Start Chemnitz Zwei Herzen für die Welt
Artikel von: Judith Hauße
18.01.2024

Zwei Herzen für die Welt

Tanja und Dr. Andreas Walther starteten 2016 in Tansania ihr Herzensprojekt „WeltBeweger“, das auch in Chemnitz und Umgebung „kleine Welten“ ein bisschen besser macht, wie sie sagen. Foto: privat

„WeltBeweger“: Von „Perlen“ im Rotlichtmilieu bis Hilfe in Afrika

„Wir können zwar nicht die ganze Welt retten, aber vielleicht die kleine Welt eines einzelnen Menschen“, beginnt Dr. Andreas Walther über die Arbeit seines Vereines zu sprechen. Der Anästhesist am Klinikum Chemnitz startete gemeinsam mit Ehefrau Tanja Walther vor sechs Jahren das Projekt „WeltBeweger e.V.“
Inzwischen ist der gemeinnützige Verein sowohl in Afrika als auch hier in der Region mit Projekten tätig. Die, so sagt der Vereinsvorsitzende, „helfen Menschen, die sich selbst nicht helfen können.“ Damit sie dies auch weiterhin tun können, erhielt das Ehepaar vergangene Woche eine satte Spendensumme in Höhe von rund 7.500 Euro – übergeben vom Lions-Club Wasserschloss Klaffenbach. Dieser konnte in den letzten Wochen mit dem Verkauf seines „Chemnitzer LIONS Kunst- & Adventskalenders“ viele Euros zur Unterstützung von gemeinnützigen Einrichtungen in der Region einwerben. Und auch in diesem Jahr soll das Geld an rund sechs Vereine und Organisationen gehen. Tanja und Dr. Andreas Walther von „WeltBeweger“ gehören dazu, beide sind dankbar für die große finanzielle Untertsützung. Denn ohne die wäre in den letzten Jahren vieles nicht möglich gewesen. wie sie sagen.

Gemeinsam mit den Lions-Vorstandsmitgliedern Uwe Zeulner (r.a.) und Stephan Geupel (2.v.r.) übergab Aleaxander Dierks, CDU-Landtagsabgeordneter und Vereinspräsident des Chemnitzer Lions Club (l.a.) den Spendenscheck in Höhe von 7.500 Euro an Tanja (Mitte) und Dr. Andreas Walther (2.v.r.) vom Verein „WeltBeweger e.V.“ Foto: Judith Hauße

„Seit der Gründung sind Projekte unheimlich schnell gewachsen, was uns stolz macht“, sagt Andreas Walther. Inzwischen richtet der 49-Jährige sein Leben nach dem Verein aus, übt bloß noch eine 50-Prozent-Stelle als Arzt am Klinikum Chemnitz aus. Ehefrau Tanja ist ausgebildete Grundschullehrerin, sie hat inzwischen ihre Stelle komplett aufgebeben, um sich dem Verein vollumfänglich zu widmen. Für beide sei es Schicksal gewesen, ihr Glaube zu Gott trägt sie durch den Alltag. „Wir wollen den Menschen helfen, aber ihnen nichts aufzwingen. was sie nicht wollen.“

Hilfe für Tansania

Begonnen hat ihre „Weltbeweger“-Geschichte 2015 in Afrika, als Andreas Walther im Rahmen eines medizinischen Einsatzes einer Ärzte-Organisation nach Tansania reiste. Ehefrau Tanja begleitete ihn. „Dass daraus später mehr entstehen sollte, hätten wir so nie gedacht.“ Der „WeltBeweger“ spricht von einem Schlüsselmoment nach ihrer vierwöchigen Afrika-Reise. Im tansanischen Mugumu im Distrikt Serengeti lernten sie Menschen kennen, die es sich zur Aufgabe machten, den Waisenkindern im Ort zu einem besseren Leben zu verhelfen. „Da war keiner aus Europa, der ihnen diese Idee aufstülpen wollte, sie selbst haben sich dessen angenommen“, erklärt der Arzt. „Da kam der Entschluss, zu helfen“, beendet Ehefrau Tanja seinen Satz. Gleichzeitig erzählt sie von einem kleinen Jungen, der ihnen in dieser kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen ist. „Er kam mit Zahnschmerzen zu uns. Diese waren nach drei Tagen weg. Er aber besuchte uns danach trotzdem jeden Tag, nannte meinen Mann und mich Mama und Papa“, erinnert sich die 48-Jährige. „Später sagte er uns, dass er in den vier Wochen so viel Liebe bekommen habe, wie noch nie in seinem Leben. Das hat uns sehr berührt, auch, weil wir selbst keine Kinder haben.“ Sie schmunzelt, denn mit einer Aussage hätten beide nie gerechnet. „Eines Tages kam er zu uns und meinte, den Jesus, den ihr habt, den will ich auch – da waren wir erst einmal perplex“, sagen sie. Inzwischen ist aus dem kleinen moslimischen Jungen ein ausgebildeter Pastor im christlichen Glauben geworden. „Er war es letztlich auch, der uns mit den ersten Waisenkindern, denen wir geholfen haben, bekannt gemacht hat.“

“Hier kommt zusammen, was zusammen gehört”

Tanja Walther

Seit dem ist viel in dem kleinen tansanischen Dorf passiert. Aktuell kümmert sich der Verein mit Helfern aus dem Ort um insgesamt 55 Waisenkinder. „Für sie investieren wir vor allem in Bildung, Kleidung und Medizin“, sagt Walther. Neben einer derzeit noch im Bau befindlichen Notunterkunft, inklusive Notfallambulanz steckt das Team viel Engagement in ein Berufsschulzentrum. Bereits kurz nach der Gründung des Vereins eröffneten die beiden eine Berufsschule. Hier erhalten vor allem Frauen, die bisher keine Chance auf eine gute Bildung hatten, eine einjährige Ausbildung als Näher/in. Sie bekommen eine eigene Nähmaschine und können sich nach dem Abschluss ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen. Darauf wurde sogar auch ein Fernseh-Sender aufmerksam, weswegen sich das Interesse an das Angebot der Walthers mittlerweile über das ganze Land erstreckt. „Viele kommen aus Ortschaften, die hunderte Kilometer entfernt sind“, sagt Andreas Walter. Deshalb hat das Ehepaar die Errichtung eines Internats in die Wege geleitet. „Gut 40 Plätze stehen aktuell zur Verfügung.“

Tanja Walther fährt mit ihrem Mann zweimal im Jahr nach Afrika, um die Waisenkinder zu besuchen. Foto: Privat

“WeltBeweger”: “Hilfe zur Selbsthilfe”

Die Ausbildung zum/r Näher/in absolvierten vergangenes Jahr rund 85 Schülerinnen und Schüler. „In diesem Jahr erwarten wir bis zu 100.“ Zudem bauen sie auf einem 30.000 Quadratmeter großen Gelände das Berufsschulzentrum aus. Die jungen Menschen sollen dieses zunächst etwa als Techniker für Photovoltaik-Anlagen, Elektriker oder Kfz-Mechatroniker verlassen. Wenn der Bau reibungslos verläuft, soll es hier bereits im Juni dieses Jahres mit den ersten Unterrichtsstunden losgehen. Doch bei allem, was sie in Afrika machen, ist den Weltbewegern eines immer wichtig: „Wir sind Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Andreas Walther. Deshalb so sagt er, sind seine Frau und er nicht das ganze Jahr über in Afrika. „Das machen wir bewusst so, weil es das Ziel ist, dass sie lernen, selbstständig zu werden.“

In der Berufsschule von „WeltBeweger“ haben vor allem Frauen die Chance, den Beruf der Näherin zu lernen, um später ihr eigenes Geld zu verdienen.Foto: Privat

Eine Perle für Chemnitz

Mit dem Chemnitzer Herzensprojekt „PERLA“, einem Besuchsdienst für Frauen im Rotlichtmilieu, haben die WeltBeweger Tanja und Andreas Walther an fünf Standorten in Sachsen und Thüringen (Chemnitz, Zwickau, Dresden, Erfurt und Jena) ein Team aus ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammengestellt, das Frauen, die aufgrund von Zwangsprostitution in Chemnitzer Arbeitswohnungen leben, Mut machen, Hoffnung gibt und ihnen vielleicht hin und wieder ein ehrliches Lächeln ins Gesicht zaubern. Ihnen zeigen, dass sie nicht nur Lustobjekte sind, sondern Menschen. „Auf Deutsch bedeutet der Name Perle, und genau wie eine Perle sind auch alle diese Frauen im Rotlicht. Hinter jeder von ihnen steckt eine Geschichte, die es wert ist, gehört zu werden“, erklärt Tanja Walther.. „Bei unseren Besuchen bringen wir kleine Geschenke mit und lassen auch ermutigende Botschaften in Form von Sprüchen da.“ Für ihr Engagement in diesem Bereich wurden sie im Jahr 2020 mit dem ersten Platz des Chemnitzer Friedenspreises ausgezeichnet.
Schätzungsweise 600 bis 800 Frauen im Rotlichtmilieu, insbesondere aus Osteuropa, vor allem Ungarn, leben allein in Chemnitz, vorrangig verteilt in Arbeiterwohnungen in der ganzen Stadt. „Schätzungsweise 80 Prozent von ihnen sind Opfer von Menschenhandel.“

Im Team ist das Team von PERLA unterwegs zu den Arbeiterwohnungen, in denen die Frauen der Zwangsprostitution nachgehen. Foto: Privat

Das Team von PERLA weiß, dass es mit seiner Arbeit auch hier nicht die Welt komplett verändern kann. „Aber es ist ein Anfang“, so Tanja Walther. „Unser Ziel ist es nicht von vornherein, die Frauen aus der Prostitution zu holen, aber wenn sie bei unseren Besuchen sich ins Bewusstsein rufen können, ich bin nicht wertlos und schuldig – ganz gleich ob sie die Prostitution freiwillig machen oder gezwungen werden, dann haben wir schon viel erreicht.“ Freiheit und Zwang bei den Frauen lägen im Rotlicht oft eng beieinander, meint sie.


Kontakt zu den Frauen erält das PERLA-Team durch Recherchen im Internet oder ein Teammitglied kontaktiert sie als Lockvogel per Anruf. Zudem pflegen sie regelmäßigen Kontakt zu Behörden, wie dem Gesundheitsamt oder Ärzten. In Schulen etwa leistet das Team von PERLA außerdem Präventionsarbeit.

Mehr über den Verein erfahren Sie hier.