Start Zwickau "Verspielt" der Landkreis hier Geld?
Artikel von: Redaktion
12.05.2017

“Verspielt” der Landkreis hier Geld?

In der Pestalozzioberschule in Pölbitz lernen Kinder aus 28 Nationen. Seit diesem Schuljahr gibt es daher zwei Schulsozialarbeiter. Eine Fachkraft ist Lisa-Marie Ay (4.v.l.). Sie hat ein großes Vertrauensverhältnis zu den Schülern aufgebaut. Foto: Alice Jagals

Landkreis/ Sachsen. Der Landkreis steht unter Zeitdruck. Der Grund: Wenn er noch 660.000 Euro für das kommende Schuljahr, bestimmt für den Zeitraum bis Dezember 2017, an Förderung für Schulsozialarbeit geltend machen will, muss er diese schnell beantragen. Und zwar am besten schon vor dem 30. April. Nun gab es einen Aufschub zum 30. Mai. Doch warum der Landkreis, allen voran Landrat Christoph Scheurer, ein Zeitproblem hat, das verstehen vor allem die Leute aus der Praxis nicht.

Rückblick
In der Haushaltsdiskussion 2017 im Kreistag stimmten die Kreisräte im Dezember 2016 für den Antrag von SPD und Grüne, an allen staatlichen Grund-, Ober-, Förder- und Berufsschulen Schulsozialarbeiter im Landkreis Zwickau einzustellen. Das Konzept  der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit sieht vor, 15 Millionen Euro jährlich für die sächsischen Schulen bereitzustellen. Für den Zeitraum August bis Dezember dieses Jahres wären es für den Landkreis die besagten 660.000 Euro. Die Landkreise und Kommunen würden somit von einer 80- bis 90-prozentigen Förderung profitieren. Für den Landkreis bedeutet das eine zusätzliche Einstellung von rund 70.000 Euro für den Haushalt 2017 auf insgesamt rund 1,4 Millionen Euro. Also lediglich 70.000 Euro mehr, dafür, dass alle staatlichen Schulen mit einer sozialen Betreuung abgedeckt wären und nicht nur die, bei dem die Trägerschaft dem Landkreis unterliegt. Schließlich ist Schulsozialarbeit der Jugendhilfe eingegliedert und die wiederum dem Landkreis und nicht den Kommunen. „Fatal, wenn diese Chance vertan worden wäre“, sagte Jens Juraschka, Geschäftsführer von Gemeinsam Ziele erreichen e.V. im Winter 2016, also kurz nach dem gefassten Beschluss. Nun sieht so aus, als wird diese Chance vertan.

Und jetzt?
Es sieht so aus, als werde die Chance, eine höhere Förderung von Schulsozialarbeitern bereits mit kommendem Schuljahr zu erhalten, vertan. Es liegen zwei Hauptprobleme auf dem Tisch, welche am Montag in einem Gesprächsforum zum Landesprogramm Schulsozialarbeit mit Vertretern aus Politik, Bürgermeistern, Schulleitern und Verwaltung zur Sprache kamen: Zum einen beklagt Frank Schubert, Bildungsdezernent des Landkreises Zwickau, dass die Beantragung für einen Schulsozialarbeiter von jeder Schule ausgefüllt werden muss. Man habe dazu am 10. April die entsprechenden Abfragungen erhalten, welche bis zum 30. April bzw. bis zum 30. Mai beim Fördermittelgeber wieder eingereicht werden müssten. „Das ist verwaltungstechnisch schwer zu schaffen“, sagte er unter anderem auf die Frage von Henning Homann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Sächsischen Landtag und Jugendpolitischer Sprecher, ob man es denn überhaupt schaffen wolle. Wie der derzeitige Sachstand zur Bearbeitung ist, konnte Schubert zur Diskussionsrunde nicht sagen, wollte allerdings die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses darüber informieren.

Das zweite Problem: Landrat Scheurer war im November vergangenen Jahres Verhandlungsführer des SSGs (Sächsischen Städte- und Gemeindetages) bezüglich des Landesprogramms Schulsozialarbeit. Vergessen hat er dabei etwas Entscheidendes: Die Kommunen, die selbst Träger von Schulen sind, mit einzubeziehen. Also zum Beispiel Zwickau. Ist die Stadt doch einer der wenigen Kommunen, die  auf eigene Kosten Schulsozialarbeiter in ihren Grund- und Oberschulen einstellt. Allein für die Finanzierung von fünf Stellen in den Grundschulen werden jährlich 272.500 Euro bereitgestellt.  Oberschulen werden über freie Träger auf eigene Kosten abgedeckt. Dabei ist der Bereich Schulsozialarbeit der Jugendhilfe und damit dem Landkreis unterstellt. Für Förderschulen wie die Rudolf-Weiß-Schule fühlt sich anscheinend niemand verpflichtet.

Die Erklärung Schuberts, der als Bildungsdezernent stellvertretend für den Landrat bei der Diskussionsrunde in dieser Woche anwesend war, erklärte: Nur wenn etwas beraten werden würde, hätte man noch kein endgültiges Ergebnis, mit dem man weiterarbeiten könne, denn ein Gesetzestext liege ihm bis heute nicht vor. Friedrich Hähner-Springmühl, Zwickauer CDU-Stadtrat und unter anderem  Mitglied im Kinder- und Jugendhilfeausschuss, sagte, man habe Landrat Christoph Scheurer im November zu wenig Fragen beantworten können.

Homann indessen bot an, das Thema nochmals auf den Tisch zu bringen, um zumindest für das Folgejahr etwas erreichen zu können. Bis dahin müssten die betroffenen Kommunen nochmals selbst in die Tasche greifen.  Auch der Landkreis solle die Chance nutzen, denn gute Sozialarbeiter seien rar. Wer zu spät kommt, könnte die besten Fachkräfte bereits verpasst haben.

Kritik
Auch wenn die neue Richtlinie positiv betrachtet wird, zieht sie auch Kritik nach sich, denn es sind lediglich Oberschulen und Förderschulen bedacht. Berufs- und Grundschulen nicht. Weiterhin müssen Schulen die Hosen runterlassen, denn um zu begründen, dass sie einen Schulsozialarbeiter brauchen, ist Dringlichkeit sicher nicht schlecht. Doch welcher Schulleiter will wie ein Versager dastehen?