Start Erzgebirge Welche Rechte hat ein Phantom?
Artikel von: Sven Günther
11.12.2018

Welche Rechte hat ein Phantom?

Die Polizei fahndet mit zwei Phantombildern nach Gangstern, die am 15. Oktober eine Frau mit einem Messer bedroht und ausgeraubt haben. Im Internet dürfen sie nicht gezeigt werden!

Hat ein Phantombild eine Persönlichkeit?

Von Sven Günther
Region. Mit zwei Phantombildern fahndet die Polizei nach zwei Räubern, die eine junge Frau mit einem Messer bedroht und beraubt haben. Die Beamten hoffen auf Hinweise von Zeugen. Doch das Gericht verbietet, die Bilder auch online zu veröffentlichen.

Der Fall
Es ist Montag, der 15. Oktober. Eine Frau (19) ist 21 Uhr in Schwarzenberg auf der Fußgängerbrücke in Richtung Feuerwehrdepot unterwegs. Plötzlich tauchen zwei Männer auf, drohen mit einem Messer und nehmen der 19-Jährigen eine zweistellige Summe Geld ab. Dann rennen sie in Richtung Kreisverkehr davon.

Die Fahndung
Die beiden unbekannten Männer waren nach Angaben der Frau mit etwa 1,80 Meter ungefähr gleich groß und sollen dunklen Teint gehabt haben. Einer sei schlank, der andere etwas kräftiger. Beide waren dunkel bekleidet und trugen dunkle Mützen. Auf dem Rücken einer Jacke sei ein Bild oder eine Schrift aufgedruckt gewesen.
Mit Hilfe des Opfers konnten Phantombilder angefertigt werden, von denen sich die Polizei erhofft, Hinweise auf die Täter zu bekommen. Das Amtsgericht gestattete aber nur die Veröffentlichung in Zeitungen. Eine Übernahme der Bilder in Online-Publikationen ist vom richterlichen Beschluss nicht gedeckt. Der Grund: Persönlichkeitsrechte!

Die These
Phantombilder haben keine Persönlichkeit. Sie zeigen keinen Menschen, sondern sind Zeichnungen, die an Menschen erinnern sollen. Es werden eben gerade KEINE leibhaftigen Person mit Persönlichkeitsrechten abgebildet. Vielmehr sind die Zeichnungen grafische Hilfsmittel.

Das sagt die Justiz
Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart: “Wir sind bei einer Fahndung an den richterlichen Entscheid gebunden. Wenn der die Veröffentlichung online nicht abdeckt, können wir nichts machen. Laut Paragraf 22 Kunsturhebergesetz dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Das gilt auch für Phantombilder. Zuwiderhandlungen können mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.”

Das sagt der Anwalt
Medienanwalt Dr. Jonas Kahl aus Leipzig: “Ist ein Phantombild so exakt, dass die gesuchte Person darauf auch tatsächlich erkennbar ist, kann sie sich im Hinblick auf die Verbreitung des Fotos auch auf ihr Persönlichkeitsrecht berufen. Ist auf dem Phantombild hingegen eine Person gezeichnet, die es in der Realität gar nicht gibt, kann auch keine Person in ihren Rechten betroffen sein.
Da man als Verbreiter des Bildes letztlich immer erst hinterher weiß, ob die Person tatsächlich existiert, sollte man sicherheitshalber immer davon ausgehen, dass die Verbreitung eines Phantombildes in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift.”

ÜBRIGENS: Fotos, die laut richterlichem Beschluss nicht online gezeigt werden dürfen, müssen in den epaper-Ausgaben von Zeitungen unkenntlich gemacht oder entfernt werden.

Das sagt die Polizei
Hagen Husgen, Sachsen-Chef der Polizeigewerkschaft GdP: “Wir müssen uns grundsätzlich an die richterlichen Beschlüsse halten. Es ist aber tatsächlich so, dass eine Fahndung im Internet erfolgversprechender ist als in einer Zeitung, weil die Reichweite höher ist.
Doch leider sind oftmals Entscheidungen der Politik oder eben auch der Gerichte nicht immer zielführend für eine erfolgreiche Arbeit der Polizei. Das betrifft nicht nur die Veröffentlichung von Fahndungsbildern. Stichworte wären hier auch Videografie oder Vorratsdatenspeicherung, aber auch Entscheidungen zu Versammlungen oder Demonstrationen.
Bei aller Wertschätzung der rechtsstaatlichen Prinzipien und des Datenschutzes sollte aber die Arbeit der Polizei zumindest nicht behindert oder unmöglich gemacht werden – nicht selten ist das aber aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei der Fall.”