Start Wohin steuert unsere Automobil-Industrie?
Artikel von: Sven Günther
08.09.2022

Wohin steuert unsere Automobil-Industrie?

Klare Worte von Gießerei-Chef Max Jankowsky aus Lößnitz. Foto: Agentur Fotostand

“Wir sind zu langsam!”

Von Sebastian Höfer
Region. Jetzt geht es ums Überleben. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in der Region, speziell im Automobilbau, werden immer komplizierter. Das wurde im Vorfeld des Automobilindustrie-Automotive Forums Zwickau (5./6. Oktober) deutlich. Am emotionalsten brachte Gießerei-Unternehmer Max Jankowsky aus Lößnitz die vorherrschende Krise auf den Punkt. „Im Jahr 2020 hatte ich ein bisschen Bauchschmerzen, wir standen vor Corona. Letztes Jahr gab es Lieferengpässe und Lieferketten sind zusammengebrochen, Corona-Auswirkungen und Kurzarbeit sorgten bei mir 2021 für Kammerflimmern. Und dieses Jahr weiß ich nicht, ob ich nächstes Jahr noch hier stehen werde. Die Corona-Krise und jetzt die Energie-Krise haben uns voll erwischt. Eine schlechte Kommunikations-Strategie, keine richtige Transparenz im Strommarkt-Sektor. Die Mechanismen werden viel zu träge bekämpft. Wir sind viel zu langsam im Krisenmanagement, das fällt uns jetzt wieder auf die Füße.”

Automobilindustrie-Automotive Forum Zwickau – Innovativer Strukturwandel trotz Energiekrise

Die Hauptakteure des im Oktober stattfindenden Internationalen Jahreskongresses der Automobilindustrie-Automotive Forum Zwickau, fanden jüngst – bei einer Pressekonferenz im August-Horch-Museum – deutliche Worte. Der alljährliche Kongress hat in diesem Jahr das Kernthema „Strukturwandel mit Innovationen: Neue Technologien – Neue Märkte – Neues Wachstum“, nichtsdestotrotz wird das Autoforum von der Energiekrise überschattet.

Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und einer sich immer weiter dramatisierenden Lage wird vermutlich am 5. und 6. Oktober auch die derzeitige Politik ein Gesprächsthema zum Automotive Forum Zwickau werden. Bei einer Pressekonferenz gaben die Führungsköpfe des Automotive Forums sowie Christoph Neuberg – der Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz zusammen mit Dr. h. c. Dieter Pfortner – dem Präsident der IHK Chemnitz, einen Ausblick auf den anstehenden Kongress und schilderten akute Probleme. „Es ist aktuell eine sehr schwierige Situation. Die Automobil-Hersteller und die Zuliefer-Industrie sind erschrocken. Die Industrie möchte produzieren, aber es fehlen Teile und die Energiekosten explodieren. Da fragt man sich, wohin soll das gehen“, fasst IHK-Steuermann Pfortner das Pressegespräch final zusammen. Zuvor ergriff außerdem Dirk Vogel das Wort.

Auf einer Pressekonferenz zum 26. Internationalen Jahreskongresses der Automobilindustrie- Automotive Forum Zwickau redeten die Köpfe der Veranstaltung Klartext und machten neben dem Automobilkongress auch auf die akuten Probleme der Branche aufmerksam. Foto: Sebastian Höfer

Der AMZ Sachsen-Geschäftsführer sagte, dass die ursprüngliche Transformation bis hin zur e-Mobilität im Tagesgeschäft der Betriebe laufe. Was sich aber stellt, ist die Grundsatz-Frage nach der Überlebensfähigkeit eines Unternehmens. „Mit den Energiekosten, Lieferkosten und fehlenden Fachkräften, gibt es viele Baustellen. Wie lange können die Unternehmen das noch aushalten? Die komplexe Automobilindustrie in Sachsen hat viele Mittelständler ohne Auslandsniederlassungen und kann die aktuelle Situation nicht abfedern.
Aufgrund der geringen Marge in der Branche, sind doppelte Energiekosten nicht tragbar“, äußert AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel seine kritische Sicht der Dinge.

Am emotionalsten brachte augenscheinlich Gießerei-Unternehmer Max Jankowsky die vorherrschende Krise auf den Punkt. „Im Jahr 2020 hatte ich ein bisschen Bauchschmerzen, wir standen vor Corona. Letztes Jahr gab es Lieferengpässe und Lieferketten sind zusammengebrochen, Corona-Auswirkungen und Kurzarbeit sorgten bei mir 2021 für Kammerflimmern. Und dieses Jahr weiß ich nicht, ob ich nächstes Jahr noch hier stehen werde. Es ist eine prekäre Situation für energieintensive Mittelständler, wir reden von einer Energiekrise, die Deutschland so noch nicht kannte und es ist auch keine richtige Lösung parat. Die Bundesregierung schwächt zurzeit die Folgen ab. Zuschüsse hier, Zuschüsse da. Wir gehen nicht in die Ursachen rein. Und das vor allem, der Krieg in der Ukraine und der fehlende Frieden in Europa. Aber es ist auch eine Marktdynamik, die nicht krisenresistent ist. Wir haben wieder mal gemerkt, dass wir für Krisen nicht vorbereitet sind. Die Corona-Krise und jetzt die Energie-Krise haben uns voll erwischt. Eine schlechte Kommunikations-Strategie, keine richtige Transparenz im Strommarkt-Sektor. Die Mechanismen werden viel zu träge bekämpft. Wir sind viel zu langsam im Krisenmanagement, das fällt uns jetzt wieder auf die Füße. Aber das wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass der Fuß nie wieder gesund wird. Wenn es so weiter geht, dann wird die energieintensive Industrie, gerade auch die Gießerei-Industrie, 2023 das letzte Jahr hier im Land sein“, zeichnet der charismatische Max Jankowsky – CEO der GL Gießerei Lößnitz – ein düsteres Bild für die Zukunft seiner Branche.

Als Chef von 85 Mitarbeitern im Familienunternehmen, schaut er mit Sorge auf die kommenden Monate. „Wenn ich von den Stadtwerken höre, werden Nachzahlungen von 500, 1.000 bis 2.000 Euro in den Haushalten eintreffen. Ich als Arbeitgeber kann nicht so schnell nachsteuern und die Löhne anheben. Mir wird angst. Es fällt wieder direkt in die Weihnachtszeit, die harmonische Zeit, gerade hier bei uns in Sachsen. Diesmal geht es nicht um Maske tragen, sondern um Wohlstandsverluste, es geht um viel Geld, was jeden einzelnen Mitarbeiter betrifft. Das wird eine Aufgabe werden, die wir als Gesellschaft stemmen und auch näher zusammenrücken müssen, dass wir das überhaupt schaffen“, appelliert der zu Sachsens Top-Managern zählende Jankowksy.

Besorgniserregend sieht auch Ronald Gerschweski als geschäftsführender Gesellschafter der WELP Holding GmbH die kommenden Monate. „Derzeit sei der Fokus nicht auf Innovation, sondern verstärkt auf dem Tagesgeschäft durch völlig gestörte Lieferketten, den enormen Kostensteigerungen im Logistikbereich und bei den Energiekosten.” Die Frage nach einer funktionierenden und bezahlbaren Energieversorgung in den nächsten Monaten beschäftigt alle Beteiligten der Branche. Die Mitarbeiter kämpfen derzeit schon mit erheblichen Mehrbelastungen durch die steigende Inflation. Dazu kommt nun noch die Angst um den Arbeitsplatz. Wo kein Gas ist, letztlich keine Energie ankommt, dort kann nicht produziert werden und das Unternehmen steht vor dem Aus.

Christoph Nieberg – IHK-Hauptgeschäftsführer – hält am Thema „Innovation“ zum 26. Automobilkongress fest, da dies aus seiner Sicht auch in Zukunft ein langfristiges Schlüsselthema sein wird. Dennoch sieht der IHK-Chef eine essenzielle Thematik beim Kongress. Die Entwicklung der Energiepreise, die Gas-Sicherheit und die gesamtpolitische Situation im Land werden auch eine Rolle spielen.

August-Horch-Preis

Zum zweiten Mal wird in diesem Jahr der August-Horch-Preis verliehen. Geehrt werden sollen Personen, die sich bei der Entwicklung des sächsischen Automobilbaus sowie der sächsischen Automobil- und Zulieferindustrie verdient gemacht haben. „Mit dem Partnerland Indien wird es eine interaktive Premiere geben. Der indische Markt ist dynamisch und interessant für Zulieferer und Engineering. Wir bieten eine virtuelle B2B-Plattform, bei der sächsische gleichwohl deutsche und indische Unternehmer in direkten Kontakt treten.
Dort können sich die Unternehmer kennenlernen – ohne hohe Reisekosten – Interessen abstimmen und gezielt konkrete Termine vor Ort für Verhandlungen ausmachen“, gibt IHK-Cheflenker Neuberg einen interessanten Ausblick auf das Zwickauer Autoforum.