Schaper

Der WochenENDspiegel stellt führenden Politiker der Parteien zum Auftakt ins Wahljahr kritische Fragen. Nach CDU-Generalsekretär Alexander Dierks folgte Sabine Zimmermann, die in Sachsen für das Bündnis Sahra Wagenknecht federführend ist. Anschließend antwortete Jörg Urban, der Chef der sächsischen AfD. Heute lesen Sie das Interview mit Susanne Schaper.

WOCHENENDSPIEGEL:
In meiner Schulzeit sang ich knabenstimmig: „Die Fahne ist niemals gefallen, so oft auch ihr Träger fiel…“
50 Jahre später stelle ich fest: Texter Helmut Hauptmann scheint recht gehabt zu haben: DIE LINKE ist als Träger gefallen und die „Arbeiterfahne, die Vater trug in der Not“, weht in Sahras Fäusten weiter. Wie konnte das passieren oder irre ich mich?

SUSANNE SCHAPER:
Sie irren sich. DIE LINKE hält die Fahne weiter hoch – ob in den Parlamenten oder auf der Straße. Schauen Sie doch in den Landtag: Wer setzt sich denn dort für gute Löhne, für Krankenhäuser oder für die sächsische Industrie ein? Die Regierung ist es nicht, die kriegt vor lauter Streit ja nicht mal einen Nagel in die Wand geschlagen.

Schaper: Die AfD kann nur Gebrüll

Susanne Schaper weiter: Und auch die AfD hält nichts, was sie verspricht: Wenn man genauer hinschaut, ist das Einzige, was die können, Gebrüll.
Keine Fraktion hat im Landtag mehr Anträge eingebracht als wir. Und landesweit sind wir in den Kommunalparlamenten aktiv und sorgen für Verbesserungen für die Menschen.
Wir stellen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Oberbürgermeister. Wir regieren in drei Bundesländern mit. In unseren Büros sind wir erreichbar, die Leute können Hilfe bekommen, wir machen Sozialberatungen – wir sind für die Menschen da.
Zu glauben, wir seien weg vom Fenster, nur weil es gerade viel Geschrei um irgendwelche Parteineugründungen gibt, wäre eine Fehlannahme.
Ich verspreche Ihnen: DIE LINKE wird auch im nächsten sächsischen Landtag die Fahne hochhalten und für ein gerechtes und friedliches Sachsen kämpfen.

Warum sind sie in Sachsen so schwach, Frau Schaper?

WOCHENENDSPIEGEL:
Offensichtlich gibt es ein spezielles Problem der LINKEN in Sachsen. Nach den letzten Umfragen bekommt Ihre Partei in Sachsen vier, in Thüringen 17 Prozent. Haben Sie dafür eine Erklärung?

SUSANNE SCHAPER:
Zunächst: Wahlumfragen sind keine Wahlergebnisse, die gibt es erst am Wahltag. Vor wenigen Wochen standen wir bei anderen Umfrageinstituten bei acht Prozent und die SPD bei drei Prozent. Jetzt ist es andersherum – das zeigt, dass man diese Zahlen mit Vorsicht genießen sollte.
Klar ist aber auch: In Thüringen haben die Menschen bei den letzten Wahlen stärker DIE LINKE gewählt. Dort stellen wir aber auch mit Bodo Ramelow einen sehr erfolgreichen Ministerpräsidenten. Die Thüringerinnen und Thüringer sehen, was es ihnen bringt, DIE LINKE zu wählen und tun es deshalb auch.
So ist es übrigens zum Beispiel auch in Bremen, wo wir erfolgreiche Wirtschafts- und Gesundheitssenatorinnen stellen.
Unsere Aufgabe wird in den kommenden Monaten sein, auch den Sächsinnen und Sachsen zu zeigen, wie eine linke Opposition im Landtag ihnen ganz konkret etwas für ihr Leben bringt. Zum Beispiel, dass am Ende des Monats mehr im Geldbeutel übrig ist – weil wir die Regierung dazu gebracht haben, endlich konsequenter gegen die wahnsinnigen Mietsteigerungen vorzugehen.

1.200 Anfragen von Susanne Schaper

WOCHENENDSPIEGEL:
Sie sind in den Medien präsent, werden oft zitiert, haben fast 1.200 kleine Anfragen an die Landesregierung gestellt. Warum schlägt sich dieses Engagement nicht in der Wählergunst nieder?

SUSANNE SCHAPER:
Das werden wir am 1. September sehen, ob sich das in Wählergunst niederschlägt. Als Opposition ist es immer schwieriger zu zeigen, was man erreicht hat.
Die Menschen wollen ja konkret wissen: Was habt ihr für uns getan? Was ist durch euch für mich besser geworden?
Wir müssen dann erklären, was die Regierung ohne uns alles gemacht oder nicht gemacht hätte.
Beim Thema Bildung hat sie zum Beispiel vieles nur getan, weil wir Druck gemacht haben: Gemeinschaftsschulen oder dass die Schulen Budgets für externes Personal haben, um Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten.
Wenn Sie die Regierung fragen, werden die das natürlich als ihren Erfolg verkaufen. Aber in Wahrheit waren es unsere Vorschläge, die sie übernommen haben.
Wir müssen als Linke besser darin werden, zu sagen: Schaut mal, das haben wir gemacht. Ich glaube, wenn wir in den nächsten Monaten genau das zeigen, dann werden wir viele Sächsinnen und Sachsen überzeugen können, uns zu wählen.

Was halten Sie vom Gender-Sternchen, Frau Schaper?

WOCHENENDSPIEGEL:
Kritiker und Abtrünnige werfen Ihrer Partei vor, sich zu sehr mit Gender-Sternchen, Klimapolitik oder Work-Life-Balance zu beschäftigen. Themen, die für die Arbeiterklasse eher nebensächlich sind. Was entgegnen Sie?

SUSANNE SCHAPER:
Die, die sich am meisten mit dem Gendern beschäftigen, sind die, die dagegen sind. Schauen Sie mal auf unsere Anträge: Kein einziger Antrag zum Gendern. Dafür über 400 zu wichtigen Themen wie Löhne, Bildung, Gesundheit, Armut, Wohnen, Klimaschutz, Verkehr und Wirtschaft.

Ich kämpfe zum Beispiel ganz persönlich seit Jahren dafür, dass Menschen in Sachsen nicht quer durchs Land fahren müssen, nur um zu einem Arzt zu kommen. Das ist ja kaum eine Nebensächlichkeit. Und ohne DIE LINKE, die da immer wieder nachgebohrt hat, wäre die Lage in dem Bereich heute viel schlimmer – so viel steht fest.

Dass wir uns nicht um die wichtigen Themen kümmern würden, ist also schlichtweg eine Lüge. Aber dass schlecht übereinander geredet wird, gehört nun mal leider zur Politik…
Wir hatten als Linke nur lange Zeit das besondere Problem, dass auch einige unserer eigenen Mitglieder schlecht über uns geredet haben. Damit ist aber jetzt Schluss.

Schaper: Schlechte Politik macht die AfD stark

WOCHENENDSPIEGEL:
2009 wurde DIE LINKE von 20,6 Prozent der Sachsen gewählt, die AfD gab es nicht.
2014 waren es noch 18,9 Prozent, die AfD holte 9,7 Prozent.
2019 entschieden sich nur noch 10,4 Prozent der Sachsen für Ihre Partei, 27,5 Prozent für die AfD.
Dies könnte in der These münden, dass ehemalige LINKE Wähler jetzt dafür sorgen, dass die RECHTE AfD stark ist. Unterschreiben Sie das?

SUSANNE SCHAPER:
Nein, das würde ich so nicht unterschreiben. Natürlich sind unter denen, die jetzt AfD wählen, auch Menschen, die früher DIE LINKE gewählt haben.
Aber ebenso solche, die früher CDU oder SPD gewählt haben. Am Ende ist es vor allem schlechte Politik, die die AfD stark macht.
Die CDU regiert in Sachsen seit über 30 Jahren als wäre es ihr Königreich. Sie hat Sachsen zum Billiglohnland gemacht, die Infrastruktur kaputtgespart und wundert sich jetzt, warum die Menschen wütend sind.

Und die Menschen fragen natürlich zurecht: Was habt ihr dagegen gemacht? Wir haben nicht deutlich genug gezeigt, was wir über die Jahre alles verhindert und verbessert haben.
Und gleichzeitig verarscht die AfD die Menschen hinten und vorne. Jetzt stellt sie sich hinter die Bauern, aber eigentlich will sie alle Subventionen abschaffen. Am Ende ist sie nämlich nur eine schlimmere CDU – mit mehr Marktradikalität plus einer dicken Portion Faschismus.

Susanne Schaper: Menschen, nicht Profite!

WOCHENENDSPIEGEL:
Ihnen bleibt wenig Zeit, die Stimmung in Sachsen nach links zu kippen. Mit welchen Schwerpunkten wollen Sie das schaffen? Die Aspekte „Bürokratie-Abbau“, „bessere Infrastruktur on- und offline“, „Mehr Personal in Kitas, Schulen und bei der Polizei“ und „Mehr Fachkräfte“ gelten nur, wenn Sie andere Ansätze als die anderen Parteien haben.

SUSANNE SCHAPER:
Uns unterscheidet von den anderen Parteien, dass wir die Menschen in den Mittelpunkt stellen – und nicht die Profite.
Das gilt zum Beispiel ganz konkret für die Krankenhäuser: Wie absurd ist es denn, dass Konzerne mit der Gesundheit Gewinne machen dürfen? Mit ihrem Krankenkassenbeitrag bezahlen die Menschen die Dividenden der Aktionäre.
Wir sind die einzige Partei, die die Logik der Gewinnmaximierung beenden will. Stellen Sie sich also mal einen Landtag ohne DIE LINKE vor: Die Lobbyisten würde es freuen. Ich denke, das ist Argument genug, um uns zu wählen.