Start Susanne Schaper (Die Linke): "Gesundheit ist keine Ware"
Artikel von: Judith Hauße
14.08.2019

Susanne Schaper (Die Linke): “Gesundheit ist keine Ware”

Susanne Schaper (Die Linke) im Gespräch mit WochenENDspiegel-Redakteurin Judith Hauße. Fotos (2): Robin Rottloff

Es wird eine Richtungswahl! Selten war der Gang zur Urne spannender, als er am 1. September sein wird. Bleibt die CDU stärkste Kraft in Sachsen? Wenn Ja, mit wem kann sie regieren? Wie stark wird die AfD, gewinnt sie vielleicht sogar? Was wird aus der schwächelnden SPD und den in Sachsen gegen den Trend eher schwachen Grünen? Gelingt in einem rot-rot-grünen Dreierbund ein Regierungswechsel? Welche Rolle wird die FDP einnehmen? Können die Freien Wähler wie in Bayern eine Rolle spielen?

Wer sich traut, darf für sich trommeln! Dieses Angebot macht der WocheENDspiegel sächsischen Landtagskandidaten. Sie beantworten kritische Fragen unserer Journalisten.

Heute: Susanne Schaper (Die Linke), Direktkandidatin der Partei Die Linke. Sie tritt für den Sächsischen Landtag im Wahlkreis 11, Chemnitz 2 an. Die 41-jährige Chemnitzerin arbeitet als examinierte Krankenschwester und Diplom-Pflegewirtin (FH).

Hier geht es zum Trommelwirbel von Susanne Schaper:

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Sie treten mit dem Motto: “Gesundheit ist keine Ware” zur Landtagswahl an. Glauben Sie, eine Verstaatlichung des Gesundheitswesens würde das System besser machen?

Wenn’s Not tut, braucht es dieser. Alles was zur Daseinsvorsorge gehört, darf kein Spielball marktwirtschaftlicher Interessen sein. Die zunehmenden Probleme im Gesundheitswesen zeigen das ja auch ganz deutlich. Angefangen vom Ärztemangel bis hin zum Pflegenotstand sind diese Probleme einzig der Tatsache geschuldet, dass man angenommen hat, der Markt würde das wie von unsichtbarer Hand schon regeln. Im Kapitalismus sind aber privatwirtschaftliche Unternehmen vor allem daran interessiert, Gewinn zu maximieren. Das erreicht man, in dem man Kosten senkt. Eine solche Prioritätensetzung kann nie im Sinne der Pflegebedürftigen oder Patienten sein. Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang auch, dass gesetzliche Pflichtbeiträge aus den Sozialversicherungen in Form von Gewinnen in den Taschen von Privaten landen. Dabei müsste es vor allem um eine bestmögliche medizinische Versorgung gehen. Der Regulierungsgedanke im Gesundheits- und Sozialwesen geht übrigens schon auf Otto von Bismarck zurück.

Erst das Gesundheitssystem, dann die Banken, dann die Firmen – dann Sozialismus?

Strapazieren wir mal nicht die Ideologie. Die Daseinsvorsorge, die als Begriff die staatliche Aufgabe zur Bereitstellung aller für ein menschliches Dasein als notwendig erachteten Güter und Dienstleistungen beschreibt, ist in dieser Republik auf Grund des im Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes verankerten Sozialstaatsprinzips geschuldet. Dazu zählen neben Verkehrs- und Beförderungswesen, Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, Feuerwehr etc. Mit Vorrang auch alle Einrichtungen, die eine wirksame medizinische Betreuung für jede und jeden gewährleisten. Hier hat der Staat zumindest bedeutende steuernde Aufgaben und wenn das nicht reicht, lässt wiederum das Grundgesetz – siehe Artikel 15 in Verbindung mit Artikel 14 Absatz 3 – die Überführung in Gemeineigentum oder andere Formen der Gemeinwirtschaft ausdrücklich zu. Wenn Sie meinen, dass das Sozialismus ist – Okay!

Sind Sie wirklich der Meinung, Politiker seien die besseren Unternehmer?

Darum geht es nicht. Die Aufgaben funktionierender Daseinsfürsorge, hier im medizinischen Bereich, obliegen doch nicht Politikern, sondern der öffentlichen Hand und eigens hierzu beschäftigten spezialisierten Behördenbereichen. Der Dienst am Patienten kann dann natürlich ohne Weiteres auch Privatärzten obliegen, in einem Abrechnungssystem, das nicht an der Rentabilität sondern am Patientenwohl orientiert ist.

Wie würden SIE Ärzte dazu bringen, eine Praxis auf dem Land zu eröffnen?

Man muss zum einen die Infrastruktur auf dem Land wieder verbessern. Das heißt, Kitas und Schulen und nach Möglichkeit auch eine Verdienstmöglichkeit für den Lebenspartner des Arztes. Das dauert aber. Daher muss man jetzt dafür sorgen, dass sich eine Praxis auf dem Land auch lohnt. Das ginge über höhere Fallpauschalen und die bessere Vergütung von Fahrten bei Hausbesuchen. Auf dem Land legt man dazu ja ganz andere Strecken zurück als in der Großstadt. Und man muss schauen, wie man das unternehmerische Risiko und den bürokratischen Aufwand allgemein minimiert. Dabei spielt beispielsweise auch die Digitalisierung bzw. die telemedizinische Behandlung künftig eine Rolle. Vorausgesetzt, Sachsen verfügt dann flächendeckend über vernünftige Breitbandverbindungen. Art und Gegenstand der medizinischen Symptomatik lässt es zu, dass sich Patient und Arzt auf elektronischem Wege austauschen.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die LINKE nach aktuellen Umfragen nicht mehr politische Kraft Nr. 2 ist? Sind sie zu brav geworden oder nicht mehr populistisch genug?

Gute Frage. Ich denke, das hat zwei hauptsächliche Gründe: Zum einen werden wir tatsächlich nicht mehr als Protestpartei, als unverzichtbares soziales, meinetwegen auch sozialistisches, Korrektiv in diesem Gesellschaftssystem wahrgenommen. Das mag auch daran liegen, dass wir in den letzten Jahren ab und an zu staatstragend daherkommen.

Zum anderen haben wir es vielleicht nicht immer hinreichend verstanden, landauf, landab klarzumachen, um wie viel unsozialer, ungerechter und noch gespaltener dieses Land wäre, hätte sich nicht DIE LINKE oder die PDS als ihre Vorgängerpartei in 30 Jahren Opposition ins Zeug gelegt. Viele Veränderungen beginnen mit Opposition. Ich bin mir allerdings auch sicher, dass DIE LINKE, würden sie die Menschen in diesem Land in eine Mitverantwortung für Regierungspolitik wählen, Sachsen guttäte.

Ihre Partei setzt große Hoffnungen in Sie. So glaubt man, dass Sie Ihren Wahlkreis direkt gewinnen. Immerhin gegen den CDU-Generalsekretär Alexander Dierks. Wie stark empfinden Sie den Druck?

Ambitionen zu haben, gehört sich für eine Politikerin, einen Politiker. Ich glaube schon, eine auch beruflich untersetzte, verinnerlichte soziale Kompetenz in die Waagschale werfen zu können und ein erhebliches Maß an Erfahrungen, das ich in den vergangenen fünf Jahren Landespolitik hinzugewonnen habe. Das mit dem “original sozial” passt schon und ich hoffe, dass die Wählerinnen und Wähler das honorieren und mir vielleicht auch ein zuweilen loses Mundwerk nachsehen.

Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie 651 Kleine Anfragen an die Landesregierung gestellt. Angefangen über die Lage der Stadt-Tauben, über Krebsregister, Mammografie, Grillplätze, Lottoeinnahmen, Erbschaften, Engpässe bei Impfstoffen, Medikamenten-Importe, Ärzte bis hin zum Illegalen Handel mit Hundewelpen. Pro Monat mehr als zehn Anfragen. Sind sie neugierig oder wollen Sie die Regierung ärgern?

Das Fragerecht der Abgeordneten, das deshalb ausdrücklich in der Sächsischen Verfassung verankert ist, ist eine Art Hauptwaffe der bzw. des Abgeordneten, um seine verfassungsmäßige Verpflichtung zur Kontrolle der Regierung wahrzunehmen. Dass es vor allem Abgeordnete der Opposition nutzen, hängt damit zusammen, dass diese auf anderem Wege keinen hinreichenden Zugang zu Regierungswissen haben, das eben nicht selten “Machtwissen” ist. Ich habe mein Fragerecht auf meine drei Sprecherbereiche Soziales, Gesundheit und Tierschutz konzentriert. Das sind sehr facettenreiche und komplexe Felder. Die Antworten der Staatsregierung haben mir nicht selten Ansätze für weitergehende parlamentarische Initiativen geliefert. Zudem sind derartige Anfragen auch ein gutes Mittel, um die Öffentlichkeit für bestimmte Themen zu interessieren und Missstände aufzudecken. Die Antworten sind für die Öffentlichkeit zugänglich und sicher auch nicht immer ganz uninteressant, zumindest wenn ich das Feedback aus den letzten fünf Jahren richtig deute.