Start Erzgebirge Zecken-Alarm!
Artikel von: Sven Günther
13.07.2022

Zecken-Alarm!

Sachsen ist Spitzereiter bei Borreliose-Fällen, die durch Zecken übertragen werden. Foto: pixabay.com

Zecken: Wann sind die Minivampire wirklich gefährlich?

Sachsen ist laut aktueller Meldungen bundesweit Spitzenreiter bei Borreliosefällen. Doch wann sind die Stiche gefährlich und wann nicht? Wie entfernt man Zecken selbst und bei welchen Symptomen sollte man lieber einen Arzt aufsuchen? Das erklärt Dr. med. Lutz Engelmann, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Helios Klinikum Aue.

Zur warmen Jahreszeit sind sie eine Plage: Zecken. Die lästigen kleinen Blutsauger sitzen auf Gräsern, Farnen oder losem Laub im Wald und warten geduldig auf ihr nächstes Opfer. Erspähen sie dieses, krallen sie sich an Schuhen, Hosen oder der Haut fest und stechen an einer gut durchbluteten Stelle zu, um sich mit Blut vollzusaugen. Die Minivampire beißen also nicht, wie oft angenommen wird, sie stechen. „Wer sich viel in der Natur, auf hochgewachsenen Wiesen oder auch im Wald aufhält, sollte sich abends genauer unter die Lupe nehmen“, sagt Dr. Lutz Engelmann. Es sei wichtig, die Tiere frühzeitig zu entdecken. „Das gilt insbesondere auch für Kinder. Und hat man eine Zecke entdeckt, sollte man sie sofort entfernen.“

Während Zecken Blut saugen, können sie hierzulande vor allem Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME-Viruserkrankung) und der bakteriellen Erkrankung Borreliose übertragen. Letztere ist europaweit die häufigste Zecken-übertragene Erkrankung. Sie zeigt sich bei mehr als 80% der infizierten Personen an der Haut als sogenannte Wanderröte, gelegentlich entwickeln sich aber auch heftigste Nervenschmerzen und Lähmungen oder Gelenkbeschwerden. Eine rechtzeitige Behandlung mit Antibiotika ist daher in über 90% der Fälle erfolgreich. Seltener ist die FSME (Gehirnentzündung), die vorübergehend oder dauerhaft zu Lähmungen, Krampfanfällen, Gleichgewichts- oder Sprachstörungen führen kann.

Lange Kleidung ist der beste Schutz

Die Übertragung von FSME-Viren erfolgt innerhalb der ersten Stunden über den Speichel der Zecke, Borrelien hingegen gelangen oft erst über 12 Stunden nach dem Zeckenstich aus dem Darm des Tieres in den Menschen. Es ist deshalb wichtig, dass Zecken sofort entfernt werden. „Bei Freizeitaktivitäten in der Natur schützen lange Kleidung und eine Kopfbedeckung am wirksamsten vor Zeckenbefall und seinen möglichen Folgen“ erklärt Dr. med. Lutz Engelmann. Vor der FSME kann man sich zusätzlich durch eine Impfung sehr gut schützen. „Sie ist für Menschen empfehlenswert, die sich viel in der freien Natur aufhalten, wie Jogger, Radfahrer, Angler und Förster und auch Kleinkinder können geimpft werden“, erklärt der Chefarzt. „Damit wir gegen das Virus immun werden, sind drei Impfungen notwendig. Je nach Alter ist nach drei oder fünf Jahren eine Auffrischung empfohlen.“
Der Begriff “Zeckenimpfung” ist allerdings missverständlich, da die Impfung gegen FSME keinen allgemeinen Schutz vor jeglichen Folgen eines Zeckenbisses bietet und insbesondere nicht vor einer Borreliose schützt.

Im WochenEndspiegel erklärt Dr. med. Lutz Engelmann, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Helios Klinikum Aue, was wichtig ist. Foto: Dorothee Sykora-Roscher

Zeckenentfernung – so geht es richtig

Um das Übertragungsrisiko zu minimieren, muss die Zecke sofort und restlos entfernt werden. Am besten geht das mit speziellen Zeckenpinzetten oder Zeckenkarten, mit denen die Tiere hautnah an ihren Mundwerkzeugen gerade herausgezogen werden können. Sie sollten nicht herausgedreht werden: „Durch Herausdrehen wird der Speichelfluss der Zecke angeregt. Die Tiere könnten sich außerdem in die Einstichstelle übergeben und so erst recht Bakterien und Viren übertragen. Also lieber mit etwas Fingerspitzengefühl dicht über der Haut packen, möglichst gerade herauszuziehen und vollständig entfernen“, rät der Experte. Am besten eignen sich dazu sogenannte Zeckenpinzetten, -zangen oder auch Zeckenkarten. Diese bekommt man zum Beispiel in der Apotheke. „Wenn man die Anatomie der Zecke beachtet, ergibt gerades Herausziehen auch Sinn. Denn statt einem Gewinde haben die Mundwerkzeuge der Zecke Widerhaken. Zecken „schrauben“ sich also nicht in die Haut, sie verankern sich mit Hilfe der Widerhaken“, so der Chefarzt. Um diese zu lösen, kann es helfen, die Haut beim Herausziehen mit den Fingern leicht anzuspannen. Anschließend sollte man die Stelle desinfizieren.

Anschließend sollten Betroffene den Stich auf jeden Fall für sechs Wochen beobachten, um die Wanderröte als Folge eines Zeckenstichs auszuschließen. „Darüber hinaus sollten Betroffenen, wenn ein bis zwei Wochen nach dem Biss grippeähnliche Symptome auftreten, einen Arzt aufsuchen.“

Auch wenn die Zecke nicht vollständig entfernt werden kann, ist noch keine Panik angesagt. Denn die Angst, dass dadurch Erreger in die Wunde gelangen, ist unbegründet. Was gelegentlich stecken bleibt, sind die Mundwerkzeuge. Das ist aber in der Regel unproblematisch. Diese Fremdkörper stößt der Körper ähnlich wie einen Holzsplitter nach einer gewissen Zeit von selbst ab. Erst wenn sich die Stelle entzündet, sich ein roter Ring bildet oder grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerzen oder Gliederschmerzen auftreten, sollte man zum Arzt zu gehen.

Wie erkenne ich einen ärztlichen Behandlungsbedarf?

Die meisten Zeckenbisse benötigen keine ärztliche Behandlung.
Sie sollten einen Arzt aufsuchen, wenn:
• Sie die Zecke nicht selbst entfernen können.
• sich nach dem Zeckenbiss eine größere, scharf umrandete Rötung bildet, die möglicherweise auch größer wird oder wandert (Erythema migrans).
• einige Tage nach dem Zeckenbiss grippeähnliche Beschwerden auftreten (Fieber, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen).
• sich die Bisswunde entzündet oder anfängt zu eitern.