Start Erzgebirge „Wir haben nur zwei Patronen, die müssen sitzen”
Artikel von: Redaktion
22.07.2021

„Wir haben nur zwei Patronen, die müssen sitzen”

FCE-Präsident Helge Leonhardt im Interview mit dem WochenENDspiegel.

FCE-Präsident Helge Leonhardt im Interview mit dem WochenENDspiegel

.Am 3. September vor sechs Jahren übernahm Helge Leonhardt das Präsidentenamt beim FC Erzgebirge in Aue. Doch bereits in den beiden Jahrzehnten davor hatte er den Kumpelverein mit geführt, namentlich im Tandem mit Zwillingsbruder Uwe. 2016 feierte er die Rückkehr der Mannschaft in die 2. Bundesliga, wo sie sich seither fest etabliert hat. Vorm Saisonstart am Sonntag in Nürnberg sprach Olaf Seifert mit dem 62-jährigen Mitinhaber der Leonhardt Group.

Die 2. Liga zu behaupten ist immer aufs Neue ein Kraftakt, mit der Corona-Pandemie wurden die Herausforderung eher größer. Wie hat der FC Erzgebirge die Situation bis jetzt gemeistert?

Ich meine mit Bravour. Wir konnten den Klassenerhalt frühzeitig sichern und bleiben wirtschaftlich bei allen Problemen solide aufgestellt. Dabei gelang es, junge Spieler weiter zu formen. Bestes Beispiel ist Stürmer Florian Krüger, für dessen Wechsel nach Bielefeld wir einen stattlichen Transfererlös erzielen konnten. Auch der Abgang Pascal Testroet, dessen Wechselwunsch wir entsprachen, hat Geld gebracht. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und die pandemiebedingten Einnahmeausfälle zu kompensieren, laufen umfassende Restrukturierungsmaßnahmen. Ungeachtet dessen hält der FC Erzgebirge an seinem „Projekt 2023” fest. Wir haben die Lage im Griff.

Welches Ziel steht für die Saison 2021/22? Wir sind gerüstet?

Natürlich der Klassenerhalt! Wir wollen in dieser mit Ex-Erstligisten gespickten, jetzt noch stärkeren Liga konkurrenzfähig sein und gut mitspielen. Dafür steht ein Etat von … Millionen Euro zur Verfügung.

Dazu wurden der Spielerkader und auch der Trainerstab bewusst verjüngt. Wir haben mit Aleksey Shpilevski einen jungen Chefcoach verpflichtet, der gleichwohl schon über gewisse Erfahrungen im Männerbereich verfügt, auch international. Mir gefällt, wie professionell und selbstbewusst er arbeitet. Zugleich ist er ein Kollektivmensch, der zum Beispiel sehr gut mit dem gestandenen Co-Trainer Marc Hensel harmoniert. Nach den Erfahrungen der Rückrunde in der vergangenen Saison mussten wir neue Impulse setzen.

Was passte nicht?

Aue hatte 2020 eine sehr erfolgreiche Hinserie gespielt, was man von der Rückrunde nicht sagen kann. Das Team wirkte zuletzt ausgebrannt, die Meinungen über den künftigen sportlichen Weg gingen auseinander. Wir kamen zunehmend in Bedrängnis, konnten am Ende aber das Ziel Klassenerhalt und einen guten 12. Platz schaffen.

Aleksey Shpilevski will aggressiver nach vorne spielen in dem Maß, wie die Mannschaft dazu in der Lage ist. Allen Verantwortlichen ist klar, dass mit dem Generations- und Stilwechsel Risiken verbunden sind. Er ist notwendig, verlangt aber Kraft, Mut und Geduld. Geben wir den jungen Leuten das Vertrauen, das sie verdienen. Wir müssen das kollektiv lösen.

So wie die Herausforderungen der Pandemie…

Natürlich. Ein Beispiel ist die zusätzliche Unterstützung durch unseren Gesundheitspartner AOK PLUS und die Porsche, die am Dienstag dieser Woche vereinbart wurde. Die AOK PLUS ist seit vielen Jahren ein treuer strategischer Partner, mit dem am 20. Juli Dreijahresvertrag gewinnen wir Planungssicherheit, namentlich auch für die Nachwuchsarbeit. Auch die Porsche AG wird sich ab sofort beim FC Erzgebirge engagieren, speziell als Hauptsponsor des Nachwuchsleistungszentrums.

Ich möchte jedem danken, der im Verein beigetragen hat, das zu erreichen. Ich ziehe den Hut vor allen Mitgliedern, Sponsoren und Mitarbeitern. Wissend, dass viele seit Anfang 2020 Einbußen hinnehmen müssen. Ich verstehe jeden, der Engpässe verkraften muss und seinem Herzensverein momentan nicht wie gewollt helfen kann. Zusammenhalt zeichnet unseren Kumpelverein mehr denn je aus.

Sie denken da an kritische Stimmen im Umfeld? Gibt es Unruhe im Verein?

Gibt es nicht. Die Führung handelt geschlossen, wir arbeiten Tag und Nacht, wie das unser Job verlangt. Was ich mitbekomme, sind intensive Diskussionen, namentlich in den sozialen Netzwerken. Corona und was damit zusammenhängt verunsichert die Menschen zusätzlich, die bevorstehenden Wahlen laden die Stimmung auf. Ich finde es gut und wichtig, wenn Fans sich über ihren Verein Gedanken machen, schließlich ist es ihrer. Ich werbe dabei um Vertrauen für die Arbeit der Vereinsführung. Was ich mir wünsche und verlange ist Zusammenhalt, ist Anstand. Wer den Anstand verliert, gehört nicht zu uns!

Wird es Zugänge geben?

Ja, ein bis zwei Offensivspieler. Insgesamt sind wir vom Kader her wettbewerbsfähig, doch wir brauchen noch diese Qualität, um dem Team mehr Stabilität und Sicherheit zu geben. Wir müssen da sorgfältig wählen, wir haben nur maximal zwei Patronen, und diese Schüsse müssen sitzen.

Am Sonntag geht es nach Nürnberg, eine Woche darauf kommt der FC St. Pauli nach Aue. Sie sind optimistisch, auch was Zuschauer im Erzgebirgsstadion angeht?

Ich hoffe, dass zum Auftakt 40 Prozent der Plätze besetzt werden dürfen. Wir haben ein umfangreiches, stimmiges Hygienekonzept. Die Spieler brauchen die Fans. Sportlich erwarte ich mannschaftliche Geschlossenheit, Kampfbereitschaft, unbedingten Willen. Ich habe den Trainingsprozess in den letzten Wochen aufmerksam verfolgt und merke, wie der Plan der Trainer immer besser funktioniert. Ich wünsche dem Team, dass es sich dafür schon in den Auftaktspielen belohnen kann.