Start Chemnitz Was es nicht alles gibt!
Artikel von: Judith Hauße
22.04.2022

Was es nicht alles gibt!

Torsten Turinsky baut kuriose Instrumente. Foto: K. Turinsky|The Cook Family.
Sachse baut kuriose Instrumente
Von Judith Hauße

Wer Torsten Turinsky trifft, merkt sofort, dass da ein Vollblutmusiker vor einem steht. Seine Leidenschaft ist die Musik, vor allem das Gitarrespielen. Er selbst hat sich der Jazz- und Folkmusik verschrieben, komponiert eigene Alben und tritt regelmäßig auf. Bei unserem Treffen hat der in Chemnitz aufgewachsene Künstler dieses Mal aber keine gewöhnliche Gitarre in der Hand. Es sieht aus wie eine Gitarre, es klingt wie eine Gitarre, und trotzdem ist etwas anders. Beim näheren Hinschauen fällt auf, der Instrumentenkörper besteht aus einer Zigarrenkiste. Richtig. Torsten Turinsky baut aus ausrangierten Zigarrenkisten Gitarren. Klingt außergwöhnlich, ist es auch. „Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Klängen“ sagt er.

Dass es Künstler gibt, die auf Zigarren-Gitarren spielen, hatte er schon bei Bluesgrößen, wie dem US-Musiker Seasick Steve gesehen. „Sofort war ich fasziniert.“ Eine neue Erfindung sind die Gitarren aus Zigarrenkisten aber nicht. Seit Urzeiten musizieren die Menschen. Manche Instrumente entstehen in höchster Präzision in Werkstätten. Doch vielen Personen fehlt dafür das Geld. So entwickelte sich unter versklavten Menschen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die Angewohnheit, Musikinstrumente aus einfachsten Dingen herzustellen – unter anderem aus ausgedienten Zigarrenkisten. In den USA erfuhr der Brauch viel später eine echte Renaissance.

Inzwischen spielen Bühnengrößen aus aller Welt auf den irrwitzigen Instrumenten. Durch diese inspiriert, widmete sich Torsten Turinsky der Aufgabe, aus den alten Kisten Gitarren zu bauen. In seinem Haus im Stadtteil Reichenhain hat er hierfür neben seinem selbst gebauten Tonstudio, eine Werkstatt im Keller eingerichtet. Dort entstanden bereits insgesamt 18 solcher Zupfinstrumente, darunter auch Bässe, Ukulelen und Mandolinen. „Jedes von ihnen ist ein Unikat“, erklärt er. „Ich weiß vorher eigentlich nie so genau, wie die Instrumente am Ende klingen werden, aber das ist ja erst das Spannende daran.“

Torsten Turinsky bekam seine erste Gitarre im Alter von 13 Jahren von seiner Mutter geschenkt. Inzwischen hat er neben den handelsüblichen Gitarren, auch Exemplare aus Zigarrenkisten, wie etwa die Gitarre auf dem Bild, die mit einem alten Fressnapf versehen ist. Foto: Judith Hauße

Die alten Kisten bekommt er meist von Bekannten oder Händlern, worunter sich dann beispielsweise sogar auch eine Zigarrenkiste aus New York befindet. Denn hauptberuflich reist Turinsky als Vertreter des thüringischen Mikrofonherstellers Gefell um die ganze Welt. Aufgrund der Reisebeschränkungen in den letzten zwei Jahren, in denen Turinsky seinen Job im Homeoffice ausübte, war das jedoch etwas schwierig. Dafür blieb dann wiederum mehr Zeit für den Bau der Zigarrenkisten-Gitarren. Oft werkelt er am Wochenende an einem Instrument, wie lange er für ein Instrument braucht, weiß er nie so genau. „Ich zähle die Stunden nicht. Sollte ich vielleicht mal machen“, lacht der passionierte Musiker. „Es macht mir sehr viel Spaß, aber es soll ein Hobby bleiben.“

Auch, wenn er bereits schon das eine oder andere Exemplar verkaufen konnte, wie er erzählt, sich kurzerhand eine seiner Kuriositäten schnappt und eine kleine Melodie spielt. Selbst einige seiner Lieder auf dem aktuellen Album wurden mit dem besonderen Instrument eingespielt.

Aktuell können ausgewählte Gitarren im Markthaus von The Cook Family individuell getestet und erworben werden. Eine seiner letzten Exemplare fertigte Turinsky aus einer Weinkiste. „Wieder ein ganz anderer Klang“, schwärmt er. Teilweise lassen sich die Instrumente auch aufklappen. „Die Idee kam mir leider erst später. Man kann da aber wirklich so einiges verstauen, Socken etwa“, scherzt er.

Die Szene von Menschen, die solche Instrumente bauen, sei laut Turinsky aber sehr klein in Deutschland. Nach seinem Wissen gäbe es in Ostdeutschland keinen, der Gitarren aus Zigarrenkisten baut. Aber vielleicht kommen dem Chemnitzer Musiker ja noch so einige mehr Ideen, aus was er Instrumente bauen kann. Allein der Nachhaltigkeits-Gedanke daran sei für ihn sehr spannend.