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Artikel von: Sven Günther
23.07.2020

Zecken-Zeit: Wir räumen mit vier Mythen auf

Dr. Lutz Engelmann, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Venerologie räumt mit den wichtigsten Zecken-Mythen auf. Foto: pixabay.com

Endlich entzaubert ein Facharzt die Zecken-Mythen!

Region. Rausdrehen? Was ist mit Öl oder Kleber? Was ist wenn der Kopf in der Wunde bleibt? An Stammtischen und bei Kaffee-Kränzchen, in Werkhallen und Büros: Zum Thema Zecken gibt es unterschiedliche Meinung. Im WochenENDspiegel räumt Dr. Lutz Engelmann, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Venerologie im HELIOS Klinikum Aue, mit den Mythen auf!

Mythos 1: Zecken beißen
Oftmals redet man vom Zeckenbiss. Aber das ist falsch. „Mit zwei Mundwerkzeugen ritzen sie die Haut ihrer Opfer auf und saugen das Blut aus dem verletzten Gewebe“, erklärt Engelmann. „Die Minivampire beißen also nicht, wie oft angenommen wird, sie stechen.“

Die meisten Menschen bemerken die Verletzung nicht, denn die Zecke betäubt die Stelle mit ihrem Speichel. Dieser enthält außerdem Stoffe, die das Blut am Gerinnen hindern und eine Entzündung unterdrücken. Gefährlich sind Zecken vor allem deshalb, weil sie über den Speichel Viren und Bakterien übertragen können. Hat man eine Zecke entdeckt, sollte man sie deshalb zeitnah entfernen.

Mythos 2: Zecken entfernt man mit einer Drehbewegung
Früher beträufelte man Zecken mit Öl, Nagellackentferner oder Kleber, um sie zu töten und sie dann mit einer Drehbewegung zu entfernen. „Das sollte man heutzutage nicht mehr tun“, erklärt Dr. Engelmann. „Durch das Herausdrehen wird der Speichelfluss der Zecke angeregt. Die Tiere könnten sich außerdem in die Einstichstelle übergeben und so erst recht Bakterien und Viren übertragen. Also lieber mit etwas Fingerspitzengefühl dicht über der Haut packen, möglichst gerade herauszuziehen und vollständig entfernen“, rät der Experte.

Am besten eignen sich dazu sogenannte Zeckenpinzetten, -zangen oder auch Zeckenkarten. Diese bekommt man zum Beispiel in der Apotheke. „Wenn man die Anatomie der Zecke beachtet, ergibt gerades Herausziehen auch Sinn. Denn statt einem Gewinde haben die Mundwerkzeuge der Zecke Widerhaken. Zecken „schrauben“ sich also nicht in die Haut, sie verankern sich mit Hilfe der Widerhaken“, so der Chefarzt. Um diese zu lösen, kann es helfen, die Haut beim Herausziehen mit den Fingern leicht anzuspannen. Anschließend sollte man die Stelle desinfizieren.

Mythos 3: Bleibt der Kopf stecken, entzündet sich die Einstichstelle
Die Angst, dass der Kopf der Zecke stecken bleibt und dadurch Erreger in die Wunde gelangen, ist unbegründet. Zecken haben keinen Kopf. Was gelegentlich stecken bleibt, sind die Mundwerkzeuge. Das ist aber in der Regel unproblematisch.

Diese Fremdkörper stößt der Körper ähnlich wie einen Holzsplitter nach einer gewissen Zeit von selbst ab. Erst wenn sich die Stelle entzündet, sich ein roter Ring bildet oder grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerzen oder Gliederschmerzen auftreten, sollte man zum Arzt zu gehen.

Mythos 4: Nur Zecken in Risikogebieten übertragen Krankheitserreger
Zeckenstiche sind zwar in den meisten Fällen harmlos. Aber nicht immer: Zecken können Krankheiten wie Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. FSME tritt zwar vor allem im Süden Deutschlands auf, kann aber auch in anderen Gebieten vereinzeln vorkommen. Die Übertragung einer Borreliose ist überall möglich. Sollten Sie an ihrem Körper eine sogenannte Wanderröte, einen roten Fleck rund um die Einstichstelle, bemerken, ist unbedingt der Arzt aufzusuchen. Hier hilft nur ein Antibiotikum.

„Mittlerweile ist es durch den zunehmenden Klimawandel zur Einwanderung weiterer Zeckenarten aus dem süosteuropäischen und dem Mittelmehrraum gekommen, welche neben den bisher bekannten Erregern nun auch neue Viren übertragen und Erkrankungen wie z.B. das Mittelmeer-Fleckfieber oder das Krim-Kongo-Fieber auslösen“, erläutert der Experte.
„Es gilt: Je länger die Zecke bereits saugt, umso höher ist die Gefahr, dass Krankheitserreger übertragen werden. Deshalb ist ein gründlicher Körper-Check nach einem Ausflug in die Natur ratsam.“