Start Zwickau Werke, die das Leben schreiben
Artikel von: Redaktion
27.08.2019

Werke, die das Leben schreiben

2. Platz: Werk von Annika Kahrs; Klang- und Videoarbeit „the lord loves changes, it’s one of his greatest delusions“. Fotos: Alice Jagals

Zwickau. Kunst – der eine liebt sie, der andere versteht sie nicht. Oder umschrieben in einer kleinen Anekdote von Zwickaus Kulturamtsleiter Dr. Michael Löffler: „Als wir heute vor dem Museum standen, fragte uns ein vorbeigehender Passant, was wir hier machen würden. Als es um Kunst ging, lächelte er nur.“ Er, damit meinte er den ‚Otto Normalverbraucher‘, der dann irgendwie wieder etwas mit Kunst an diesem Tag zu tun hatte. Und vor dem Museum? Da stand die siebenköpfige Jury, die am Dienstag nach einer dreistündigen Sitzung eine Entscheidung traf, wer den diesjährigen Max-Pechstein-Förderpreis erhält.

1. Platz: Henrike Naumann; „DDR Noir. Schichtwechsel“

Das Ergebnis: Henrike Naumann ist Trägerin des diesjährigen Max-Pechstein-Förderpreises der Stadt Zwickau. Das Stipendium geht an Annika Kahrs. Sie konnten sich gegen drei weitere Einreichungen durchsetzen.

Auffällig bei allen Künstlern, die ihre Werke eigens für Zwickau kreierten: Die einzelnen Beiträge der diesjährigen Preiskandidaten stellen Fragen nach dem Zusammenleben, nach Kommunikation, nach der Herkunft. Sie spiegeln die allgemeine oder die ganz individuelle Lebens- und Erfahrungssituation und die Komplexität unserer Zeit mit ganz unterschiedlichen ästhetischen Ansätzen.

Henrike Naumann ist sogar gebürtige Zwickauerin, wohnt aber in Berlin. Mit ihrer Inszenierung „DDR Noir.

Alternativen für Duland (Du kannst, du musst nicht …) von Kasia Fudakowski

Schichtwechsel“setzt sie sich mit ihrer Herkunft und der eigenen Familiengeschichte auseinander. Die Beschäftigung mit der Kunst ihres Großvaters Karl Heinz Jakob und damit der Kunst in der DDR – zwischen Förderung und Bevormundung – führt Henrike Naumann zu der Frage nach dem Umgang mit dem Erbe der DDR. Da gehören natürlich auch die „heiß geliebten“ Muster auf dem 1990er Jahre Sofa dazu, welches blitzschnell in den Wohnzimmern Einzug hielt.

Geduldige Ohren muss man dagegen beim Werk von Annika Kahrs haben. Sie lädt per Video-Installation in eine Kirche ein. Der Choral, der sozusagen als Protestlied der Reformationsbewegung gilt, wurde aber auch in späteren Zeiten und anderen politischen wie gesellschaftlichen Kontexten immer wieder umgedeutet. Das Stück ist so zu sehen, dass sich die pfeifenden Sänger förmlich kräftezehrend gegen die Orgelpfeifen kämpfen.

Weiterhin nominiert waren

  • Elsa Artmann & Samuel Duvoisin × Lena Brüggemann × D21 Kunstraum Leipzig
  • Kasia Fudakowski × Dr. Jule Hillgärtner × Kunstverein Braunschweig
  • Simon Pfeffel × Dr. Nicole Fritz × Kunsthalle Tübingen
Bei Anruf, gibt es eine Aufgabe: Hier schickte der Performance-Künstler Simon Pfeffel Menschen in die Zwickauer Innenstadt. Rufen Sie doch mal an…

Der Max-Pechstein-Förderpreis wird bereits zum neunten Mal vergeben. Er ist mit einer Summe von 5.000 Euro dotiert, wobei der Preis mit einem zusätzlichen Stipendium von 3.000 Euro ausgelobt wird. Bereits 1947 hatte Max Pechstein selbst dafür plädiert, Künstler am Anfang ihrer Laufbahn zu fördern, indem er dem ersten Zwickauer Kunstpreis seinen Namen gab. Der Preis konnte so bis 1962 vergeben werden. Nach der politischen Wende wurde an die ursprüngliche Intention des Förderpreises angeknüpft. Seither hat sich der Max-Pechstein-Förderpreis im Wechsel mit dem Ehrenpreis immer mehr in der deutschen

Elsa Artmann & Samuel Duvoisin; Interior Parkour ist die Bestandsaufnahme einer performativen Auseinandersetzung mit Wohnverhältnissen in Köln-Mülheim

Kunstlandschaft etabliert.

Zum siebenten Mal seit 1995 stellen junge Künstlerinnen und Künstler nun in Zwickau aktuelle Positionen der Gegenwartskunst zur Diskussion. Mit dem Förderpreis und dem zusätzlich seit 2003 ausgelobten Stipendium setzt die Stadt Zwickau die von Max Pechstein begründete Tradition in seiner Geburtsstadt fort und bietet der jungen zeitgenössischen Kunst ein aktuelles Forum. Alle fünf der von anerkannten, mit zeitgenössischer Kunst vertrauten Kuratoren nominierten Künstler präsentieren ihre Arbeiten vom 1. September bis 27. Oktober 2019 in den Kunstsammlungen. aj