Start Thomy: Nicht möglich
Artikel von: Redaktion
26.07.2016

Thomy: Nicht möglich

Der alte Goethe lässt im „Faust“ einen Bürger räsonieren: „Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen / Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, / Wenn hinten, weit, in der Türkei, /Die Völker aufeinander schlagen. /Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus /Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; / Dann kehrt man abends froh nach Haus, /Und segnet Fried und Friedenszeiten.“ Fürwahr: das waren noch glückliche Zeiten.

Inzwischen ist die Türkei ganz nah an Deutschland herangerückt. Der jüngste komische Putsch hat viele Menschenleben gekostet. Die Wiedereinführung der Todesstrafe droht und die nun stattfindenden „Säuberungen“ werden den hauchdünnen demokratischen Lack von Osmanien wegätzen. Damit gibt es innerhalb der NATO einen Staat mit einer – anlassbezogen vorsichtig formuliert – starken Tendenz zur Diktatur.

Außerdem ist die Türkei nach der Republik Frankreich der zweite Staat innerhalb des westlichen Werte- und Verteidigungsbündnisses, in dem inzwischen der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. Die Hoffnung auf die zeitnahe Wiederherstellung normaler Verhältnisse in diesen Ländern ist leider klein. Größer ist die Angst vor ähnlichen Verhältnissen in weiteren Staaten.

Können wir uns wirklich sicher sein, dass dies bei uns nicht möglich wäre? Sind wir uns wirklich ganz sicher, dass in den Tiefen der europäischen Vertragswerke irgendwo ein Passus zu finden ist, nach dem die Einführung der Todesstrafe unter bestimmten Voraussetzungen auch im nichttürkischen Europa möglich wäre?

Ich trinke in Gedenken an den alten Goethe mein Gläschen Wein – aber sicher bin ich mir nicht.

Schönes wochenende, wünscht thomy