Start Erzgebirge Weil Sie es nicht merken...
Artikel von: Sven Günther
07.11.2022

Weil Sie es nicht merken…

Dr. med. Holm Hönicke beim Arztgespräch mit WochenENDspiegel-Chefredakteur Sven Günther. Fotos: Dorothee Sykora-Roscher

Wie unsere Politiker jährlich tausende Leben retten könnten

Von Sven Günther
Aue. In dem Moment, in dem Dr. med. Holm Hönicke sagte: „So, dann können wir ja anfangen“ und mit Krankenpfleger Steffen Schüller hinter mich trat, schoss mir das Adrenalin in die Adern: „Was?!?! Jetzt!?! Schon!?! Ich bin doch noch bei vollem Bewusstsein…“
Bruchteile von Sekunden später erfüllte das verabreichte Propofol seine narkotisierende Wirkung. Von der Darmspiegelung im Auer Helios Klinikum merkte ich NICHTS.

Genau das ist der Vorteil dieser Untersuchungsmethode – und gleichzeitig die tödliche Tücke des Darmkrebses. Man merkt NICHTS.

Dr. med. Holm Hönicke: „Es gibt keine oder nur schwer zuordenbare Symptome bei der Erkrankung. Um so wichtiger ist es, sich untersuchen zu lassen. Es wird empfohlen, dass Männer ab dem 50. und Frauen ab dem 55. Lebensjahr eine Vorsorge-Koloskopie machen.
„Dabei sehen wir, ob es im Darm Unregelmäßigkeiten – zum Beispiel Polypen – gibt, die wir dann sofort entfernen“ und erklärt: „Wenn diese zu lange unentdeckt bleiben, kann Krebs entstehen.“

Pro Jahr erkranken rund 60.000 Menschen in Deutschland an Darmkrebs. 15.692 sind im Jahr 2020 laut statistischem Bundesamt daran gestorben.
42 Menschenleben pro Tag, von denen viele gerettet werden könnten, wenn die Vorsorge besser genutzt werden würde. Die Koloskopie gibt eine 90-prozentige Sicherheit, nicht an Darmkrebs zu erkranken oder den Krebs in einem frühen Stadium gut behandeln zu können.

Da war ich mal weg… Das Propofol, das Mittel, das Michael Jackson nahm, wirkt. Sven Günther merkt nichts von der Untersuchung die Dr. med. Holm Hönicke und Krankenpfleger Steffen Schüller durchführen.

Fakten, die mich überzeugten. Argumente, die mich zur Untersuchung trieben. Dazu der bestimmt nicht besonders gesunde Lebenswandel, der Stress und dann auch schon mal Auffälligkeiten im Stuhl…

Besser von der Darmspiegelung inkommodiert als vom Krebs getroffen, dachte ich mir, trug meine Befindlichkeiten der Hausärztin vor, die mich ins Helios Klinikum nach Aue überwies.

Fairerweise muss man sagen, dass es nicht einfach ist, schnell einen Termin – egal wo – für die Untersuchung zu bekommen.

Auf mein Argument, dass, wenn sich alle Menschen ab 50 darmchecken lassen würden, die Ärzte über jede Vorstellung hinaus belastet wären, antwortet Dr. Hönicke: „Das denke ich nicht. Es sind ja keine akuten Fälle und man könnte die Untersuchungen systematisch abarbeiten.“

Der Aufwand ist nicht gering. Patientenaufnahme. Blutentnahme. Fragebögen ausfüllen. Aufklärungsgespräch mit dem Arzt. Sich vor der Untersuchung von Abführmitteln auf die Toilette fesseln lassen. Sicher alles unangenehm.

ABER KREBS IST TÖDLICH!

Meine Forderung an die Politik: Macht die Darmspiegelung zur Pflicht! Zum 50. Geburtstag sollte jeder Mann, zum 55. jede Frau die verbindliche Aufforderung zur Vorsorge im Briefkasten haben. So könnten die Politiker tausende Leben pro Jahr retten.

Meine Bitte an die Leser: Lassen Sie sich untersuchen, weil Sie es nicht merken…