Start Zwickau Welchen Stellenwert hat Drogenprävention im Landkreis?
Artikel von: Redaktion
02.11.2016

Welchen Stellenwert hat Drogenprävention im Landkreis?

Alkohol, Zigaretten, Joints oder gar Crystal Meth - Vor allem letztere Droge wird immer beliebter. Vor allem bei jungen Menschen und das mit fatalen Folgen für die nächste Generation. Foto: wunderela/ Pixabay.com
Alkohol, Zigaretten, Joints oder gar Crystal Meth – Vor allem letztere Droge wird immer beliebter. Vor allem bei jungen Menschen und das mit fatalen Folgen für die nächste Generation.
Foto: wunderela/ Pixabay.com

Crimmitschau. Seit zwei Jahren gibt es in Crimmitschau das Haus der Suchtprävention. Vor allem für Schüler der 7. und 8. Klassen in der Region soll der Standort an der Zwickauer Straße 69 Anlaufstelle sein. Oberbürgermeister Holm Günther findet die Einrichtung noch immer gut, doch das Projekt hält er für „einen Tropfen auf dem heißen Stein“.
Die Einrichtung soll eine vorgeschaltete Schnittstelle im Rahmen der Jugendhilfe zu den etablierten Suchtberatungs- und suchttherapeutischen Einrichtungen wie den Suchtberatungsstellen der Caritas, der ADU-Selbsthilfe e.V., der Diakonie oder auch der suchttherapeutische Einrichtung in Wiesen darstellen.
Rund 25.000 Euro werden durch den Landkreis und Crimmitschau jährlich in das Projekt investiert.  Etwa 1.500 Interessenten waren seither vor Ort. Zu wenig, finden die Organisatoren innerhalb des FAB e.V..   „Es muss einfach bekannter werden“, betont Stefan Tomesch, Leiter Haus der Suchtprävention. Die Angst, Fördermittel könnten abgeknapst werden, ist allgegenwärtig. Denn bekanntermaßen muss das Kind immer erst in den Brunnen gefallen sein, bevor gehandelt wird. Sprich: In der Präventionsarbeit ist nicht ersichtlich, wie viele Menschen sich im Endeffekt durch ein solches Angebot von Drogen tatsächlich ferngehalten haben.

Drogenkonsum ist nichts Neues. Doch besonders die Droge Crystal Meth ist immer mehr auf dem Vormarsch, vor allem in Sachsen und in Bayern – die Nähe zur

Prof. Dr. Stefan Mühlig, TU Chemnitz. Foto: Alice Jagals
Prof. Dr. Stefan Mühlig, TU Chemnitz.
Foto: Alice Jagals

tschechischen Grenze, wo „das Zeug“ für etwa 30 Euro pro Gramm oder gar weniger verhökert wird, ist der Kern allen Übels. Zum Vergleich: Mit dieser Menge kommt der Anfänger-Konsument eine ganze Woche hin. Bei anderen harten Drogen reicht es quasi für einen Schuss.
Eine quasi „perfekte“ Droge für unsere Leistungsgesellschaft und halbwegs erschwinglich für Wenigverdiener und Jugendliche. „Die Hälfte der Crystal Meth-Konsumenten, die ich betreue, sind Hartz IV-Empfänger“, weiß Prof. Dr. Stefan Mühlig. Er war aktiv bei der Erarbeitung der S3-Leitlinien zu Crystal Meth. Zudem seien die Drogenberatungsstellen am Limit. Andererseits geht man davon aus, dass etwa die Hälfte der sächsischen JVA-Insassen Crystal-abhängig ist. „Wenn sie es nicht schon sind, dann werden sie es in Gefangenschaft. Und sie werden nach ihrer Haft einen Teufel tun, in eine Suchtberatung zu gehen“, so Mühlig. Stattdessen ist die Gefahr hoch, wieder in die Kriminalität zu fallen.
Crystal Meth ist nicht einmal eine „städtische Droge“. Selbst in der ländlichen Gegend ist sie starkt auf dem Vormarsch. Laut Prof. Dr. Stephan Mühlig von der TU Chemnitz nutzen auch Landwirte die Droge, um früh besser aus dem Bett zu kommen. Das Einstiegsalter liegt bei 14 Jahren.
So macht sie hemmungslos, auch was sexuelle Erlebnisse angeht. Vor allem junge Mädchen fühlen sich zugänglicher und verkehren – teils mit heftigen Praktiken – im schlimmsten Fall mit mehreren Sexualpartnern. Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaften sind nicht weit weg. Selbst drei Viertel der abhängigen Schwangeren könnten nicht mit dem Konsum aufhören. Die Babys kommen oftmals zu klein und mit Schädigungen zur Welt. Sie sind für ihr ganzes Leben gezeichnet.

„Prävention ist kein Ehrenamt“
Doch Sucht hin oder her. Die Frage, wie man vor allem Jugendlichen am besten beibringt, die Finger davon zu lassen, bleibt. Im Haus der Suchtprävention soll allerdings

Stefan Tomesch, Leiter Haus der Suchtprävention.  Foto: Alice Jagals
Stefan Tomesch, Leiter Haus der Suchtprävention.
Foto: Alice Jagals

nicht der große Zeigefinger gehoben werden. „Wir werden nie sagen, dass Drogen gut oder schlecht sind. Der Moderator ist hierbei das Entscheidende. Dieser muss glaubhaft sein“, sagt Stefan Tomesch. Selbst wenn ein Drogenproblem dem Lehrer statt den Eltern nahe gebracht werde, sehen Schüler immer die Gefahr, dass diese zu den Eltern gehen.
Doreen Urban Kern, Vorsitzende des Landeselternrates, sieht ein positives Vorankommen nicht nur in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen selbst. „Vor allem die Eltern sind es, die sensibilisiert werden müssen“, sagt sie.
Kathrin Resch vom Jugendamt appelliert sieht vor allem in Jugendclubs einen stillen Beobachter der Jugendlichen. Ohne sie, gehe eine wichtige Aufgabe verloren. Und im Haus der Suchtprävention selbst teilen sich drei Leute eine Stelle. Wenn ein Gastdozent nötig ist, muss immer erst in entsprechenden Kreisen herumgefragt werden. Auch wenn bereits rund 1.500 Besucher vor Ort waren, sei die Akzeptanz und das Wissen um die Einrichtung noch zu gering. „In Anbetracht dieser Tatsache frage ich mich, wo denn die Politiker aus der Region sind“, sagte Crimmitschaus Obermeister bei einer Veranstaltung im Haus der Suchtprävention. „Präventionsarbeit ist doch kein Ehrenamt. Wir können alle und jeden unterstützen, aber wir müssen auch Hilfestellung im eigenen Land geben“, so Günther. aj